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Hoffen und Bangen in China

Hektische Betriebsamkeit bei den Führungskadern in Peking versucht. Nach der immer theoretisch immer noch herrschenden kommunistischen Doktrin muss es möglich sein, die zeitweise im freien Fall befindlichen Aktienmärkte mit dirigistischen Maßnahmen in den Griff zu bekommen – nur leider klappt das nicht. Die Realität hält sich einfach nicht an die Ideologie, das Vertrauen der Märkte in die Pekinger Führung scheint auf den Nullpunkt gesunken zu sein.

„Gegen China ist Griechenland ein Kindergeburtstag“, sagt der bekannte Aktienanalyst Robert Halver. Er sieht es wie fast alle anderen Analysten: durch dirigistisches Eingreifen hat die chinesische Polit-Führung die Aktienmärkte und auch die Aktienkultur im Reich der Mitte stark geschädigt. Den Schaden haben ausländische Investoren, vor allem aber chinesische Anleger. Der „Volkssport Aktie“ kommt die Menschen hinter der Großen Mauer, die Taxifahrer und Ladenbesitzer, nun teuer zu stehen. Die Parallele zur deutschen Dotcom-Blase des Jahres 2000 ist fast schon unmöglich, denn die Vernichtung von Buchwerten ist hier um ein Vielfaches größer. Bis zu sechs Billionen US-Dollar sind in den letzten Wochen aus dem chinesischen Markt abgeflossen.

Der Börsentsunami aus China sendet Schockwellen rund um den Globus. Das betrifft natürlich die exportorientierte deutsche Wirtschaft. Nicht nur die DAX-Unternehmen, sondern auch die Mittelständler, von denen viele nach China liefern und auf ihrem Gebiet sogar Weltmarktführer sind, haben allen Grund zur Sorge. Brechen die Aktienmärkte in China weiter ein, sinkt dort der Konsum auf hohem Niveau. Wenn aber weniger hochwertige Waren gekauft werden, drückt sich das sofort, unmittelbar in den Bilanzen hierzulande aus. Weleche Aktiengesellschaften hierzulande sind besonders betroffen?

Die Deutsche Bank – mal wieder, und auch hier! – muss Federn lassen. Ihre Aktien rutschten am Montag um 3,7 Prozent ins Minus. Der Grund ist vor allem in einer Beteiligung an der chinesischen Hua Xia Bank zu suchen, deren Anteile im Zuge in den letzten Wochen rund zehn Prozent verloren haben. Auch Volkswagen dürfte in den nächsten Wochen noch hart getroffen werden. Die VW-Familie, hier vor allem auch Audi, macht derzeit ein Drittel ihres Umsatzes in Fernost. So ist es kein Wunder, dass die VW-Anteil mit dem Kurssturz des Shanghai Composite ebenfalls deutlich ins Minus drehten: 1,9 Prozent ging‘ bergab. Auch der Premiumhersteller Daimler nahm am Montag eine chinesische Dusche und büßte 2,6 Prozent ein. BASF und Bayer, beide ebenfalls stark in Fernost engagiert, leiden ebenso wie Airbus. Der große europäische Flugzeugbauer ist auf dem chinesischen Markt sehr erfolgreich. Und ebendieser Markt könnte bis 2030 die USA als größten Markt für zivile Flugzeuge abzulösen. Airbus geht davon aus, dass der chinesische Markt in den kommenden 20 Jahren ein Marktvolumen von über 500 Milliarden Dollar bietet – wenn nichts dazwischenkommt. Ein großer Crash kommt hier ungelegen. Und je kleiner das Unternehmen ist, das in China Marktinteressen hat, desto größer sind die prozentualen Risiken. Die chinesischen Sorgenfalten auf deutschen Mittelständlerstirnen – die dürften sich in den nächsten Wochen nicht verringern, sondern eher noch vertiefen. Lesen Sie auf der nächsten Seite "Chinesische Börse nichts für schwache Nerven"

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In diesen Tagen ist die chinesische Börse nichts für Nervenschwache. Der Leitindex rauschte zu Beginn der Woche in die Tiefe, der Shanghaier Composite Index sank um 8,5 Prozent - ein Tagesverlust, wie es ihn seit acht Jahren nicht mehr gegeben hatte. Doch damit nicht genug: Beim heutigen Handelsbeginn fielen die wichtigsten Indizes um weitere vier Prozent.

Zu Handelsschluss entspannte sich die Lage zwar wieder ein bisschen, der Verlust des Composite Index reduzierte sich auf 1,7 Prozent. Aber wie es weitergeht, ist ungewiss.

Sorgen um zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt

Die Behörden setzen inzwischen alles daran, die Aktienmärkte zu stabilisieren. Denn die Talfahrt an den Börsen weckt neue Sorgen um den Zustand der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt. "Wenn es der Regierung nicht gelingt, das Vertrauen in die Märkte wieder herzustellen, wird China sein Wachstumsziel von sieben Prozent bis Ende des Jahres kaum erreichen", heißt es in einer Analyse der australischen ANZ Bank.
Derartige Folgen will die Führung in China verhindern. Die Zentralbank des Landes stellte am Dienstag bereits neue Hilfen in Aussicht. Verschiedene Instrumente sollen genutzt werden, um in der zweiten Hälfte des Jahres für genügend Liquidität an den Märkten zu sorgen, wie es in einer Mitteilung der Notenbank heißt.
Deutsche Industrie zeigt sich besorgt

Die chinesische Regierung dementierte zudem Berichte, wonach sie es aufgegeben habe, die Situation an den Märkten zu verbessern. Die Behörden werden "die Bemühungen zur Stabilisierung der Märkte fortsetzen", sagte ein Sprecher der chinesischen Börsenaufsicht CSRC.

Statt die Märkte zu stützen, sei es besser, wenn die Regierung "stärker auf Finanz- und Wirtschaftsreformen setzen würden", mahnte Michael Kerley, Fondsmanager bei Henderson Global Investors.
Auch Vertreter der deutschen Industrie zeigten sich besorgt. "Die Börsenturbulenzen in China zeigen, dass die Zeit weitgehend risikofreier Wachstumsmärkte vorbei ist und auch massive staatliche Eingriffe in das Marktgeschehen von zweifelhaftem Nutzen sind", sagte Stefan Mair vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI).

Erst großer Aufstieg, dann tiefer Fall

Zuletzt hatten Chinas Aktienmärkte eine extreme Berg- und Talfahrt hingelegt: Getrieben von Privatanlegern, die in großem Stil Aktien auf Kredit kauften, war der Leitindex in Shanghai binnen eines Jahres um über 150 Prozent gestiegen. Mitte Juni begann dann ein rasanter Kurseinbruch.

Innerhalb von nur 18 Handelstagen verlor der Index 32 Prozent an Wert. Mit radikalen Eingriffen gelang es der Regierung, zunächst die Kurse zu stabilisieren: Die Zentralbank senkte die Zinsen auf ein Rekordtief, zudem setzten Behörden neue Börsengänge aus.

Die chinesische Börsenaufsicht CSRC initiierte mit Geld der Zentralbank ein riesiges Kaufprogramm für Aktien. An der Börse notierte Unternehmen erhielten zudem die Genehmigung, sich selbst vom Handel auszusetzen. Bis zu 50 Prozent der an den Börsen des Landes gehandelten Aktien waren zwischenzeitlich eingefroren.

29.07.2015 | 15:47

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