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Dieser Mann kauft die Deutsche Bank

Wer ist der Milliardär Chen Feng wirklich? Was will er in Deutschland? Und was wird aus unserer größten Bank? Ist HNA, der große chinesische Investor, ein verkappter Staatsfonds?

Er ist ein Asket. Er trinkt nicht, raucht nicht, geht nicht auf Partys. Selbst Bankette meidet er. Er stilisiert sich als bescheidener Chinese und scheint nach dem Sinnspruch von Konfuzius zu leben: „Drei primitive Dinge genügen mir zum Leben: etwas Wasser zum Trinken, etwas Brot zum Essen und ein angewinkelter Arm zum Schlafen.“

Darum trägt der bekennende Buddhist Chen Feng gern schlicht-traditionelle Kleidung. Nichts weist darauf hin, dass der Mann mit der demonstrativen Bescheidenheit, dem sanften Lächeln und den weichen Gesichtszügen einer der erfolgreichsten Großkapitalisten Chinas ist. Als Gründer und Chef der HNA Group zählt er zu den Top Ten unter den Wirtschaftsführern Chinas. In Deutschland ist sein Mischkonzern, zu dem weltweit Flug­linien, Hotels und Logistikunternehmen gehören, bisher kaum bekannt. In China allerdings kennt die Gruppe jeder, der ab und an ins Flugzeug steigt. Hainan Airlines heißt die größte private Fluggesellschaft im Land der über 100 Eine-Million-Einwohner-Städte. In diesen betreibt HNA zudem rund 450 Hotels.

Kein chinesischer Konzern kauft derzeit stärker im Ausland ein als HNA. 5,5 Milliarden US-Dollar hat das Unternehmen in diesem Jahr bereits in Übernahmen und Beteiligungen außerhalb Chinas gesteckt. Das macht 13 Prozent des Werts der Auslandsinvestitionen sämtlicher chinesischer Unternehmen aus. Weil der Wert der Währung Yuan aber im vergangenen Jahr bedrohlich schnell gesunken ist und immer mehr Investoren ihr Kapital aus China abgezogen haben, genehmigen Pekings Devisenwächter längst nicht mehr jede Akquisition im Ausland, für die ein chinesisches Unternehmen seine Yuan eintauschen muss. Zuletzt gestand Wanda-Gründer Wang Jianlin öffentlich ein, dass Peking ihm die eine Milliarde US-Dollar schwere Übernahme der amerikanischen Fernsehproduktionsfirma Dick Clark in letzter Sekunde verboten hatte.

Diener des chinesischen Staates

Für HNA sind die Kapitalkontrollen offenbar kein Problem. Chen Feng verfügt über beste politische Beziehungen in Peking bis hinein in die Spitze der Partei. Gerüchten zufolge funktioniert HNA sogar wie eine Art getarnter Staatsfonds Chinas, der die gewaltigen Devisenreserven des Landes strategisch investieren soll. Chens öffentliche Auftritte im bescheidenen parteiloyalen Outfit werden auch als Signale gelesen, dass er sich persönlich in Chinas Tradition und Dienste stellt. Einer der wichtigsten Anteilseigner soll der Sohn eines ehemaligen Mitglieds des Ständigen Ausschusses sein, eines der wichtigsten Organe der chinesischen Regierung. Chen Feng ist zudem seit über zehn Jahren Delegierter des Parteitags der Kommunistischen Partei, der alle fünf Jahre stattfindet und die Führungsspitze des Landes wählt. Die enge Verbindung zur Politik ermögliche es dem Unternehmen, an Kredite von chinesischen Staatsbanken zu kommen, mit denen es das Wachstumstempo aufrechterhält.

Im vergangenen Jahr schien der Konzern jedenfalls jenseits aller Kapitalverkehrskontrollen zu erwerben, was eben zu haben war: 6,5 Milliarden US-Dollar zahlte HNA für ein Viertel der Anteile am amerikanischen Hotelbetreiber Hilton. In Europa hatten die Chinesen bereits die Ketten Carlson (Radisson, Park Plaza) und NH gekauft. Zuletzt hat Chen etwa für 6 Milliarden US-Dollar den US-Elektro­großhändler Ingram Micro übernommen und den Schweizer Airline-Caterer Gategroup Holdings für 1,5 Milliarden US-Dollar gekauft. In ein paar Jahren solle sein Unternehmen zu den 50 größten der Welt zählen, hat Chen Feng einmal gesagt.

Diesem Ziel kommt er nun einen gewaltigen Schritt näher. Die HNA-Gruppe hat 9,9 Prozent an der Deutschen Bank gekauft. Das macht das Unternehmen aus China zum größten Einzelaktionär. Und zu ihrem schillerndsten. Es dürfte kaum die Aussicht auf ruhige Geschäfte oder hohe Renditen sein, die HNA mitten hinein ins Machtzentrum der deutschen Finanzwirtschaft gelockt haben. Die Deutsche Bank ist angeschlagen von Skandalen und von Strukturproblemen gebeutelt, Geld kann Konzernchef Chen Feng anderswo schneller verdienen. Chen sucht in Frankfurt etwas anderes: Er kauft sich eine eigene Geldquelle. Für die expansions- und kauffreudige HNA ist eine eigene Bank in Deutschland wie eine Gelddruckmaschine im Keller. Nun kann man leichter weitere Akquisitionen finanzieren. Denn Chen will zum Weltkonzern aufsteigen.

