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Von Rekord zu Rekord – wird Wirecard zum Übernahmeziel?

Die Aktie des Bezahldienstleisters Wirecard eilt von einem Rekord zum nächsten. In den Monaten Mai und Juni fiel der Kurs an nur drei Tagen. Jüngst folgten elf Gewinntage in Folge. An der Börse sind die Aschheimer inzwischen mehr wert als Commerzbank, Lufthansa, RWE oder ThyssenKrupp. Greifen die großen Finanzkonzerne jetzt zu?

Es steht wohl außer Frage, dass Deutschland in Sachen Digitalisierung mindestens die ein oder andere Entwicklung verschlafen hat. Im globalen Tech-Wettbewerb hinkt man den USA oder China so deutlich hinterher, dass selbst ein zukünftiges Mithalten aussichtslos erscheint. Und so fanden auch die großen Kursexplosionen der jüngsten Börsenvergangenheit außerhalb Deutschlands statt. Da ist es fast schon bezeichnend, dass nun ausgerechnet ein vergleichsweise kleines Unternehmen aus Aschheim bei München für Aufsehen und Aufregung sorgt. Wirecard, schon lange ein nicht mehr ganz so geheimer Geheimtipp, ist in den letzten Wochen nämlich endgültig mitten hinein getreten, ins helle Scheinwerferlicht der Börsenwelt.

Seit Jahren nun schon kennt der Aktienkurs der deutschen Tech-Hoffnung nur eine Richtung: die nach oben. Auf Zehnjahressicht steht ein sagenhaftes Plus von 1.600 Prozent zu Buche. Auf Fünf-Jahressicht eines von 600 Prozent. Doch vor allem in den letzten zwölf Monaten brannte die Aktie nochmal ein regelrechtes Feuerwerk ab, stieg um mehr als 160 Prozent auf 152 Euro. Das entspricht allein seit Jahresbeginn einem Gewinn von 40 Prozent. Inzwischen kommt Wirecard so auf eine Marktkapitalisierung in Höhe von fast 19 Milliarden Euro, ist damit an der Börse mehr wert als die Commerzbank und fast so viel wie die Deutsche Bank.

Wie kommt es dazu?

Wirecard gehört zur Branche der Bezahldienstleister, wickelt vor allem online für inzwischen 37.000 größere und 200.000 kleinere Kunden Zahlungsvorgänge ab und verdient so an jeder Bestellung mit. Im ersten Quartal des laufenden Jahres haben die Deutschen Zahlungen im Wert von 26,7 Milliarden Euro durchgeführt. Der Shopping-Boom im Netz spielt ihnen dabei genauso in die Karten wie Zukäufe in Nordamerika und Asien. So betreut man inzwischen auch die Bezahlvorgänge über die chinesischen Apps WeChat und Alipay, immerhin die Marktführer mit Blick auf das mobile Bezahlen im Reich der Mitte.

All das mündete in den ersten Monaten 2018 in eine Umsatzsteigerung von mehr als 50 Prozent auf 420 Millionen Euro, das Ergebnis kletterte um fast 40 Prozent von 81 auf 112 Millionen Euro. Noch besser sehen nur die eigenen Prognosen aus. 2020 will CEO Markus Braun bei einem Transaktionsvolumen von 210 Milliarden  einen Jahresumsatz von 2,8 Milliarden Euro erreichen.
„Digitalisierung steht in vielen Branchen erst ganz am Anfang und nimmt weltweit an Geschwindigkeit zu“, blickt Braun zuversichtlich in die Zukunft. Und mit der Innovationsführerschaft bei der Digitalisierung von Zahlungsprozessen nehme Wirecard eine ideale Wettbewerbsposition ein.

Dieser Meinung sind auch viele Analysten. Den extremen Kurssprüngen zum Trotz raten immer noch 33 von 36 zum Kauf der Aktie. Kepler Cheuvreux-Analyst Sebastien Sztabowicz  sogar mit einem Kursziel von 185 Euro. Er kalkuliere mit einem organischen Wachstum im mittleren 20-Prozent-Bereich bis zum Jahr 2020. Zudem sei der Börsengang des Wettbewerbers Adyen als Stütze einzuordnen, so der Experte. Der Bezahldienstleister aus den Niederlanden legte in der vergangenen Woche einen fulminanten Börsenstart hin, innerhalb von wenigen Stunden verdoppelte sich der Ausgabekurs der Aktien von 240 auf 480 Euro. Auch Warburg Research-Analyst Marius Fuhrberg gehört zu den „Fans“ des Wirecard-Papiers und hob sein Kursziel auf 170 Euro an. Er sehe die Münchner auf einem guten Weg, die Ziele bis 2020 zu erreichen, schrieb er in einer Studie. Bei der US-Investmentbank Goldman Sachs steht die Aktie auf der Conviction Buy List.

Blase oder noch mehr Rekorde?

Mit den Erfolgen von Wirecard, Adyen und Co. nimmt in der Branche nun allerdings auch der Konsolidierungsdruck zu. Zudem könnten immer mehr etablierte Dienstleister aus dem Sektor, wie beispielsweise die großen US-Banken oder Kreditkartenkonzerne über Zukäufe in dem Bereich nachdenken. Und je länger man wartet, desto teurer könnte ein solcher Deal werden. Denn das bargeldlose Bezahlen wird immer mehr zum Megatrend der Zukunft. Und Wirecard oder auch Adyen verfügen bereits jetzt über viele und lukrative Kundenbeziehungen. Adyen führt beispielsweise die Zahlungsvorgänge für Netflix, Spotify und Uber durch.

Ob die Aktie nach ihrem rasanten Anstieg über die letzten drei Monate hinweg nun noch ins Depot muss, hängt wohl von der ganz persönlichen Freude fürs Risiko ab. So sagte Kepler Cheuvreux-Analyst Sztabowicz trotz seiner deutlichen Kaufempfehlung für das Wirecard-Papier auch, dass ihm die Adyen-Bewertung an die Tech-Blase um die Jahrtausendwende erinnere. Und tatsächlich dürften sowohl Adyen als auch Wirecard hauptsächlich von dem derzeit offensichtlich recht ausgeprägten Anlegervertrauen in eine schnelle und erfolgreiche Digitalisierung profitieren. Können es die „jungen“ Zahlungsdienstleister bestätigen, könnten ihnen aber noch hohe Kursgewinne ins Haus stehen. Ihr Geschäftsmodell schließlich verspricht relativ sichere und wiederkehrende Gewinne. Oliver Götz

15.06.2018 | 16:38

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