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USA weit vorn bei digitalen Innovationen

Google, Amazon, Facebook und Apple wurden in den USA gegründet – und nicht in einer europäischen Metropole. Was macht Europa falsch?

Wer in San Francisco die Dienste von Uber nutzen will, tippt diesen Wunsch in eine entsprechende App auf dem Handy, und wenige Minuten später ist ein Fahrzeug da. Man lässt sich auf den Rücksitz fallen und zu seinem Ziel kutschieren. 2009 wurde die Online-Vermittlung für Fahrdienste gegründet, seither hat die Firma diesen Markt in Amerika komplett verändert. – Derselbe Wunsch in Mailand ist nicht so einfach erfüllt. Zwar kommt vielleicht tatsächlich ein auch Uber-Auto. Der Fahrer schaut sich aber verstohlen um und besteht darauf, dass der Fahrgast auf dem Beifahrersitz Platz nimmt. Denn eigentlich ist Uber in den meisten europäischen Ländern illegal.

In Brüssel ist es nicht anders. Ein Uber-Transfer vom dortigen zum Europäischen Parlament kostet dort nur 20 Euro, während man für die Fahrt mit dem Taxi 65 Euro bezahlen muss. Das sagt viel darüber aus, wie Europa mit dem Thema Innovationen umgeht. Ein Blick in die Statistik des Europäischen Patentamts (EPO) untermauert diesen Eindruck: Die USA führen die Hitliste der Anmeldungen mit großem Vorsprung an. Die Vereinigten Staaten haben im vergangenen Jahr 42.700 Patente eingereicht – in Europa! Auf Platz zwei folgt Deutschland mit 24.800 Patenten und dann Japan mit 21.400 Anmeldungen.

Die deutsche Innovationsfreudigkeit: es gibt sie noch

Immerhin: Deutschland bleibt mit großem Abstand Europameister im Erfinden. Getrübt wird diese attraktive Bilanz nur durch einen Rückgang der Patentanmeldungen gegenüber dem Vorjahr um drei Prozent und durch die Tatsache, dass der ehemalige Patentspitzenreiter unter den europäischen Unternehmen, nämlich Siemens, immer weiter zurückfällt: Lag der Konzern im Jahr 2014 noch Platz drei, rutschte er 2015 weiter auf Platz fünf ab. Philips (Niederlande), Samsung und LG (beide Südkorea) und Huawei (China) sind mittlerweile an den Münchnern vorbeigezogen.

Was die Patentaktivitäten der Schwellenländer in Europa betrifft, liegt China auf Platz acht mit 5.700 Patenten. Auch Indien ist mit 574 Erfindungen und Platz 22 noch relativ unbedeutend. Das heißt, dass die Emerging Countries, die auf vielen Wirtschaftsfeldern eine wichtige Rolle spielen, bei Innovationen momentan noch kein sehr ernst zu nehmender Player sind. Der wahre Wettstreit findet zwischen den USA und Europa statt. Asien bleibt mit Ausnahme von Japan – noch – in der Position des Zuschauers.

Weltbank sieht die USA vorne

Isfandyar Z. Khan, Programmdirektor der Weltbank, sieht in puncto Innovationen mehrere Unterschiede zwischen den USA und Europa. Die Amerikaner sind zum Beispiel flexibler, was die Regulierung anbelangt. Als das Thema Schwarmfinanzierung aufkam, gab es zahlreiche Bedenken hinsichtlich der Rechte der Investoren. Die SEC reagierte rasch und zweigleisig. Die US-Börsenaufsicht arbeitete gleichzeitig an der Regulierung des Markts und am Schutz der Investoren und schuf damit die Grundlage für das Wachstum dieses Segments.

Ein Hemmnis ist auch das Steuersystem. Wenn in den USA eine Venture-Capital-Gesellschaft 20.000 US-Dollar in eine amerikanische Firma investieren will, dann macht sie das einfach. Wenn sie die gleiche Summe in ein europäisches Start-up stecken möchte, dann wird der Betrag durch länderübergreifende Steuerverbindlichkeiten stark dezimiert.

