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Stadtleben macht Spaß

Smart City: Immer mehr Menschen wohnen in Ballungszentren. Sensoren, Computer und Smartphones machen das Leben in Zukunft angenehmer. Wenn der Platz zu knapp wird, dann wachsen die Städte eben unter der Erde weiter.

Träumen darf man ja mal. Wie wäre es, wenn wir in einer Stadt lebten, in der die Luft sauberer wäre, es mehr Bäume und Grünflächen gäbe und der Verkehr schneller fließen würde? Wo die Energie effizienter genutzt und weniger Müll an­fallen würde? Also, wo der Alltag einfach angenehmer wäre? Un­sere Häuser wären dann möglicherweise kleine Kraftwerke, die Energie produzieren, speichern und mit anderen teilen würden. Die Fassaden wären multifunktional und würden je nach Bedarf die Luft reinigen. Die Menschen wären untereinander und mit der Stadt vernetzt und könnten sich aktiv an Entscheidungen betei­ligen. Produkte würden in der Stadt hergestellt, um weite Transportwege zu vermeiden und den Weg zur Arbeit zu verkürzen. Die Verkehrsmittel wären emissionsfrei, leise und würden gemeinschaftlich genutzt.

Manches mag zwar utopisch klingen, aber an der Realisierung ­dieser Vision wird bereits inten­-siv gearbeitet. Die „CO2-neutrale, energieeffiziente und klimaangepasste Stadt“ ist Teil der Hightech-Strategie 2020 der Bundesregierung. Denn in den kom­menden Jahrzehnten steigen die Herausforderungen. Die Metropolen der Welt wachsen mit atemberaubender Geschwindigkeit. Schon heute lebt die Hälfte der 7 Mrd. Weltbürger in solchen Zentren, im Jahr 2050 werden es doppelt so viele sein. Dieser Trend ist in Deutschland bereits deutlich spürbar: 74 % der Deutschen wohnen in urbanen Ballungsräumen.

Diese Entwicklung bringt große Chancen für die Industrie mit sich. Die Unternehmensberatung Booz & Co. hat die Investitionen in die urbane Infrastruktur in den nächsten 30 Jahren auf 350 Mrd. US-Dollar taxiert. Unternehmen wie Siemens und IBM, aber auch Mittelständler wie Rehau erwarten ein Riesengeschäft. Ein effi­zienterer Energieeinsatz wird ein Schlüssel zur Lösung der Pro­bleme sein, denn drei Viertel aller Treibhausgasemissionen werden von Städten verursacht. Dabei werden smarte, IT-gesteuerte Technologien in allen Wirtschaftsbereichen an Bedeutung gewinnen, seien es Immobilien, Stromnetze, Mobilität, Logistik oder die Produktion. Auf vielen Gebieten sind die Voraussetzungen schon vorhanden, sie müssen jedoch noch in die Praxis umgesetzt werden, meint Prof. Hans-Jörg Bullinger, ehemaliger Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft. Eine besondere Herausforderung wird sein, neue Technologien auf intelligente Weise einzuführen, da eine Stadt ja nicht komplett neu auf der grünen Wiese gebaut werden kann.

Stadtplaner sind sich uneins

Ziel muss eine lebenswerte Stadt sein – so viel sind sich Experten einig. Wenn Stadtplaner aber erklären sollen, wie genau sie ihre Metropolen in die Zukunft führen wollen, gehen die Meinungen auseinander: Der eine will es so versuchen, der nächste anders. Trotz vieler Kongresse herrscht keine Einigkeit. Auch die zahlreichen Smart-Cities-Rankings geben keine gute Orientierung. Zu unterschiedlich sind die Kriterien und zu sprunghaft ist die Entwicklung auf diesem Gebiet. Fest steht nur: Die Smart City von morgen hat mit Sensoren zu tun, mit Computern, Smartphones, neuen Verwaltungsformen und einer kommunalen Offenheit wie nie zuvor. Digitaltechnik soll das städtische Leben sauberer, nachhaltiger und angenehmer machen. Und der Wohlstand soll auch wachsen.

