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Die sieben Probleme von Hillary Clinton

Sie will erste Präsidentin der USA werden, und die Medien schreiben ihr eine haushohe Favoritenrolle zu. Doch in Wahrheit hat Hillary Clinton eklatante Schwächen.

Die Weltpresse überschlägt sich schier, Barack ­Obama applaudiert, der Boulevard jubelt. Hillary Clinton will es wirklich noch einmal wissen. Beim neuerlichen Anlauf aufs Weiße Haus sehen sie die meisten als haushohe Favoritin, manche halten sie gar für unschlagbar. In ersten Wettbüros wird ihre Siegeschance so hoch taxiert, dass man kaum etwas gewinnen kann, wenn man auf sie setzt.

Die Argumente der ­Hillary-Huldiger sind auch nachvollziehbar. Clinton ist blitzgescheit, politisch hocherfahren, enorm beharrlich und trittsicher auf den Weltbühnen. Sie ist Spendensammel-Weltmeisterin (ihre Wahlkampfkasse geht in die Milliarden), und die Rückendeckung des Weißen Hauses genießt sie ebenso wie die der Wall Street. Vor allem aber hat sie zwei Ex­tra-Trümpfe in ihrer Wahlkampfhand: Zum einen ist sie eine Frau, und die Faszination, nach einem ersten schwarzen Präsidenten nun erstmals eine weibliche Präsidentin zu wählen, elektrisiert die Öffentlichkeit.

Ihr zweiter Trumpf ist ihr Mann. Von Affären gezeichnet, wurstig und brummbärig ist Bill Clinton doch immer noch der wahre Rocker der Demokraten in der USA – er wird gemocht, gerade auch wegen seiner menschlichen Schwächen. Und er wird ihr helfen – mit Spendenmillionen und Auftritten.

Doch genau damit beginnen für Hillary Clinton auch die Probleme. Denn wer Bill Clinton erlebt, der weiß auch sofort, was Hillary fehlt. Bei näherem Hinsehen zeigt die vermeintliche Überkandidatin gleich sieben Schwächen, die das scheinbar sichere Rennen doch noch spannend machen könnten – genau wie 2008, als sie mit haushohem Favoritenstatus startete und dann von einem unbekannten Senator aus Illinois doch geschlagen wurde.

Die erste Schwäche ist ihr eigener Ehrgeiz. Wo Bill Clinton den Charme des Spielerischen in die politische Waagschale werfen kann, spürt man bei Hillary den reinen Willen. Verbissenheit kann sie schwer verbergen. Sie hat etwas von der ewigen Klassenstreberin, deren Verweis auf ihre große politische Erfahrung nach Prahlen mit guten Schulnoten klingt.

Das zweite Problem für Hillary Clinton liegt in der ewigen Sehnsucht Amerikas nach Wechseln. Clinton aber muss gleich doppelt für eine unpopuläre Kontinuität kämpfen. Zum einen, dass die demokratische Partei nach acht Jahren (durchwachsener) Präsidentschaft nun für weitere Jahre an der Macht bleiben soll. Das wird schwierig, denn sowohl nach acht Clinton-Jahren (1993 bis 2001) wechselte die Parteifarbe ruckartig wie auch nach acht Bush-Jahren (2001 bis 2009). Hillary Clinton steht also für ein „Weiter so“ oder ein „Wieder so“ – beides ist bei Amerikanern ziemlich unbeliebt.

Die dritte Schwäche liegt in ihrer kühlen Verkopftheit. Hillary Clinton wäre in einem anderen Leben eher linke Professorin einer Provinz-Universität geworden. Sie hat etwas Belehrend-Akademisch-Hölzernes. Das schadet ihr nicht nur bei Fernsehdebatten. Ihre gut organisierten Wahlkampfauftritte wirken immer ein wenig zu gut organisiert, es fehlt das emotionale, menschelnde Element. Den Bratwurst-Test, mit Normalmenschen entspannt zu plaudern, besteht sie nur mit Mühe. Das kindisch-kalte Wahlkampf-Logo hat darum etwas Verräterisches für das Gefühlsdefizit der Kandidatin.

