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Investoren fahren die Ernte ein

Die Biotech-Branche hat viel Potenzial und eine hohe Dynamik. In den nächsten Jahre sind viele neue Medikamente zu erwarten. Interview mit Dr. Daniel Koller, Leiter des Managementteams der BB Biotech AG.

WirtschaftsKurier: Herr Dr. Koller, Biotechnologie kommt in vielen Bereichen zum Einsatz – in der Medizin, in der Landwirtschaft und in der Industrie. Sie konzentrieren sich ganz auf biotechnologische Arzneimittel. Wieso ist das sinnvoll?

Dr. Daniel Koller: Wir sehen in der biotechnologischen Pharmazie sehr viel Potenzial. Deshalb haben wir uns darauf spezialisiert. Es gibt hier eine Vielzahl an spannenden Themen und eine so hohe Dynamik, dass wir in den nächsten Jahren viele bahnbrechende Innovationen erwarten.

Welche Felder sind interessant?

Es geht vor allem um vier Bereiche: Infektionskrankheiten, Onkologie (Krebserkrankungen), Hämatologie (zum Beispiel Leukämie) sowie seltene Krankheiten. Um ein Beispiel für das zukünftige Potenzial zu nennen: In der Onkologie konzentriert sich die Diskussion momentan auf die Immunonkologie. Wie schaffen wir es, das Immunsystem der Patienten so zu steuern, dass wir den Körper möglichst effektiv für die Abwehr von Krebszellen trainieren? Hier wird es in den nächsten Jahren sehr viele spannende Ansätze für neue Behandlungsmethoden geben.

Man kann oft lesen, dass für die Entwicklung von Medikamenten für seltene Krankheiten zu wenig Geld zur Verfügung steht. Die Märkte seien zu klein, um interessant sein. BB Biotech investiert etwa 20 % des Anlagekapitals in Firmen, die solche Arzneimittel entwickeln und herstellen. Warum?

Es gibt einige Erfolgsbeispiele in diesem Segment. So hat Alexion, eine unserer Betei­ligungen, inzwischen eine Marktkapitalisierung von 30 Mrd. Euro erreicht. Die Gründe für die Attraktivität dieses Bereichs sind vielschichtig: Zum einen sind die Krankheitsbilder in vielen Fällen klar beschrieben, zum anderen genießen die Neuentwicklungen Patentschutz und damit einen gewissen Marktschutz. Außerdem sind diese Medikamente meist hochpreisig und erzielen eine gute Rendite.

Könnte die Biotechnologie bei der Behandlung von Ebola eine Rolle spielen?

Bei der Bekämpfung von Ebola geht es kurzfristig in erster Linie darum, Prävention zu betreiben und Neuinfektionen zu verhindern. Im Bereich der Impfstoffe zeichnet sich momentan ein Wettlauf ab, wer als Erster ein vielversprechendes Medikament auf den Markt bringt. Darüber hinaus werden auch Arzneimittel benötigt, wenn sich jemand infiziert hat. Es gibt dafür interessante Ansätze, die auch die Gentechnik mit einbeziehen. Bei diesem Thema hat die kleine Biotech-Branche die Nase vorn und kann sicherlich wertvolle Beiträge liefern.

Die Biotech-Branche zeigt ein starkes Wachstum. Wird dieser Trend anhalten?

Die Firmen, die im Nasdaq Biotechnoloy Index gelistet sind, haben 2013 kumuliert die 100- Mrd.-US-Dollar-Umsatzgrenze überschritten. Sie werden auch weiterhin deutlich – im zweistelligen Bereich – wachsen. In diesem Jahr gibt es eine außer­gewöhnliche Entwicklung mit einem Plus von 20 %. Es beruht auf dem Erfolg der Aids-Pille des US-Unternehmens Gilead, das allein einen Umsatzsprung von
1 Mrd. US-Dollar gemacht hat.

Wie sieht es mit der Profitabilität aus?