Inmitten der Unsicherheit gibt es einige vorbildhafte Beispiele. Trotz leerer Kassen prescht beispielsweise eine alte Hafenstadt am Atlantik voran. Das spanische Santander, Geburtsort der gleichnamigen Großbank, ist schon heute ziemlich smart. Mit seinen 180 000 Einwohnern ist die Stadt sozusagen ein lebendes Versuchslabor. Mit etwa 9 Mio. Euro Forschungsgeld, vor allem aus EU-Töpfen, wurde der Prototyp der cleveren Stadt geschaffen. Dafür wurden etwa 10 000 Sensoren in der City installiert. Sie messen so ziemlich alles, was es zu messen gibt: Licht, Luftdruck, Temperatur, Feuchtigkeit, Lärm, Ozon und Stickoxide sowie die Bewegung von Bussen, Polizeiautos und Taxis. Die gewaltigen Datenströme landen in einem Zen­tralrechner, der daraus ein Gesamtbild ermittelt.

Erste Konsequenzen daraus wurden bereits gezogen. Bisher sandte der Bürgermeister Íñigo de la Serna nachts Patrouillen aus, die im Zentrum nach defekten Straßenlaternen fahndeten. Jetzt meldet der Computer der Stadtverwaltung, wo genau ein neues Lämpchen gebraucht wird. Und die Helligkeit der Straßenbeleuchtung richtet sich neuerdings nach dem Bedarf. Ist die Straße menschenleer, wird es dunkler. Bei Vollmond scheinen die Laternen weniger stark als in einer Regennacht.

Bald werden Sensoren auch im Parque de las Llamas ihren Dienst tun. Sie sollen helfen, die Bewässerung des Stadtparks zu optimieren und die bisherige Was­serverschwendung abzustellen. Müllfahrer sollen künftig sinnlose Fahrten vermeiden, weil sie dank der Sensoren schon vorher wissen, welche der großen Abfalltonnen geleert werden müssen.

Ein weiteres Vorbild ist Kopenhagen. Im Jahr 2012 wurde die Hauptstadt Dänemarks von der EU zu Europas „grüner Hauptstadt“ gewählt. Der Grund: viele praktische Lösungen für eine nachhaltige Stadt. Insgesamt 1 000 mehr oder weniger große Parks machen Stockholm auch optisch zur grünen Oase. Die Stadt produziert aus Abwässern Biodiesel für städtische Fahrzeuge, selbst das Wasser in der Kanalisation ist an ein Wärmerückgewinnungssystem angeschlossen. Ein Lohn für diese Mühen: Seit dem Start der Initiative haben sich 3 000 Cleantech-Unternehmen in der Stadt angesiedelt.

Städte wachsen unter die Erde

In Asien ist Singapur der Vorreiter bei der Umsetzung eines Smart-City-Konzepts – teilweise aus purer Notwendigkeit, denn Grund und Boden sind knapp. Eine wachsende Bevölkerung von 5,4 Mio. Einwohnern muss auf einer Insel von 700 Quadratkilometern versorgt werden, wobei alle Rohstoffe von außen beschafft werden müssen: Energie, Wasser, Mineralien und Agrargüter.

Ein wichtiges Thema ist die Schaffung von neuer Nutzfläche. Hierbei wurde in der Vergangenheit zumeist in die Höhe gebaut. Die jüngste Entwicklung weist unter die Erde. Derzeit erwägt die Regierung einen „Underground Masterplan“, der zu einer unter­irdischen Stadt mit Shopping Malls, Forschungseinrichtungen und sogar Fahrradwegen führen soll. Unter der Erde bestehen bereits zwölf Kilometer Schnellstraße und fast 80 Kilometer U-Bahn. Demnächst soll es Lagerstätten für Öl und Chemikalien geben, dann wird wertvoller Grund für andere industrielle Nutzungen frei. Die Erfahrungen, die Singapur macht, könnten einmal als Vorbild für andere Megastädte in China dienen, wo bereits 20 Städte einen „Tiefenplan“ haben sollen. 

FR

31.03.2014 | 09:27

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