Der Weg dorthin, ist sich der Konzernchef sicher, führt nur über Zukäufe. So hat HNA 125 Kilometer westlich von den Türmen der Deutschen Bank in Frankfurt gerade vom Land Rheinland-Pfalz den Flughafen Hahn übernommen. Vor einem Jahr hatte schon einmal eine obskure Käufergruppe aus Shanghai den Zuschlag für den früheren amerikanischen Fliegerhorst erhalten. Doch die vereinbarten Zahlungen blieben aus. Das desaströs vorbereitete Geschäft platzte und brachte Ministerpräsidentin ­Malu Dreyer (SPD) gar ein Misstrauensvotum ein.

Den Flugbetrieb will HNA in Hahn fortführen. Die Lage mitten in Europa sei eine Chance, sagte der Unternehmenssprecher – vor allem, um mit dem wichtigen Handelspartner Deutschland auf dem Luftweg Waren und Menschen auszutauschen. HNA plane pro Woche je drei Passagier- und Frachtflüge von und nach China. Das ist kein schlechtes Geschäft für einen Kaufpreis von 15 Millionen Euro, dem mögliche staatliche Betriebsbeihilfen und Zuschüsse von geschätzt bis zu 70 Millionen Euro gegenüberstehen.

Angefangen hat alles mit einer Airline

In Mainz ist man erst einmal froh, den Problemflughafen untergebracht zu haben. Doch ist HNA wirklich so seriös, wie man das nach dem Zukauf der Deutschen-Bank-Anteile glaubt? HNA ist in den vergangenen Jahren ­rasend schnell gewachsen, hoch verschuldet und nahezu intransparent. Angefangen hat Chen 1993 mit der neu gegründeten Hainan Airlines, mit nur einem Flugzeug. Heute zählen weltweit fast 20 weitere Fluggesellschaften zu seinem Reich, darunter Hong Kong Airlines, Tianjin Airlines und Lucky Air. HNA gehört sicher zu den führenden Adressen in der chinesischen Logistik- und Reisebranche.

Doch wenn es um sein Unternehmen geht, ist es bei Chen denn auch mit der Zurückhaltung vorbei. „Wir haben ein Wunder erschaffen“, tönte der 63-Jährige im vergangenen Jahr bei einem Vortrag in Amerika. Alle 20 Sekunden starte weltweit ein HNA-Flieger. „Und wir werden noch 1 000 weitere Flugzeuge kaufen“, sagte Chen. Schon seit 2015 zählt HNA laut US-Magazin „Fortune“ zu den 500 größten Unternehmen der Welt. Geht es nach Chen, soll sein Konzern in zehn Jahren unter den Top Ten der Welt sein. Dabei ist keineswegs sicher, wie stabil sein Unternehmen wirklich ist. Zuletzt sind selbst in chinesischen Staatsmedien Zweifel an der Strategie der Gruppe aufgekommen. In den vergangenen Wochen erschienen mehrere Artikel, in denen sie öffentlich die Frage aufwarfen, wie das kleine Unternehmen innerhalb weniger Jahre so groß werden und so viele Zukäufe finanzieren konnte. Das chinesische Wirtschaftsmagazin „21st Century Business Herald“ berichtete Ende April, dass HNA umgerechnet 81 Milliarden Euro Schulden aufgenommen haben soll, um die Zukäufe zu finanzieren. Inzwischen sind alle Artikel, die darüber berichteten, wieder gelöscht.

Tatsächlich ist HNA ein großes Geheimnis geblieben. Kaum ein Außenstehender durchschaut, was im Hauptsitz des Konzerns auf der südchinesischen Urlaubsinsel Hainan wirklich vor sich geht. Der unternehmens­eigene Wolkenkratzer mit 31 Stockwerken ist einem Garuda nachempfunden, einem geflügelten Fabelwesen aus der asiatischen Mythologie, das auch das Vorbild für das rote Logo von Hainan Airlines ist. Interview-Anfragen beantwortet das Unternehmen nicht, Auftritte der Führungsriege sind selten. „An der Spitze steht eine Stiftung namens Hainan Cihang Foundation“, weiß Klaus Meyer, Professor an der China ­Europe International Business School in Shanghai. Diese sei 2013 gegründet worden und halte rund 20 Prozent der Anteile. „Wer diese kontrolliert, lässt sich nicht herausfinden“, sagt er. Die Eigentümerstrukturen seien viel zu verschachtelt, um die wirklichen Machtverhältnisse verstehen zu können.

Die Deutsche Bank lässt sich also mit einem unberechenbaren Partner ein. Seit der Allianz, die in den 90er-Jahren fünf Prozent hielt, gab es in der Deutschen Bank keinen dominanteren Anteilseigner mehr. Nun sind es gleich zwei Gruppen – neben der chinesischen HNA auch Katar –, die mit schillerndem Hintergrund die Geschicke der größten Bank Deutschlands beeinflussen. Viele in Frankfurt und Berlin sehen das mit einiger Sorge. An der Spitze der Deutschen Bank hingegen nimmt man die Geldspritze aus China dankbar an. Die Not nach den quälend langen Skandal-Quartalen scheint groß zu sein. Schließlich hatte die Deutsche Bank ihre Aktionäre lange enttäuscht. Seit ein Ende der juristischen Altlasten absehbar ist, hat sich der Aktienkurs immerhin etwas erholt.

Vielleicht spekulieren die Chinesen auch nur auf kräftige Kurssteigerungen eines wankenden deutschen Riesen: „HNA sieht die Deutsche Bank als sehr attraktives Investment und möchte das Management als Ankeraktionär dabei unterstützen, dass sich die nach wie vor hervorragende DNA und die starke Marke der Bank auch wieder in Gewinn und Aktienkurs widerspiegeln“, sagte ein Sprecher.

14.07.2017 | 01:53

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