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Holt Merkel Koch jetzt zurück?

Der frühere hessische Ministerpräsident Roland Koch tritt als Chef des Baukonzerns Bilfinger zurück. Eine Rückkehr in die deutsche Politik ist denkbar - und wird von manchen in der Union sogar erhofft.

"Den Wechsel von der Politik in die Wirtschaft habe ich nicht bereut", erklärte Roland Koch noch vor Jahresfrist einem Vordenker-Magazin. Der ehemalige Ministerpräsident Hessens galt als einer der wenigen Spitzenpolitiker, die unbeschädigt zurückgetreten sind und denen der Wechsel in die Wirtschaft gelungen schien. Nun wirft er beim Baukonzern Bilfinger spektakulär das Handtuch - und dürfte den einstigen Wechsel vielleicht doch bereuen.

Koch vollzieht seinen Abtritt mit einem gewaltigen Donnerschlag. In seiner selten offenen Erklärung macht er klar, "dass wesentliche Teile des Aufsichtsrats und ich bei der Beurteilung der unmittelbaren nächsten notwendigen Maßnahmen nicht ausreichend übereinstimmen". Was war passiert? Die Geschäfte liefen zusehends schlecht, der Börsenkurs sackte ab, ein Stellenabbau wurde verkündet, der Aufsichtsrat wurde nervös, Gewinnwarnungen häuften sich, ein Großauftrag in Südafrika platzte. Hinter den Kulissen gab es seit Wochen unschöne Intrigen gegen den Seiteneinsteiger, von Gewerkschaften bis zu Großaktionären gingen sie auf Distanz.

Ironischerweise stürzt Koch aber letztlich über die Folgen der überhasteten und unausgegorenen Energiewende in Deutschland. Denn Bilfingers Kraftwerksgeschäft ist seither in Schieflage geraten, was hektische Sanierungspläne nicht mehr begradigen konnten. Der Ex-Politiker ist Opfer ausgerechnet einer politischen Entscheidung geworden, die er selbst in dieser radikalen Form nie getroffen hätte.

Anders als andere Konzernchefs kämpfte Koch nicht lange um seinen Job und vermied so, dass Bilfinger in einen offenen Machtkampf zwischen Vorstand und Aufsichtsrat stürzte. Nach zwei Gewinnwarnungen innerhalb kurzer Zeit wolle er "die Möglichkeit zu neuer Vertrauensbildung" erleichtern und einen Dissens über die kurzfristige Unternehmensentwicklung vermeiden, hieß es. Der frühere Vorstandsvorsitzende Herbert Bodner soll vorübergehend vom Aufsichtsrat zurück an die Vorstandsspitze wechseln. Koch erklärte, dass wegen der beiden Gewinnwarnungen das Vertrauen in der Konzernspitze erschüttert sei. Die Sorge vor einem neuerlichen Kurseinbruch der Aktie war enorm. Koch ließ am Ende im Gestus eines Arztes verlauten, er hoffe, mit seinem Angebot eine schnelle Normalisierung herbeiführen zu können, und außerdem sei er von der erfolgreichen Zukunft des Unternehmens überzeugt.

Für Koch endet damit sein Abenteuer als Quereinsteiger in die Wirtschaft denkbar unglücklich. Doch während Gewerkschafter, Aktionäre und Kommentatoren noch über sein Fehlmanagement herfallen, wird bald eine andere Frage im Raum stehen: Kehrt Koch in die Politik zurück? In Unionskreisen wurde diese Frage bereits am Abend seines Rücktritts hitzig erörtert. Während der linke Parteiflügel den Gedanken in etwa so attraktiv findet wie Hitzepusteln im Hochsommer, so keimen bei den Konservativen frische Hoffnungen. Danach sei ein Comeback durchaus denkbar, nach einer Schamfrist könnte seine politische Karriere wieder neu beginnen.

Insgesamt steht Koch in der CDU nach wie vor in großem Ansehen. Er verkörpert zum einen das konservative Element der Union, das seit einiger Zeit keine richtige Heimat in der CDU mehr zu haben scheint. Mit der sozialdemokratisierten Merkel-Leyen-Laschet-Kramp-Karrenbauer-CDU fremdeln klassische Milieus der Partei. Das wertkonservative Traditionslager sehnt sich daher nach einer Identifikationsfigur - und die könnte Roland Koch demnächst wieder sein.

Zum anderen klafft in der Union eine große Lücke im Wirtschaftsflügel. Die Phantomschmerzen nach Wirtschaftsexperten von Format - wie etwa Friedrich Merz - sind in der Partei Ludwig Erhards groß. Auch diese Rolle könnte Roland Koch besetzen, wenngleich der Misserfolg bei Bilfinger natürlich an seinem Nimbus kratzt und die Autorität ein Stück weit untergräbt. Sein Ansehen als Ordnungspolitiker ist freilich ungebrochen. Und wer könnte die planwirtschaftliche Fehlentwicklung der Energiewende glaubwürdiger anprangern als gerade Roland Koch?

Zum dritten ist Roland Koch ein starker politischer Stratege und Kommunikator. Selbst seine politischen Gegner haben ihn als Schwergewicht des politischen Betriebes entweder respektiert oder gefürchtet. Für die CDU könnte sich daher aus dem Bilfinger-Problem eine politische Chance ergeben. Es wird an Angela Merkel liegen, ob diese ergriffen wird. Für sie hätte es Vorteile, wenn Koch in die Politik zurückkehrte. Sie würde ihren zusehends murrenden Traditions-Parteiflügel endlich beruhigen können und zugleich das Terrain der Wirtschaftspolitik nicht dem immer selbstbewusster auftrumpfenden Sigmar Gabriel überlassen. Außerdem könnte Roland Koch die auf der konservativen Seite zur AfD fliehenden Wähler wieder an die Union binden.

Im Gegensatz zu Friedrich Merz hat Angela Merkel zu Roland Koch ein relativ entspanntes Verhältnis. Sie war zwar nicht traurig, als der latente Dauerkonkurrent in die Wirtschaft wechselte. Doch sie respektierte auch seine politische Kraft. Dem Comeback stünde also wenig entgegen. Für Koch könnte daher der Moment einer bitteren Niederlage zugleich der Beginn einer neuen Etappe seines politischen Lebens werden. "Politik ist nicht mein Leben", hatte er vor vier Jahren bei seinem Abschied aus dem Ministerpräsidentenamt verkündet. Er wolle ein zweites beginnen. Nun könnte ausgerechnet die Politik sein drittes Leben werden.

Roland Koch ist "Person der Woche" in Wolfram Weimers Kommentar für n-tv.de

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08.08.2014 | 16:27

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