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EZB: Ende des Anleihen-Kaufprogramms kein Selbstläufer

Angesichts der Gefahr, die Italiens derzeitige Schwäche darstellt, war es durchaus nicht selbstverständlich, dass die EZB ihre massiven Anleihenkäufe einstellt. Denn die Bedeutung Italiens ist zu groß, um das Land scheitern zu lassen. So zeichnet sich weiterhin eine Normalisierung der Geldpolitik in Europa ab, und die Vorbehalte von Anlegern gegenüber Italien haben sich ebenfalls gelegt – vorläufig.

Von Hetal Mehta

Überraschend klar und einstimmig hat die Europäische Zentralbank (EZB) bei ihrer Zinssitzung in Riga das Ende ihrer umstrittenen Anleihenkäufe per Ende Dezember beschlossen. Selbstverständlich war es nicht, dass die Währungshüter das Kaufprogramm noch in diesem Jahr einstellen. Denn Italien sieht sich gerade erneut mit Finanzmarktturbulenzen konfrontiert, und Mario Draghi hätte sein berühmtes Versprechen, alles zu tun, was nötig ist, um den Euroraum zusammenzuhalten, wiederholen können.

„Wir vertrauen darauf, dass die Regierung alle geeigneten Maßnahmen ergreifen wird.“ Mit diesen Worten endetete im Jahr 2011, auf dem Höhepunkt der europäischen Staatsschuldenkrise, der ursprünglich geheime und inzwischen berüchtigte Brief des damaligen EZB-Präsidenten Jean-Claude Trichet und seines Nachfolgers Mario Draghi an die italienische Regierung. Fast sieben Jahre später hat Italien erneut für starke Kursbewegungen an den Finanzmärkten gesorgt und damit Erinnerungen an die dunklen Tage der Staatsschuldenkrise ausgelöst. Anleger hatten in Frage gestelllt, ob die EZB ihr quantitatives Lockerungsprogramm wie geplant beenden kann, oder ob die Währungshüter um EZB-Präsident Draghi der drittgrößten Volkswirtschaft im Euroraum doch wieder Unterstützung gewähren könnten.

Vielsagendes Schweigen

Die EZB war bereits eindrucksvoll ruhig geblieben, als die populistische Koalition Italiens, bestehend aus den euroskeptischen Parteien Fünf Sterne und Lega, ihre Regierung gebildet und ihre politischen Pläne angekündigt hatte. Der Entwurf des Koalitionsvertrags wies eine ausgeprägte Ambivalenz gegenüber dem Euro sowie verschwenderische Ausgabenpläne auf, die die ohnehin fragile Finanzlage Italiens weiter gefährden könnten. Doch obwohl Italiens Wirtschaft und Staatsanleihenmärkte zu groß sind, um das Land scheitern zu lassen, hat Draghi sein berühmtes Versprechen, das nur zwei Monate nach dem besagten Brief aus dem Jahr 2011 an die italienische Regierung folgte, in der aktuellen Lage nicht noch einmal wiederholt.

Hätte Draghi Italien mit dem Kauf von Anleihen weiter unterstützt, wäre die Situation an den Märkten naller Wahrscheinlichkeit nach eskaliert. Zudem hätte Italien im Gegenzug erneut strenge Bedingungen akzeptieren müssen. Auch wenn sich die Vorbehalte der Anleger vor Investitionen in Italien scheinbar gelegt haben, bleiben die Zinsen für italienische Anleihen weiterhin hoch. Folglich ist der EZB-Rat auf Nummer sicher gegangen, indem er das Ende des Anleihenkaufprogramms angekündigt. Immerhin ist es gelungen, im Rahmen des Anleihenkaufprogramms der EZB rund 16 Prozent der gesamten Staatsverschuldung Italiens abzubauen.

Angesichts der verbesserten Konjunktur und einer deutlich angestiegenen Inflation im Euroraum erscheint der geplante Stopp der Anleihekäufe trotz der Unsicherheit in Italien aber sinnvoll. Zwar hält die EZB den Leitzins vorerst bei 0,0 Prozent, eine Normalisierung der Geldpolitik im europäischen Währungsraum zeichnet sich jedoch weiterhin ab.

Hetal Mehta ist Senior European Economist Allocation bei Legal & General Investment Management (LGIM).

21.06.2018 | 16:36

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