Karrierealle Jobs


Beton-Andrea bleibt hart

Mindestlohn, Mietpreisbremse, Energiewende. Die Politik verabschiedet sich systematisch von der Marktwirtschaft. Überall wird reguliert, befohlen und zentralverwaltet. Die Planwirtschaft kehrt nach Deutschland zurück.

Düsseldorf. Andrea Nahles verfährt nach dem Lenin-Motto: Ein Kompromiss ist zwei Niederlagen auf einmal. Also macht sie keinen. Der gesetzliche Mindestlohn wird kommen, nahezu ohne Ausnahmen. Die Wirtschaft appelliert noch für Sonderregeln, die Union winselt um Kompromisse, ein Dutzend Verbände bettelt, ganze Regionen in Ostdeutschland, Sozialinstitutionen, Seniorenverbände, Verlage, Vereine, Gastwirte, Bauern mahnen.

Doch selbst die Warnung von Arbeitslosenhelfern hat nichts genutzt. Beton-Andrea bleibt hart. Beim Lohn bekommt Deutschland ihren Planwirtschaftsbefehl. Zentral und politisch festgelegt, für alle und überall gültig wird er dekretiert. Das Mindestlohndiktat wird viele Arbeitsplätze kosten. Zigtausenden werden Einstiegschancen verbaut, in Ostdeutschland werden ganze Gewerke nach Polen abwandern.

Doch Andrea Nahles scheint es egal, mit ideologischem Schneid befindet sie: Nicht die Menschen und ihre Märkte sollen über Löhne und Preise frei entscheiden, sondern Parteien, Politiker und ihr Staat. Das Mindestlohngesetz wird so zum radikalen Eingriff in den Arbeitsmarkt. Im Stile von Lohntüten-Polizisten wollen die Sozialdemokraten wieder „für Ordnung am Arbeitsmarkt“ sorgen – und zwar weit über den Mindestlohn hinaus. Über Werkverträge, Leiharbeiten und befristete Stellen bis zur Zeitarbeit soll die neue Nahles-Planwirtschaftswalze noch drüber rollen - die Agenda-Reformen von Gerhard Schröder werden zielsicher zerstört.

Es wirkt wie eine gespenstische Teufelsaustreibung der Hartz-Reformen, die einst von Rot-Grün beschlossen worden sind. Die SPD will die Geister der Freiheit unbedingt wieder los werden – und ausgerechnet die Union hilft ihr dabei wie ein Lehrling des Neo-Sozialismus. Dabei war es just die Liberalisierung des Arbeitsmarkts, die Deutschland in den vergangenen Jahren das in aller Welt bewunderte Jobwunder beschert hat.

Umso verblüffender ist das derzeitige Comeback der Planwirtschaft in der deutschen Politik. Was einst ein Energiemarkt war, ist heute eine Räterepublik der Planvorgaben. Öko-Stromkontingente werden zu festgelegten Planpreisen verteilt, tonnenideologisch werden solare Willkürmengen produziert, die Bevölkerung zahlt Zwangsabgaben, Angebot und Nachfrage sind außer Kraft und die Parteipolitik bestimmt Planerfüllungskennziffern. In diesem Ökostrom-Sozialismus wundern sich Politiker plötzlich, dass die Versorgung unsicher wird, Fehlkapazitäten entstehen, die Preise steigen, die Innovation ausbleibt. Dabei ist das in jeder Planwirtschaft die logische Folge.

„Alle meine Berater sind gegen Ihr Vorgehen“


Und doch strebt man nach einer DDR-Light auch in andere Schlüsselbranchen. So soll die Mietpreisbremse demnächst die freie Preisbildung am Immobilienmarkt beenden. Auch hier glaubt die Politik, im Mantel des Sozialhelfers dem Wohnvolk mit Preisdiktaten Gutes zu tun. In Wahrheit wird Mietern geschadet, denn Investitionen in Neubauten und Sanierungen bremst man damit zielsicher ab, Knappheiten werden verfestigt anstatt überwunden. Die ultimative Folge von Mietpreisbremsen konnte man in den ruinierten Städten der DDR 1989 besichtigen.

Ob Löhne, Mieten oder Strompreise – der Marsch in die Planwirtschaft kennt derzeit viele Etappen. Von Dispozinsen über Medikamente bis zur Rente. Man wäre kaum mehr verwundert, wenn die neuen Sozialismen auch den Milch- und Brotpreis (wie einst nach dem Weltkrieg) wieder staatlich reglementieren wollen – man kann doch unmöglich lebenswichtige Grundnahrungsmittel der Gier des Kapitalismus überlassen!

Vielleicht aber besinnt sich die Politik auch wieder auf Ludwig Erhard und dessen Erkenntnis, das nur die Marktwirtschaft Wohlstand für alle schafft. Erhard gab die Preise damals unter schwierigsten Knappheitsbedingungen frei. Legendär geworden ist sein marktwirtschaftliches Selbstbewusstsein gegenüber dem amerikanischen Oberbefehlshaber Lucius D. Clay, der ihm vorhielt: „Alle meine Berater sind gegen Ihr Vorgehen“. Erhard entgegnete ihm trocken: „Meine Berater auch.“ Er beendete die Zwangsbewirtschaftung und gab die Preise einfach frei, anstatt sie mindestlohnig, mietpreisbremsig, ökostromeinspeisig weiter zu politisieren. Als Clay ihn besorgt fragte, warum er denn die Preisvorschriften geändert habe, entgegnete der Vater der sozialen Marktwirtschafte so lakonisch wie selbstbewusst: „Ich habe sie nicht geändert, ich habe sie abgeschafft.“ Erhard war eben das Gegenteil von Nahles.

Dieser Kommentar ist Teil der Kolumne "What's right?", die Wolfram Weimer wöchentlich für das Handelsblatt schreibt.

24.03.2014 | 09:50

Artikel teilen: