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Twitter-Revolution lässt Aktionäre kalt

Für Twitter geht es aktuell ums Überleben. Daher hat der Kurznachrichtendienst jetzt eine kleine Revolution ausgerufen: Ab sofort können mehr als 140 Zeichen in einem Tweet abgesetzt werden, denn Links und Bilder zählen nicht mehr zu den Textzeichen. Dennoch stagniert die Aktie. Ein Aktionär klagt jetzt wegen des anhaltenden Misserfolgs.

Es ist eine kleine Revolution, was der Kurznachrichtendienst Twitter am Montag standesgemäß per Tweet verkündete: Ab sofort können unter Umständen auch mehr als 140 Zeichen pro Tweet abgesetzt werden. Grund ist, dass Twitter bisher bei jeder Nachricht mit einem Bild, Video oder einem zitierten Tweet eine bestimmte Anzahl an Zeichen auf die Gesamtlänge des eigenen Posts mit eingerechnet hatte. Das hat die Twitter-Nutzer bis zu 20 Zeichen gekostet. Doch damit ist jetzt Schluss. Jetzt können trotz Bild, Video oder ähnlichem die vollen 140 Zeichen im Tweet ausgenutzt werden.

Für Twitter-Chef Jack Dorsey und sein Unternehmen ist diese neue Regelung wohl ein gangbarer Kompromiss. Denn die Ankündigung, die 140-Zeichen-Beschränkung aufzuheben, hatte in den vergangenen Monaten zu massiven Protesten der Twitter-Gemeinde geführt. Schließlich ist dieser Schritt nichts anderes als die schrittweise Aufgabe von Twitters Markenkern. Wie das Nachrichtenmagazin Spiegel Online schreibt, stammt die Beschränkung auf 140 Zeichen aus der ersten Twitter-Version. Damals sei der Dienst noch auf SMS-Basis gelaufen und die Beschränkung habe technische Gründe gehabt. Nach dem Wechsel auf eine Webplattform blieb das Limit aber erhalten und wurde zum Twitter-Markenzeichen

Football-Übertragungen starten mäßig

Die neue Regelung dürfte Teil von Twitters neuer Strategie sein, seine Marktanteile in Sachen Videocontent zu verbessern. Hier hinkt der Kurznachrichtendienst aktuell weit hinter den Konkurrenten Facebook und Snapchat hinterher. Neben den Live-Streams der Conventions von Republikanern und Demokraten im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf gehört zur Strategie gehört seit der vergangenen Woche auch das weltweite Streamen von Footballspielen der NFL. Hier hat sich Twitter die Rechte für insgesamt zehn Spiele der Regular Season gesichert. „Die Leute lieben es, Football zu gucken und sie lieben es offensichtlich, darüber auf Twitter zu diskutieren. Warum also nicht die beiden Welten verbinden und einen Ort schaffen, an dem man das Spiel sehen und sich dazu austauschen kann. Diese Kombination schafft ein ganz neues Erlebnis auf Twitter und wir freuen uns, es mit den Nutzern zu teilen“, begründet Dorsey die Entscheidung.

Den Anfang machte am vergangenen Donnerstag das Spiel der NewYork Jets gegen die Buffalo Bills, dass um 02:25 Uhr europäischer Zeit angepfiffen wurde. Und der Start konnte sich für Twitter durchaus sehen lassen. Viele Nutzer lobten die erste Übertragung über den Kurznachrichtendienst und auch die Aktionäre griffen kräftig zu. Die Aktie stieg am Folgetag um knapp fünf Prozent. Doch schon Anfang dieser Woche wurde dem Aufwärtstrend wieder eine jähes Ende bereitet: Die Papieren verloren den zuvor erreichten Zuwachs fast komplett wieder und rutschten um rund vier Prozentpunkte ab.

Grund war die Veröffentlichung der Zuschauerzahlen vom Donnerstag. Demnach sahen rund 2,1 Millionen Zuschauer weltweit die Begegnung zwischen den Jets und den Bills. Allerdings beziehen sich diese Werte auf Nutzer, die nur mindestens drei Sekunden lang zusahen. Im Durchschnitt sahen dagegen nur 243.000 Personen dem Spiel zu und blieben zudem nur etwa 22 Minuten lang auf dem Stream. Für einen Sport mit einer durchschnittlichen Spieldauer von über drei Stunden erschreckend wenig. Für eine grundsätzliche Bewertung des neuen Angebots ist es aber sicherlich noch zu früh. Hier sollten zunächst die weiteren Football-Übertragungen abgewartet werden.

Streit zwischen Aktionären und Twitter

Nichtsdestotrotz ist der abermalige Kursverlust der Aktie Teil eines mittlerweile monatelangen Trends. Seit dem 52-Wochen-Hoch im vergangenen Oktober hat das Papier von Twitter über 42 Prozent an Wert verloren. Zuletzt dotierte es an Börsen mit einem Kurs von 16,50 Euro. Grund ist die Enttäuschung der Anleger über die nur langsam steigenden Nutzerzahlen von Twitter.

Ein Aktionär will sich gegen diesen anhaltenden Misserfolg nun gerichtlich wehren und verklagt den Konzern. Dabei bezieht sich der Kläger laut dem zu CBS gehörenden Netzwerk CNET auf Äußerungen aus dem November 2014, in dem sich das Unternehmen über die voraussichtlichen Wachstumsaussichten geäußert hat. Demnach hätten die Verantwortlichen in einem mittelfristigen Zeitraum etwa 550 Millionen aktive Nutzer pro Monat prognostiziert, innerhalb eines langfristigen Zeitraums sogar über eine Million. Nach ähnlichen Äußerungen im Februar 2015 sei es dann zu einem Anstieg der Aktie um 17 Prozent gekommen, heißt in der dem Netzwerk vorliegenden Klageschrift. Tatsächlich liegen die monatlichen Nutzerzahlen Twitters aktuell aber nur bei 313 Millionen monatlichen Nutzern.

Die Klage ist der vorläufige Höhepunkt im Disput zwischen den Twitter-Verantwortlichen und ihren Aktionären. Sie trauen den oben ausgeführten Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität des Kurznachrichtendienstes offenbar nur wenig Erfolgsaussichten zu. Nicht ganz so skeptisch zeigen sich hingegen die Analysten. So schreibt etwa Goldman Sachs Analyst Heath Terry in seiner Studie, dass Nutzerbasis und Inhalte des Kurznachrichtendienstes erheblichen Wert hätten, auch wenn es Twitter schwer falle, diesen zu realisieren. Dennoch sieht er die Entwicklung der Aktie nicht so kritisch wie die Anleger. Bei einem Kursziel von 21 Dollar lautet seine Einstufung „Buy“. Robin Schenkewitz

20.09.2016 | 18:09

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