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Geschenk aus China! Auto-Aktien vor Ausbruch?

2018 könnte zum Jahr der deutschen Autoaktien werden. Gebeutelt von Abgasskandal, Diesel-Diskussion und globalem Handelsstreit stehen die Kurse von Daimler, BMW und Volkswagen niedrig. Umsätze und Gewinne dagegen sprudeln. Für das erste Quartal stehen bereits wieder Auslieferungsrekorde zu Buche. Und dank eines überraschenden Geschenks aus China könnten das noch lange nicht das Ende der Rennbahn für Autoaktien sein.

Von Oliver Götz

Der chinesische Staatschef Xi Jinping hatte im Zuge seiner Wiederwahl eine liberalere Wirtschaftspolitik angekündigt, nun scheint er mit einer Komplettöffnung des Automarktes ernst zu machen. Mussten ausländische Hersteller bislang grundsätzlich mit einheimischen Partnern zusammenarbeiten, an denen sie wiederum nicht mehr als 50 Prozent der Anteile halten durften, sollen sie ab diesem Jahr für E-Autos, ab 2020 für Nutzfahrzeuge und ab 2022 auch für PKW keine solchen Hemmnisse mehr vorfinden. Zudem plant man die Senkung der Einfuhrzölle. Diese Ankündigung kommt in ihrer recht klar formulierten Art und Weise überraschend und früher als gedacht. Gut möglich, dass sie auch als Fingerzeig in Richtung Donald Trump dienen soll. Im Sinne von: Wir sind bereit Handelsschranken aufzuheben. Wenn ihr nicht wollt, machen wir unsere Geschäfte eben mit anderen.

Zum Beispiel mit BMW, Volkswagen oder Daimler. Die zeigen sich freilich hochzufrieden mit Jinpings Entscheidung, an den bereits bestehenden Partnerschaften mit chinesischen Unternehmen wollen sie wohl aber erst einmal festhalten. In Zukunft könnte es dann aber durchaus zu mehr Alleingängen kommen.  „Wir werden genau analysieren, ob sich dadurch auch neue Optionen für den Volkswagen Konzern und seine Marken ergeben.“, kam es aus Wolfsburg. „China ist für die deutschen Hersteller und Zulieferer nicht nur Exportmarkt, sondern vor allem auch ein wichtiger Produktionsstandort. Verbesserungen bei den Investitionsbedingungen stärken unsere Zusammenarbeit“, freute sich der Präsident des Branchenverbands VDA, Bernhard Mattes.

Das Geschenk aus China kommt für die deutschen Automobilkonzerne zur rechten Zeit, ist das Reich der Mitte doch ihr mit Abstand wichtigster Absatzmarkt. Volkswagen verkauft die Hälfte seiner Autos in China, auch Daimler, BMW oder VW-Tochter Audi verdanken einen großen Teil ihrer Umsätze Käufern aus dem einwohnerreichsten Land der Welt. Mit den starken Wachstumsraten, die sie dort erzielen, können sie die zuletzt schwächeren Verkaufszahlen in Europa mehr als ausgleichen.

Blickt man auf den europäischen Markt ist das von entscheidender Bedeutung. Der nämlich präsentierte sich mit Blick auf die wichtigsten Absatzländer im Monat März so schwach wie zuletzt vor fünf Jahren. Mit 1,8 Millionen verkauften Fahrzeugen lag man 5,3 Prozent unter dem Vorjahreswert. In Deutschland fanden im Vergleich zum Vorjahr 3,4 Prozent weniger Autos einen Käufer, in Italien 5,8 Prozent und in Großbritannien – der Brexit lässt grüßen – sogar 12,4 Prozent.

International läuft es besser. Vor allem die börsennotierten, deutschen Hersteller sind hervorragend ins neue Jahr gestartet. So konnte Volkswagen jüngst mit 2,6 Millionen verkauften Fahrzeugen einen neuen Auslieferungsrekord für das erste Quartal verkünden. Verglichen mit 2017 entspricht das einem Plus von 7,4 Prozent. Wachstumstreiber war – wen wundert’s – China mit einem Zuwachs von 13,4 Prozent auf zirka eine Million Autos. Der Monat März war für Volkswagen mit 1,04 Millionen verkauften Fahrzeugen zudem der beste Einzelmonat der Konzerngeschichte.