Die Branche ist auch in diesem Punkt schon sehr weit vorangeschritten. 2002 – das Jahr mit den höchsten Investitionen – gab es noch einen hohen Verlust. 2008 erreichte Biotech die Schwelle der Profitabilität. Mittlerweile entfaltet dieser Indus­triezweig nicht nur beim Umsatz, sondern auch bei der Gewinnentwicklung eine enorme Dynamik.

Wie reif ist die Branche?

Sie steckt weder in den Kinderschuhen noch ist sie komplett ausgewachsen. Wenn wir das Bild der Entwicklung eines Menschen noch etwas weiter spinnen, dann würde ich sagen, dass sich der Sektor im frühen Teenager-Stadium befindet. Wir werden weitere Wachstumsschübe sowohl beim Umsatz als auch beim Gewinn sehen, der schon sehr nachhaltig ist. Jedes Jahr werden mehr interessante Me­dikamente auf den Markt kommen. Ein Vorteil gegenüber den Pionierzeiten ist, dass die meisten Neuentwicklungen heute nicht mehr von der pharmazeutischen Industrie finanziert werden, die damals bei erfolgreichen Produkten die Gewinne einstrich oder die Unternehmen übernahm. Heute hat Biotech eine eigene Finanzierungsbasis, die „Ernte“ fahren die Inves­toren ein. Sie ist eine kräftige Branche, die global agieren kann und eine Dynamik hat, die es in keinem anderen Segment des Gesundheitsmarkts gibt.

Es gibt aber immer noch viele Übernahmen. Welche Ursachen sehen Sie dafür?

Die pharmazeutische Industrie hat durch das Auslaufen von Patenten einer Reihe von Blockbustern Wachstumsprobleme. Diese Schwierigkeiten will sie durch die Übernahme von Biotech-Firmen kompensieren. Mittlerweile sind die Big Four der Biotech­nologie Gilead, Celgene, Biogen und Amgen aber so groß, dass sie selbst zu Konsolidierern geworden sind. Sie haben einige große Pharmafirmen in puncto Börsenkapitalisierung bereits überholt.

Übernahmefantasien sind ja immer auch Treiber für den Aktienkurs…

Wir spekulieren nicht darauf, ob sich die Dynamik verschärft oder abkippt. Wir glauben, dass weiterhin größere Unternehmen attraktive kleinere Firmen kaufen werden – und zwar immer dann, wenn es eine Diskrepanz in der Bewertung oder in der Einschätzung der Marktlage ­dieser Firmen gibt. Aber unabhängig von dieser Entwicklung werden uns sicher nicht die Anlageideen ausgehen. Die Branche verfügt über einen ausreichend großen Pool an kleinen, erfolgreichen Unternehmen, die das Going Public wagen. Auf diese Weise kommen jedes Jahr etwa zwei Dutzend Firmen an die Börsen.

Investieren Sie nur in börsennotierte Unternehmen?

Ja, das ist sinnvoll. Dadurch ­haben wir täglich einen klaren ­Indikator für den Marktwert ­unserer Beteiligungen, der sich entsprechend im Aktienkurs der BB Biotech spiegelt. Wir haben ja mittlerweile mit knapp 3 Mrd. Schweizer Franken ein relativ großes Portfolio, das wir in circa 30 Titel investiert haben, darunter sind viele große Positionen. Bei nicht börsennotierten Firmen wäre die Steuerung sehr viel schwieriger.

Das war aber nicht immer so.

Früher haben wir durchaus auch in Privatunternehmen investiert. Wir haben das aber geändert, denn das ist ein komplett anderer Ansatz. Privat finan­zierte Unternehmen können meh­rere Jahre bei der gleichen ­Bewertung liegen. Eventuell
hat ein Anleger unsere Aktie schon längst wieder verkauft, wenn eine Beteiligung plötzlich im Wert stark steigt. Mit der ­Bör­ennotierung haben wir eine Gleichstellung zwischen den Investments und dem Buchwert unserer Aktie beziehungsweise dem jeweiligen Aktienkurs.

Die meisten Beteiligungen haben ihren Sitz in den USA. Macht die Steuerung des Portfolios aus der Schweiz Sinn?

Etwa 80 % unserer Investments liegen in den USA. Wir haben ein Büro mit mehreren Experten in New York, darüber hinaus reisen wir selbst viel. Damit verfügen wir über ein fundiertes Know-how über die entscheidenden Trends. Grundsätzlich fühlen wir uns in der Schweiz sehr wohl. Hier gibt es eine etablierte Biotech-Branche mit Unternehmen, die im Umfeld der beiden Pharmariesen Novartis und Hoffmann-La Roche gedeihen. Im Übrigen stammt ein Großteil des Kapitals, das wir verwalten dürfen, von europäischen Investoren.

Wer sind die Investoren?

Das sind institutionelle Anleger, von Versicherern über Pensionskassen und Portfoliomanager bis zu Vermögensverwaltern. Sie sind an dem Thema Gesundheit interessiert, an unserem Anla­­-geerfolg sowie an unserer Ausschüttungspolitik wie unserer steuereffizienten Barmittelausschüttung, die einer Dividendenrendite von etwa 5 % entspricht.

Investieren auch Privat­personen in den BB Biotech?

Wir haben mittlerweile auch eine bedeutende Zahl von privaten Investoren, worüber wir sehr erfreut sind. Wir sind ja seit über 20 Jahren an der Börse in der Schweiz notiert, seit 1997 ebenso an der deutschen und seit 2000 auch an der italienischen Börse.

Die Risiken der Entwicklung neuer Medikamente sind hoch. Wie sieht der Auswahlprozess für Ihre Beteiligungen aus?

Wir haben ein sehr erfahrenes Team aus Experten, die seit vielen Jahren im Bereich Biotech-Anlagen tätig sind und frühzeitig attraktive Themen identi­fizieren können. Die Auswahl neuer Anlagen ist ein sehr vielschichtiger Prozess. Dabei geht es vor allem um das Verständnis für die Branche, für die Krankheitsbilder und für die Entwicklung von Medikamenten. Das sind die Schlüsselfelder, in denen wir erfolgreich sein müssen und es auch sind, wie wir schon bewiesen haben. Die großen Positionen des BB Biotech haben sich ja aus Unternehmen ent­wickelt, die vor fünf bis zehn Jahren noch recht klein waren. Diese Firmen haben erfolgreich gearbeitet, und ich freue mich, dass wir heute in vielen Bereichen sozusagen im Erntemodus sind. Auch heute investieren wir eher kleinere Beträge unseres Anlagevermögens in neue Beteiligungen.

Welches sind die zukünftigen Treiber?

Die Entwicklung in den nächsten ein, zwei Jahren wird ganz klar getrieben durch das Thema Infektionskrankheiten. Bei uns dreht es sich dabei vor allem
um Hepatitis C. Das zweite große Thema ist die Hämatologie. Wir können uns ähnliche Erfolge wie bei dem Medikament Imbruvica für Lymphom-Erkrankungen auch bei anderen hämatologischen Erkrankungen vorstellen. Darüber hinaus stehen neue Medikamente bei den seltenen Krankheiten vor der Markt­reife. Mittelfristig wird es neue Behandlungsmethoden für Nervenerkrankungen, wie zum Beispiel Multiple Sklerose oder vielleicht auch Alzheimer, geben. Langfristig ist aus unserer Sicht das Thema Antibiotika interessant, wo es durch die Zunahme von Resistenzen enorme Herausforderungen für das Gesundheitssystem geben könnte.

Das Interview führte
Elwine Happ-Frank

Dr. Daniel Koller ist Leiter des Managementteams der BB Biotech AG.

11.01.2015 | 16:55

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