Ihr viertes Problem ist ihre Indifferenz. Hillary Clinton scheut sich vor klaren Positionierungen. Den Linken in der eigenen Partei ist sie zu nah an der Finanzindustrie und außenpolitisch zu falkenhaft. Sie werfen ihr zudem vor, wie die blasierte Vertreterin einer reichen Dynastie daherzukommen, deren Kontakte zu saudischen Geldgebern sie obendrein Glaubwürdigkeit kostet. Weder Arbeiter noch Latinos hängen ihr Herz unbedingt an Hillary Clinton. Sie wird geachtet, aber nicht geliebt – auch weil sie zu allen Distanz hält. Ihre Strategie setzt auf einen halblinken Mittelstandswahlkampf, doch viele Analysten halten das in einem zusehends polarisierten Amerika gerade für falsch.

Ihr fünftes Problem ist ihre lange politische Geschichte. Das bedeutet einerseits zwar ein Potenzial an Erfahrung. Andererseits aber mögen Amerikaner in ihrer Mehrheit politisches Establishment so sehr wie schimmeligen Käse. Clinton gilt als Musterstück der verhassten Washingtoner Politkaste. Und weil sie in der großen Politik schon allerlei gemacht hat, sind ihr auch Fehler unterlaufen, die nun wieder politisiert werden. Das reicht vom Handling des Bengasi-Attentats bis hin zur E-Mail-Affäre. Letztere schadet ihr insbesondere, weil der Eindruck entsteht, die Clintons hielten sich für etwas Besseres und beanspruchten Sonderrechte. Die E-Mail-Affäre ist mittlerweile in fallenden Umfragewerten für Clinton spürbar.

Ihre sechste Schwäche ist ihr Alter. Hillary Clinton ist gesundheitlich angeschlagen (so musste sie sich vor zwei Jahren der Operation eines Blutgerinnsels im Gehirn unterziehen) und mit 

67 Jahren eigentlich in einem guten Rentenalter. Bei ihrem Amtsantritt wäre sie sogar 69. In der gesamten Geschichte der USA gab es nur zwei Präsidenten, die bei Amtsantritt älter als 65 Jahre waren – neben Ronald Reagan war dies William Henry Harrison, der dann 1841 einen Monat nach seiner Inauguration starb.

Das relativ hohe Alter hat auch zur Folge, dass die Republi­kaner Clinton als Frau von Gestern ­darstellen werden, als jemanden, der einen jungen Aufbruch des Landes nicht verkörpern könne. Clinton weiß das und hat sich ­darum für ihren Wahlkampf­auftakt eigens einer großen Diät unterzogen, und erzählt – an der Grenze der Peinlichkeit – dem halben Land, wie oft sie Yoga-Workouts betreibe.

Ihr siebtes und psychologisch heikelstes Problem ist die gefühlte Unvermeidbarkeit. Zum einen führt das dazu, dass sie anders als ihre republika­nischen Herausforderer nicht wirklich gestärkt in die Entscheidungsphase des Wahlkampfs kommen wird. Die anderen müssen sich durchsetzen, beweisen, bewähren, vor allem gewinnen und werden schon damit zu interessanten Siegern, die es sich erkämpft haben. Sie hingegen reitet wie eine reiche Erbin auf hohem Ross in den Wahlkampf hinein.

Diese Konstellation lässt Hillary Clinton arrogant wirken, selbst wenn sie das gar nicht ist. Und weil Amerikaner eine echte Wahl haben wollen und keine Krönung, erwächst ihr aus dem Favoritenstatus ein Nachteil. Und so könnte es am Ende so kommen, dass Hillary Rodham Clinton die große tragische Figur der amerikanische Geschichte wird. Ihr droht das Schicksal, acht Jahre nach einer unglaublich bitteren Niederlage wieder spektakulär zu scheitern, und bereits dieser Tragödien­gedanke schadet ihr wie eine „self-fulfilling prophecy“. Clinton bliebe die große Unvollendete – eine Frau, die mit allen Mitteln gemocht werden will und den Schlüssel zu den Herzen einfach nicht findet.

21.07.2015 | 11:54

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