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Kein Ludwig Erhard, nirgends!

Die FDP ist verschwunden, der Wirtschaftsflügel der Union hat still zu sein. SPD, Grüne und Linke haben gar keine Marktwirtschaftler mehr. Wer vertritt eigentlich noch das Erbe von Ludwig Erhard?

Marktwirtschaftler haben es in Deutschland derzeit so schwer wie Frauenbeauftragte in Saudi-Arabien. Sie werden verschmäht, ignoriert, in die Wüste geschickt. In Baden-Baden und Bad Homburg sollen auf Alumni-Treffen der FDP noch welche gehört worden sein. Aber sonst herrscht in der Republik ordnungspolitisch das größte Schweigen seit 1945. Marktwirtschaftler haben einfach keine Stimme mehr.

Dabei gab es große Wirtschaftsexperten in allen Parteien. Die SPD hatte Strategen wie Karl Schiller, Unternehmer vom Schlage Philip Rosenthals oder den nun verstorbenen Bundesbanker Karl Otto Pöhl. Bei den Grünen hielten Oswald Metzger und Christine Scheel tapfer die Fahne der wirtschaftlichen Vernunft hoch.

Die FDP hatte Ordnungspolitiker gleich im Dutzend, wenngleich nur wenige vom Schlage Otto Graf Lambsdorffs. Und die Union war über Jahrzehnte hinweg stolz auf ihr marktwirtschaftlichen Kompetenzträger von Ludwig Erhard bis Friedrich Merz. Sie verankerten die Parteien im wirtschaftenden Bürgertum und damit im dynamischen Teil der Republik. Sie verschafften der Politik eine stabile Rückkopplung zur wahren wirtschaftlichen Lage der Nation.

Doch seit einiger Zeit sind alle Ordnungspolitiker verschwunden, weg wie Bienen im Winter. Die politische Klasse hat sich vollumfänglich ins kuschelige Mäntelchen der Verteilungspolitik gewandet. Sie übertrifft sich mit Sozialprogrammen und Rentengaben, mit Energieplänen und Mietpreis-Bremsen. Heutige Politiker spazieren allzu gerne wie Sugar-Daddys mit prallen Spendierhosen durchs Land und werfen Bonbons der Sozialwohltaten um sich.

Im Bundestag werden ordnungspolitische Fragen nunmehr unter der Frage diskutiert, wer am meisten auszugeben bereit ist. Und den Staat immer noch ein wenig größer und reglementierender zu machen. Wenn aber Berlin nur mehr damit befasst ist, wie man Geld ausgeben kann oder Energiekonzerne zerschlägt und neue Freiheitsschranken von Frauenquoten bis Mindestlöhnen erschafft, wer schaut dann noch danach, wie das Land das Geld eigentlich verdient, das da munter verteilt wird?

Prinzip der Freiheit ohne Fürsprecher

Wer fragt noch danach, wie die labile Wettbewerbslage Europas wirklich verbessert werden kann? Wie man die globale Konkurrenz künftig besteht? Wie man das Land entfesselt, um die digitale Revolution vollends zu verlieren? Ob Staatsquoten von 50 Prozent nicht eigentlich zu viel sind?

Es ist ein Wettlauf der Etatisten im Gange, dass sich Ludwig Erhard im Grabe herum drehen würden. Es gibt im Parlament kaum mehr eine Stimme, die für Privatisierungen eintritt, für den Mittelstand und Unternehmer, für eine Entbürokratisierung des Riesenstaats.

Der geistige Erfinder der „Sozialen Marktwirtschaft“ Alfred Müller-Armack sah den Sinn dieser Ordnung darin, „das Prinzip der Freiheit des Marktes mit dem des sozialen Ausgleichs zu verbinden“.  Derzeit gerät diese Verbindung aus der Balance, weil das Prinzip der Freiheit keine Fürsprecher mehr hat, die Sozialstaats-Supernannys dagegen ganze Parlamente füllen.

Vor allem die CDU spürt – wie man am Parteitag hat sehen können – die Phantomschmerzen am Wirtschaftsflügel. Es fehlt ihr ein Stück ihrer selbst. Der Vorsitzende des Wirtschaftsrates, Kurt Lauk, kann die Lücke nicht füllen, weil ihm das politische Gewicht fehlt. Die Union und ihr Wirtschaftsrat brauchen dringend einen überzeugenden Kopf, will man die Bedürfnisse der Wirtschaft auch nur ansatzweise wieder in politischen Handeln umsetzen. Doch wen? Die einen – wie Michael Fuchs, Marke Haudegen – sind zu alt. Die anderen – wie Jens Spahn (Jahrgang 1980) und Carsten Linnemann (Jahrgang 1977) – sind zu jung. Der Wirtschaftsrat sollte vielleicht bei Friedrich Merz einmal anklopfen. Denn das Erbe von Ludwig Erhard ist herrenlos.

Dieser Kommentar ist Teil der Kolumne "What's right?", die Wolfram Weimer wöchentlich für das Handelsblatt schreibt.

14.12.2014 | 10:18

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