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Starke Nerven sind gefragt

Der Drache speit Feuer. Der Dax ist wegen China im Krisenmodus, die 10.000-Punkte-Marke ist gefallen – Anleger brauchen starke Nerven. Die Verluste schmerzen, doch jetzt panisch aus Aktien zu fliehen, ist falsch.

Krisenstimmung an den Märkten. Schon wieder. Die Sorge um Chinas Konjunktur geht um und lässt die Emotionen an der Börse hochkochen. Der Dax ist sogar unter die Marke von 10.000 Punkten gerauscht, was bei empfindsamen Gemütern und nicht minder empfindsamen Computern heftige Reaktionen auslöst. Viele verlieren die Nerven und wollen nur noch eins: raus aus Aktien. Doch liebe Anleger: Ihr reagiert zu heftig!

Natürlich haben Anleger allen Grund zur Verunsicherung. Erleben sie doch die zweite große Verkaufswelle binnen weniger Tage und den schwächsten Jahresauftakt des Dax seit 25 Jahren. Fast fünf Prozent hat der deutsche Leitindex in dieser Woche bereits eingebüßt. Die Verkaufswelle erwischt natürlich auch andere Märkte, aber den Dax trifft es besonders hart.

Kein Wunder, denn er ist extrem automobillastig und Volkswagen, BMW und Daimler leiden besonders, wenn sich die Konjunktur in China abschwächst. Schließlich machten sie dort in den vergangenen Jahren gute Geschäfte. Nun sieht es nicht mehr so rosig aus. Ihre Wochenbilanz lässt Anlegern entsprechend die Nackenhaare zu Berge stehen: BMW minus neun Prozent, Volkswagen minus elf Prozent, Daimler minus 7,5 Prozent. Und auch am heutigen Donnerstag führen die drei Autowerte die Verliererliste an.

Die Sorgen um Chinas Wirtschaft und ihre Auswirkungen auf die Weltkonjunktur mögen berechtigt sein, trotzdem ist die Panik an den Märkten übertrieben, wieder mal. Anleger erinnern sich noch gut an den schwarzen Montag. Damals, im August 2015 waren die Ausschläge ähnlich heftig. Der Dax reagierte, als ob die Weltwirtschaft und vor allem die deutschen Konjunktur in die Rezession gerutscht wären. Eine totale Überreaktion.

Aktionaäre sollten cool bleiben

Doch das sehen Aktionäre oft nicht. Sie haben nur ihren schmelzenden Depotwert vor Augen. Angesichts hoher Verluste hinterfragen gerade Privatanleger ihre Engagements, und zwar nicht nur die in Autowerte, die in vielen deutschen Depots liegen. Die Aktie an sich ist auf einmal brandgefährlich, das Vermögen in Gefahr. Sie lassen sich anstecken von der Panik anderer Investoren.

Doch das ist falsch. Wer im August überstürzt sein Depot leer räumte, gar Fondssparpläne kündigte und damit seine langfristige Strategie über den Haufen geschmissen hat, machte einen Fehler. Schon ein paar Tage später sah die Börsenwelt nicht mehr ganz so stockdunkel aus, ein paar Wochen später waren die Kursverluste so gut wie wett gemacht.

Solche Überreaktionen gehören an der Börse dazu. Es hat sie immer gegeben, und es wird sie immer wieder geben. Investoren neigen zu Panik und Herdentrieb. Schon der legendäre André Kostolany sagte, dass die Börse zu 90 Prozent aus Psychologie besteht. Im Umkehrschluss heißt das, nur zehn Prozent sind Fakten.

Aber der Börsenaltmeister zielte damit auf die kurzfristige Börsenentwicklung ab, langfristig zählen nämlich sehr wohl die Fakten. Und die sind nicht so schlecht, wie die Abschläge an den Börsen meinen lassen. Experten erwarten für dieses Jahr immer noch ein Wachstum der Weltwirtschaft von etwa drei Prozent – von Krise keine Spur. Auch wenn sich die Aussichten etwas eingetrübt haben. Auch der bekannte US-Investor George Soros zeigt sich angesichts des anhaltenden Negativtrends an Asiens Märkten besorgt. Die globalen Märkte stünden einer Krise gegenüber, Investoren müssten nun äußerst vorsichtig sein, sagte Soros beim Wirtschaftsforum in Sri Lanka. China habe Schwierigkeiten ein neues Wachstumsmodel zu finden. Dieses Problem stecke auch den Rest der Welt an. Nicht zuletzt die jüngste Zinsanhebung stelle die Schwellenländer vor große Herausforderungen.

Nicht gleich in den globalen Krisenmodus schalten

Das stimmt natürlich alles, aber deshalb an den Weltmärkten gleich in den Krisenmodus zu schalten, ist übertrieben. Natürlich wächst die Wirtschaft in China langsamer als früher, aber eine Überraschung ist das eigentlich nicht. Das war abzusehen und von der chinesischen Regierung auch gewollt. Warum also jetzt die Hysterie? Das Land baut sein Wirtschaftsmodell um, und das ist mit einem Rückgang des Wachstums verbunden. Das ist aber alles nicht neu.

Auch die extremen Ausschläge an Chinas Börsen sind keine echte Überraschung. Chinas Anleger ticken anders als die amerikanischen, und erst recht als die risikoscheuen Deutschen. Die Chinesen sind extrem risikofreudig, mitunter werden sie gar als Zocker tituliert. Sie gehen heiße Wetten ein, gerne auch kreditfinanziert. Befeuert wurde das lange Zeit sogar von der Regierung. Die versucht nun einzudämmen, was sie selbst angezettelt hat.

Nach dem Einbruch zum Wochenanfang hatte die chinesische Regierung Milliarden in den Markt gepumpt. Auch wurden neue Maßnahmen angekündigt, um die Kurse zu stützen, was kurzfristig auch gelungen war. Doch fehlt das langfristige Vertrauen. Davon sollten sich Privatanleger hierzulande aber nicht anstecken lassen und ihre Strategie über Bord werfen, nur weil es an der Börse gerade mächtig kracht. Auch wenn die Verluste schmerzen: Durchhalten sollte die Devise langfristig orientierter Anleger lauten. Auch diese Krise wird vorüberziehen, egal wie heftig sie auch noch werden und wie lange sie dauern wird. Handelsblatt / Jessica Schwarzer

07.01.2016 | 14:20

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