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Lebensmittelhandel: Virtuelle Köchin ist noch Zukunftsmusik

Bananen mit Kühlschäden, zu lange Lieferfristen und andere Lebensmittel als gewünscht - beim Online-Lebensmittelhandel erlebt mancher Kunde böse Überraschungen. Zu diesem Ergebnis kommt das EHI Retail Institute aus Köln. „Wir haben bei Testbestellungen mit bundesweiter Paketlieferung teilweise Probleme mit der Frische festgestellt“, sagte Sascha Berens, Online-Experte des EHI dem Handelsblatt: das Institut untersuchte in seiner Studie, die der Zeitung exklusiv vorab vorliegt, insgesamt 250 Onlineshops. An Käse wagen sich nur 35 Prozent der Händler, an Obst und Gemüse lediglich 21 Prozent und frischer Fisch (14 Prozent) sowie Tiefkühlprodukte (zehn Prozent) liegen auf den letzten Plätzen. Ein weiteres Problem, wenn die bestellte Ware nicht mehr verfügbar ist, bekommt der Kunde oft keinen Ersatz – erfährt davon aber erst, wenn der Einkaufskorb schon in der Küche steht. Dann muss er doch wieder selbst einkaufen gehen.

Lauft GfK-Handelsforschung kaufen Bundesbürger derzeit nur 1,2 Prozent ihrer Lebensmittel per Internet. Das liegt natürlich auch daran, dass Deutschland ein sehr dichtes Netz an Supermärkten besitzt. So sind die Wege zum nächsten Laden im Vergleich zu anderen Ländern relativ kurz. Außerdem herrscht hier ein harter Preiswettbewerb durch Discounter wie Aldi und Lidl. Trotzdem dürfte das noch bescheidene Geschäft in den nächsten Jahren wachsen.

GfK hat grße Erwartungen

Die Marktforscher der GfK in Nürnberg rechnen damit, dass sich der Anteil der Sparte Lebensmittel & Drogerie bis 2025 von zusammen derzeit acht auf 16 Prozent verdoppelt. Davon wollen Newcomer wie Emmas Enkel aus Düsseldorf profitieren. „Wir werden dieses Jahr noch zwei Läden in Köln sowie jeweils einen in Düsseldorf und Berlin eröffnen“, kündigte Mitgründer und Geschäftsführer Sebastian Diehl gegenüber dem Handelsblatt an.

Das Düsseldorfer Unternehmen, an dem sich der Handelsriese Metro mit 15 Prozent beteiligt hat, verkauft seine Lebensmittel in eigenen stationären Läden und liefert die Ware von dort aus, wenn jemand seinen Wochenendeinkauf online bestellt. Probleme wie das langwierige, aufwendige Versenden der sensiblen Produkte entfallen, denn ein eigener Lieferdienst bringt den Einkauf zu den Kunden nach Hause. „Zu unseren Top Ten gehören Obst und Gemüse“, versichert Diehl.

Doch mancher Newcomer muss seine hochfliegenden Pläne wieder aufgeben wie Shopwings aus Berlin. Das Start-up aus dem Hause Rocket Internet arbeitete mit Freelancern zusammen, die für den Kunden einkaufen gingen. So sollten die Lebensmittel nicht nur schnell zum Besteller gelangen. Wenn das bevorzugte Knäckebrot alle war, konnte der Einkäufer konnte auch anrufen und eine Alternative anbieten. Die preisbewussten Deutschen waren offensichtlich nicht bereit, den Aufpreis von mindestens fünf Euro pro Einkauf für den Service zu zahlen. Und auch die Supermärkte, die einen Teil der Kosten hätten decken sollen, sahen nicht ein, warum sie das Start-up mit einer Provision an ihrem Umsatz beteiligen sollten. Das Ergebnis: Nach nur zehn Monaten gab Shopwings das Geschäft in Deutschland auf und konzentriert sich nun auf die Märkte in Australien und Südostasien.

Die großen Lebensmittelketten wollen sich die Kunden von den Start-ups nicht ausspannen lassen. Mancher geht es in dieser frühen Phase des Marktes allerdings noch vorsichtig an. Edeka Südwest aus Offenburg etwa sieht den Versand von Waren bislang als „ein Nischengeschäft, in dem wir vorerst noch Erfahrungen sammeln“, wie eine Pressesprecherin sagte. Der Lebensmittelhändler ist mit Shops für Spezialitäten und Feinkost und für Lebensmittel des täglichen Bedarfs, aber ohne kühlpflichtige Ware im Geschäft.

Auch der große Konkurrent Rewe aus Köln sieht Kühl- und Tiefkühlware beim Lieferservice von Lebensmitteln als „besondere Herausforderung“. Er versucht das mit eigenen Kühlfahrzeugen und eigenem Zustellpersonal zu meistern. Rewe beobachtet, dass in Deutschland trotz aller Skepsis „die Akzeptanz bei den Kunden wächst“. Die Kölner werben um Vertrauen, in dem sie Neukunden drei Testkäufe anbieten, ohne Lieferkosten zu berechnen.

Spezialisten könnten gewinnen

Eine große Chance sieht EHI-Experte Berens künftig für Nischenhändler. So hat er bei den untersuchten Shops viele Metzger (sieben Prozent) und Käsehändler (sechs Prozent) entdeckt. Das könnte auch daran liegen, dass deren Anteil am stationären Geschäft abnimmt. In dem Markt tummeln sich inzwischen auch Spezialisten wie Fischkaufhaus.de. Andere versuchen es mit mehr Convenience: Aboboxen wie die Gemüsekiste vom Landwirt sind längst kein Nischenprodukt mehr für Ökobewusste.

Und es gibt immer noch neue Mitspieler, die auf den Markt drängen: Das Start-up Hello Fresh, wie Shopwings eine Erfindung der Samwer-Brüder, liefert nicht nur Lebensmittel, sondern gleich die dazugehörigen Rezepte ins Haus. Das Unternehmen, das nicht nur in Deutschland, sondern auch in den USA, Großbritannien und den Benelux-Staaten aktiv ist, machte 2014 einen Umsatz von 70 Millionen Euro und strebt im Herbst den Börsengang an. Wie viele der 280.000 festen Kunden aus dem online-skeptischen Deutschland stammen, das will Hello Fresh aber lieber nicht verraten. Und wann Hello Freah die Köchin gleich mitliefert – das steht offenbar auch noch in den Sternen. Handelsblatt / Miriam Schröder / Georg Weishaupt

17.08.2015 | 10:48

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