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Ein europäisches Staats-Google ist Unsinn

FDP-Chef Christian Lindner nutzt den Auftritt beim Digitalen Gipfel von Microsoft in Berlin zu einer Generalabrechnung mit der Bundesregierung. Gegen die geplante Vorratsdatenspeicherung will er zu Felde ziehen.

FDP-Chef Christian Lindner ist vom Wahlerfolg in Hamburg und den steigenden Umfragewerten für seine Partei offensichtlich beflügelt. Auf Einladung von Microsoft Deutschland war er zu einem digitalen Gipfelgespräch nach Berlin gekommen und nutzte die Bühne für eine Generalabrechnung mit der Bundesregierung: „Außenpolitisch macht Angela Merkel alles richtig. Innenpolitisch aber vieles falsch“, wetterte Lindner. Die Große Koalition verwandele Deutschland in eine sozialdemokratische Betreuungsanstalt. Vom Mindestlohn über die Rente mit 63 bis zur Mietpreisbremse und dem Betreuungsgeld reiche eine Kette von sozialdemokratisch geprägten Entscheidungen.

Lindner kündigte an, dass sich die FDP nach ihrer katastrophalen Wahlniederlage 2013 wieder gesammelt habe und im Jahr 2015 zusehends selbstbewusster wieder nach außen trete. „Wir sind noch nicht über den Berg, aber wir sind wieder auf gutem Weg.“ Lindner übte ungewöhnlich offene Selbstkritik: „Die Abstrafung durch die Wähler hatten wir uns selbst eingebrockt.“ Vor allem habe man zentrale Wahlversprechen einfach nicht gehalten, oder zumindest darum gekämpft.

Doch heute werde deutlich: Deutschland brauche neben alles bestimmenden Großkoalitionen eine kritische Stimme für die Freiheit. Lindner kündigte an, dass die Liberalen an einer programmatischen Neujustierung arbeiteten. „Wir sind keine Klientel-Partei, wir sind die offene Bürgerpartei.“ Es sei zudem „vollkommen falsch“, dass die FDP nach links gerückt sei, im Gegenteil, der Grundsatz laute: „Pro Market“.
Lindner erklärte am Beispiel des neuen Taxianbieters Uber, dass die Liberalen zwar Sympathien für mittelständische Taxifahrer habe, aber hier nicht für eine Interessengruppe, sondern für die Öffnung des Marktes eintreten. Die Liberalisierung des Fernbusmarkts habe gezeigt, wohin solche Öffnungen positiv führen können. In Deutschland würden Reform immer mit Belastungen verbunden, in Wahrheit bedeuteten liberale Reformen Entlastungen und einen Gewinn an Wohlstand, Chancen und Komfort.

Lindner ermahnt, dass Deutschland eine Reihe grundlegender „Öffnungen“ brauche. Der Bildungsbereich sei verkrustet und über-staatlicht, die Gründerkultur sei unterentwickelt, das Rentensystem sei seit anderthalb Jahrhunderten nicht mehr richtig reformiert worden. Hier müsse man dringend Flexibilisierung und öffnen.

Auch in der  Digitalpolitik empfiehlt der FDP-Vorsitzende eine Stärkung der Marktkräfte. Es sei „absurd“, wenn einige Politiker von SPD und CDU darüber nachdächten, mit staatlichen Subventionen und nach dem Airbus-Vorbild nun ein europäischen Gegen-Google zu gründen. „Dazu sind die Märkte viel zu disruptiv. Und mit Planbürokratien und Steuermitteln werden wir Silicon Valley gewiss nicht Paroli bieten können.“
Lindner sprach sich vehement gegen die geplante Vorratsdatenspeicherung aus,„die kein Fahnder seit dem Urteil vermisst“ habe. Er beklagte das dauernde Rufen nach der Vorratsdatenspeicherung bei jeder Gelegenheit. Lindner plädierte für einen strengeren Datenschutz, weil Daten das Privateigentum des Einzelnen seien - und da habe der Staat die Pflicht, dieses auch zu schützen. So erwähnte er die elektronische Gesundheitskarte und die elektronische Patientenakte, die er als zukunftsträchtig lobte und deren Chancen man nutzen müsse. Den Patienten sei aber die „Datensouveränität“ zu erhalten.
In der Gipfelgesprächsreihe „Digitales Deutschland“ hatten zuletzt Bundesminister Alexander Dobrindt und Grünen-Spitzenpolitiker Jürgen Trittin dem Verleger Wolfram Weimer Rede und Antwort gestanden. Der nächste Gast wird CDU-Generalsekretär und Digitalexperte Peter Tauber.

16.04.2015 | 11:43

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