Ein weiterer Punkt ist die oft beschworene „Kultur des Scheiterns“, die in den USA und in Europa nach wie vor einen unterschiedlichen Stellenwert hat. „Scheitere schnell, scheitere oft“ ist ein Mantra, das durch das Silicon Valley schallt. „Während in den USA eine Firmengründung ein bisschen so ist wie ein Speed-Dating (man springt von einer/m zur/m Nächsten, bis es passt), ist sie in Europa eher wie eine Heirat im Mittelalter – ohne Scheidungsmöglichkeit)“, meint Khan.

Forschung und Bildung – in Europa chronisch unterfinanziert

Die jahrzehntelange Unterfinanzierung von Forschung, Digitalisierung und Bildung in Europa sieht Werner Hoyer, Präsident der Europäischen Investmentbank (EIB), als Hauptursache für die „alarmierend große Innovationslücke zwischen Europa und den USA“. Vor allem in den 1990ern sind die USA den Europäern davongeeilt. Die Folgen zeigten sich besonders nach der Finanzkrise ab 2008. Nach Ansicht der EIB ist der eklatante Wettbewerbsvorsprung der Amerikaner der Hauptgrund dafür, dass sich die Wirtschaft in den USA wesentlich schneller erholt als hierzulande.

In der Zwischenzeit haben US-Firmen, die früh auf Digitalisierung setzten, einen gigantischen Siegeszug angetreten. Dazu zählen Google, Amazon, Facebook und Apple. Sicherlich hat auch Europa einige Erfolgsstorys wie Skype oder die Voice-over-IP-Technologie (dank Estonia) und – na ja – die Angry Birds. Angesichts des enormen Potentials der in Europa vorhandenen Fähigkeiten ist das nur ein Bruchteil dessen, was möglich sein sollte.

Eine Ursache für die Probleme in Europa ist sicherlich auch der unvollendete gemeinsame Markt. Die Mitgliedsländer haben unterschiedliche Vorschriften für das gleiche Produkt. Die Mobilität auf dem Arbeitsmarkt ist trotz aller Fortschritte – auch wegen der zahlreichen Sprachen – beschränkt. Die USA treten dagegen als Einheit auf und sprechen im wörtlichen Sinn eine Sprache.

Die Innovationsunion soll abhelfen

Die EU hat deshalb das Projekt Innovationsunion gestartet. Damit sollen die Rahmenbedingungen für Forschung und Innovation verbessert, die Prozesse vereinfacht und Impulse gegeben werden. Die als „Wissensdreieck“ bezeichneten Bereiche Bildung, Forschung und Innovation sollen enger zusammenarbeiten, um durch weniger Reibungsverluste größere Erfolge zu erzielen. Gleichzeitig wurde das Forschungsprogramm „Horizont“ mit einem Volumen von fast 80 Mrd. Euro aufgelegt. Der größte Brocken geht an die Förderung der Spitzenforschung, darüber hinaus werden Innovationen in der Industrie, speziell bei kleineren und mittelgroßen Unternehmen, unterstützt.

Ein Nachteil der europäischen Firmen ist nämlich, dass sie immer noch stark auf Bankfinanzierung setzen. Die Venture-Szene ist nach wie vor unterentwickelt. Der Risiko-„Appetit“ der europäischen Investoren ist viel geringer als in Übersee. Genau da will die EIB ansetzen. „Geld gibt es in der europäischen Wirtschaft genügend“, meint Hoyer. „Wir brauchen aber mehr Schwung bei neuen Investitionen und beim Eingehen von Risiken.“ Die europäische Förderbank setzt deshalb nicht nur auf direkte Finanzhilfen, sondern auch auf die Absicherung von Risiken bei unternehmerischen Investitionen. Damit will die EIB unter Einsatz von relativ geringen eigenen Mitteln einen Anstoß zu einem europaweiten Wandel in der Investitionskultur geben. „Wenn wir nicht innovativ sind, dann werden unsere Kunden zu dem Unternehmen – oder zu dem Land – gehen, das innovativ ist“, meint Hoyer.

Elwine Happ-Frank

03.05.2016 | 15:43

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