Auch Daimler und BMW konnten kräftig zulegen. Die Stuttgarter setzten konzernweit über 625.000 Fahrzeuge und damit 5,1 Prozent mehr ab, als im ersten Quartal 2017. Auch mit Blick auf die Kernmarke Mercedes-Benz lief es blendend. Ein Plus von sechs Prozent und 594.000 verkaufte Einheiten bedeuten eine mehr als deutliche Verteidigung der Absatzkrone im Premium Segment. BMW konnte zwar ebenfalls zulegen, nämlich um 2,8 Prozent auf 517.000 Autos, liegt aber inzwischen weit hinter der Stuttgarter Konkurrenz zurück. Auch konzernweit kam man mit 604.000 abgesetzten Fahrzeugen nicht an Daimler heran.

Nun bleibt zunächst abzuwarten welche Sprache die Umsatz- und Gewinnzahlen sprechen. Doch wer mit Rekordabsätzen ins Jahr startet, muss sich vor diesen wohl kaum fürchten. Das Zünglein an der Waage dürfte derweil weiter das E-Auto bleiben. Mit dem verbesserten Marktzugang in China eröffnen sich VW, Daimler und BMW diesbezüglich große Chancen. Im ersten Quartal 2018 wurden in China 142.000 Fahrzeuge mit Elektroantrieb gekauft, 154 Prozent mehr als 2017. Der Marktanteil an allen Neuzulassungen stieg von 0,8 auf zwei Prozent. Auch in Deutschland oder den USA nimmt der Stromer-Anteil stetig zu. In der Bundesrepublik hat er im ersten Quartal des laufenden Jahres ebenfalls die Zwei-Prozent-Hürde genommen. Der Diesel-Marktanteil ging gleichzeitig um 25 auf 31,3 Prozent zurück. Das Problem: Noch hinken die deutschen Produzenten der E-Auto-Konkurrenz hinterher. Aufgewacht scheint man inzwischen aber zu sein, sowohl BMW, Daimler als auch Volkswagen planen Milliardeninvestitionen in die Mobilität der Zukunft.

An der Börse sorgt man sich bislang immer noch um genau diese, weshalb die Bewertungen der drei deutschen Großkonzerne extrem tief stehen. Ihre KGVs gehören zu den niedrigsten im Dax, von ihren Rekordhochs aus dem Jahr 2015 sind die Aktien trotz der starken Erholung zum Ende des letzten Jahres meilenweit entfernt. Man braucht kein Experte zu sein, um zu erkennen: Gemessen an ihren fundamentalen Daten sind Deutschlands Auto-Giganten an der Börse deutlich unterbewertet. Damit bieten sie der Industrie bei all den Unsicherheiten einiges an Aufwärtspotenzial. Bleibt nur die Frage, was sich in den kommenden Monaten durchsetzt. Der skeptische Blick in die Zukunft oder der positive auf die Gegenwart.

Bei den Analysten scheint letztere immer mehr die Oberhand zu gewinnen. Volkswagen beispielsweise steht bei Goldman Sachs mit einem Kursziel von 241 Euro auf der „Conviction Buy List“. Bei einem derzeitigen Kurs von zirka 175 Euro entspräche dies einem Plus von knapp 40 Prozent. Und die US-Investmentbank steht bei weitem nicht alleine da. Auch die Schweizer UBS und die britische Barclays-Bank glauben mit Kurszielen von 210 und 212 Euro an die Niedersachsen. Bei VW seien nicht zuletzt die Größenvorteile in der Elektroauto-Produktion lobenswert, schrieb Barclays-Analystin Kristina Church.

Bei den beiden Premium-Herstellern BMW und Daimler sind die Analysten vorsichtiger, insgesamt aber ebenfalls positiv gestimmt. Deutsche Bank-Analyst Tim Rokossa schrieb von einem enormen Potenzial der Münchner, den Markt positiv zu überraschen. UBS-Experte Patrick Hummel sieht auch die Stuttgarter in einer guten Position. Er beließ sein Kursziel bei 92 Euro. Auch ein ordentlicher Aufschlag, derzeit kostet die Daimler-Aktie 65,50 Euro. Die Zeiten für die europäische Auto-Industrie würden zwar härter, doch für 2018 scheinen die Hersteller auf einem guten Weg ihre Jahresziele zu erreichen, so Hummel. Ob sie auch neue Kurshöhen erreichen, bleibt abzuwarten. Die Chancen jedenfalls sind da, vor noch nicht allzu langer Zeit stand es schon deutlich schlechter um Volkswagen und Co.

20.04.2018 | 11:22

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