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Mariano Rajoy - neuer Musterschüler Europas

Spaniens Wirtschaft rappelt sich wieder auf, während Italien und Frankreich ins Stolpern kommen. Ministerpräsident Rajoy ist auf dem besten Weg, Europas Wirtschaftswundermann zu werden. Nun besucht Angela Merkel ihren Musterschüler.

Sie nennen ihn "Mariano el aburrido" - Mariano, der Langweiler. Der spanische Ministerpäsident ist in etwa so charismatisch wie eine Büroklammer - ein ernster, bescheidener Jurist, Sohn eines Juristen (sein Vater war Gerichtspräsident) und Enkel eines Juristen (der Großvater war Juraprofessor). Wo andere das Pathos wählen oder das große Wort, den Glanz oder die Pose, da sucht Mariano Rajoy immer nur die sachliche Lösung. Es ist mit ihm ein wenig wie mit Angela Merkel in Deutschland, die nach der Testosteron-Phase der deutschen Politik unter den Basta-Politikern Gerhard Schröder und Joschka Fischer die moderierende Sachlichkeit als Regierungsstil einführte.

Doch Rajoy teilt mit Merkel nicht nur den nüchternen Stil. Er folgt ihr auch politisch, vor allem beim Plan, Europas Schuldenkrise mit seriösen Methoden zu überwinden. Während die regierenden Sozialisten in Italien und Frankreich Strukturreformen eher vermeiden, lieber neue Schulden und staatliche Ausgabenprogramme auflegen und sich der schwindenden Wettbewerbsfähigkeit ihrer Länder kaum stellen, ist Rajoy mit Spanien auf Sanierungskurs gegangen. Er übernahm die Regierungsgeschäfte mitten im spanischen Desaster aus Bankenkrise, Schuldenkollaps und Rezession mit Massenarbeitslosigkeit. Und er antwortete darauf mit einer rigiden Sparpolitik und einem marktwirtschaftlichen Reformprogramm. Als Reaktion auf die Einsparungen und die liberalen Arbeitsmarktreformen kam es sogar zum Generalstreik. Doch Rajoy hielt Kurs. Er teilt Angela Merkels Ansicht, dass man ernsten Problemen besser nicht ausweicht.

Rajoy und Merkel wird in Madrid nachgesagt: "Su sintonia es total", sie sind völlig auf einer Wellenlänge. Beide schätzen einander und beide bilden innerhalb der EU-Machtarchitektur inzwischen eine stabile Achse. Und so ist es kein Zufall, dass sie sich am kommenden Sonntag in Santiago de Compostela treffen. Beide wollen bei dieser Gelegenheit eine Pilger-Wanderung auf dem Jakobsweg machen - eine Demonstration christlicher Symbolpolitik, denn auch da verstehen sich die beiden Christdemokraten. Santiago ist die Geburtsstadt Rajoys, hier hat er studiert und hier will der Katholik der Pastorentochter Merkel die Kathedrale des Wallfahrtsortes und das Grab des heiligen Jakob zeigen.

Indikatoren entwickeln sich positiv

Merkel und Rajoy werden ihre neue Allianz auch dazu nutzen, sich für den EU-Gipfel Ende August abzusprechen. Für Merkel ist Spanien der anschauliche Beweis, dass ihr Sanierungsplan für Europa funktionieren kann. Denn Rajoy wird inzwischen für seine Reformpolitik belohnt: "Fakt ist, unsere Wirtschaft erholt sich und gewinnt an Kraft. Ich will ja keinen ungerechtfertigten Optimismus verbreiten, aber die Erholung wird anhalten, wir betreten Festland."

Tatsächlich hat Spanien nach fünf Jahren Rezession zu einem bemerkenswerten Aufschwung angesetzt. Die viertgrößte Volkswirtschaft der Eurozone wuchs im zweiten Quartal des Jahres um 0,6 Prozent, so viel wie seit dem Jahr 2007 nicht mehr. Und das, während in Deutschland das Wachstum ins Minus gerutscht ist und Frankreich wie Italien arg schwächeln. "Spanien könnte das nächste Deutschland werden", schwärmt Joachim Fels, Chefvolkswirt bei Morgan Stanley.

Unter Rajoy hat Spanien nicht nur den europäischen Rettungsschirm verlassen, die Zinsen für Staatsanleihen sind drastisch gefallen und das Haushaltsdefizit sinkt kontinuierlich. Der Konsum erholt sich bereits im fünften Quartal in Folge und an den Kapitalmärkten hat das Land das Vertrauen der internationalen Anleger zurückgewonnen. Die früher so kritischen Ratingagenturen spenden Spanien Applaus. Und selbst die so schwer gebeutelten Banken Spaniens wirken saniert. Banco Santander meldet im zweiten Quartal einen um 38 Prozent auf 1,45 Milliarden Euro gestiegenen Nettogewinn.
Der Langweiler und die Sachlichkeitskanzlerin

Aber auch das Kerngeschäft läuft, vor allem der Tourismus meldet Rekorde. Endlich wächst auch der Inlandstourismus wieder kräftig. Und bis Ende Juni kamen zudem 28 Millionen ausländische Gäste, das sind 7,3 Prozent mehr als im ersten Halbjahr 2013. Aber auch die Schlüsselindustrien - insbesondere die Autozulieferer - haben im ersten Halbjahr 2014 ihre Produktion um zwölf Prozent erhöht. Der Aufschwung basiert auf all dem, was Linke hassen: Kostenreduzierung, Produktivitätssteigerungen und Flexibilisierung der Arbeitsbedingungen.

Nun macht sich die Erholung auch auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar. Allein im zweiten Quartal stieg die Zahl der Beschäftigten um 400.000 Menschen. Das gab es seit dem Sommer 2008 nicht mehr. Die Zahl der Arbeitslosen in Spanien sinkt auf den niedrigsten Stand in der Amtszeit von Rajoy. Im Vergleich zum Juli 2013 ist die Arbeitslosenzahl um 5,94 Prozent oder knapp 279.000 zurückgegangen.

Der Langweiler Rajoy wird die Sachlichkeitskanzlerin Merkel also in guter Laune empfangen. Und vielleicht erinnern sie einander in Santiago an Montesquieu. Denn der schrieb schon vor 270 Jahren: "Glücklich sind die Völker, deren Geschichte sich langweilig liest."

Mariano Rajoy ist "Person der Woche" in Wolfram Weimers Kommentar für n-tv.de.

24.08.2014 | 11:04

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