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VW, BMW, Daimler: Tief drin im Zukunftsschlamassel

 

Minus 9,4 Prozent. Minus 7,8 Prozent. Minus 2,9 Prozent. Das sind die Wertentwicklungen der Aktien von Daimler, BMW und VW innerhalb der letzten sechs Monate. Damit gehören die Papiere der deutschen Automobilhersteller zu den schlechtesten im DAX 2017. BMW und Daimler landen gar deutlich auf den letzten beiden Plätzen. Und das obwohl Deutschlands Leitindex seit Jahresbeginn im Durchschnitt fast zehn Prozent an Wert hinzugewonnen hat. Die Aussichten? Wohlwollend ausgedrückt: wolkig.

Der Dieselskandal und die wohl näher rückende E-Auto-Zukunft setzen die deutsche Automobilindustrie immer weiter unter Druck. Die Negativ-Nachrichten, sie wollen einfach nicht abreißen. So hat inzwischen nicht mehr nur Volkswagen Anwälte aus den USA und Europa am Hals, auch Daimler steckt mittendrin im Abgasskandal. Und die großen Tesla-Ankündigungen aus dem Silicon Valley zum Auto der Zukunft bringen die deutschen Hersteller in Zugzwang. Auf einmal muss alles ganz schnell gehen. Das wiederum bringt (ungeahnte) Probleme mit sich.

Derzeit vor allem bei Daimler. Und ganz konkret in dessen Werk in Stuttgart-Untertürkheim. Schon seit längerem gibt es dort Streit zwischen Betriebsrat und Geschäftsleitung. Grund dafür ist Daimlers E-Auto-Strategie. Bis 2022, so der ehrgeizige Plan, sollen zehn neue Elektromobile auf die Straße gebracht werden. Die natürlich muss auch irgendjemand bauen und so kämpfen die verschiedenen Betriebsräte der jeweiligen Daimler-Standorte um den Zuschlag, um langfristig die Beschäftigung zu sichern. Die Geschäftsleitung hatte in diesem Zusammenhang zwar angeboten die Fertigung von elektronischen Antriebsmodulen und die Batteriemontage nach Untertürkheim zu holen, dieses Vorhaben aber an Zugeständnisse seitens der Arbeitnehmer geknüpft. So sollten diese beispielsweise außerhalb ihrer Arbeitszeit Weiter- und Fortbildungen absolvieren. Bisher kam eine Einigung nicht zustande und so mündet der Kampf vorerst in eine Fertigungsdrosselung, da der Betriebsrat nun seit dem 1. Juli keine Überstunden mehr erlaubt.

Zum jetzigen Zeitpunkt ist das noch kein großes Problem, doch die Situation in Untertürkheim zeigt: Der Umstieg auf das elektrisch fahrende Auto, er ist noch mit ganz anderen Herausforderungen verknüpft als „nur“ mit denen, die Antrieb, Reichweite und eben direkt das Auto betreffen.

Bereits heute als ein Problem ist dagegen Daimlers Situation in Bezug auf manipulierte Abgaswerte einzuschätzen. Da wären zum einen die Vorwürfe der Deutschen Umwelthilfe (DUH), welche dem Autobauer vorwirft durch falsche Aussagen zu Abgaswerten in der Werbung Kunden getäuscht zu haben, und zum anderen die Anschuldigungen der Stuttgarter Staatsanwaltschaft. Diese ermittelt konkret „gegen namentlich bekannte und unbekannte Mitarbeiter der Daimler AG wegen des Verdachtes des Betrugs und der strafbaren Werbung.“ Die Börse am Sonntag hatte darüber bereits in ihrer Juni-Ausgabe berichtet. Zusätzlich droht Ungemach aus den USA. Eine Sammelklage wegen manipulierter Schadstoff-Werte wurde vom dort zuständigen Gericht zunächst abgewiesen. Nun aber untersucht die amerikanische Umweltbehörde EPA den Vorfall.

Es verwundert kaum, dass solche Nachrichten den Aktienkurs des Konzerns weiter gen Süden schicken. Um 9,4 Prozent von 71,18 Euro auf 64,35 Euro ging es in diesem Jahr bereits bergab. Auf Drei-Jahressicht machten Aktionäre mit dem Daimler-Papier fünf Prozent Verlust. Und das obwohl Vorstandschef Dieter Zetsche Anfang 2017 mal wieder ein Rekordquartal verkünden durfte. Noch immer wird an der Börse eben nicht die Gegenwart sondern die Zukunft gehandelt. Mit einem Kursziel in Höhe von 54 Euro rät Berenberg-Analyst Alexander Haissl zum Verkauf. Die Autohersteller seien allgemein noch zu selbstgefällig, was ihren Blick auf die benötigte Technologie für Elektromobilität angeht, schrieb Haissl in einer kürzlich veröffentlichten Branchenstudie.

Und auch bei VW wollen die Negativ-Nachrichten einfach nicht abreißen. Immer neue Milliardenklagen belasten den Konzern. Nun will wohl auch eine niederländische Stiftung aufgrund der Abgasmanipulationen bis zu 4,5 Milliarden Euro von den Wolfsburgern. An die USA hat VW 2017 bereits knapp neun Milliarden Euro an Entschädigungszahlungen geleistet. Volkswagen muss nun Bargeldreserven auflösen. Und so dürfte es weiter gehen. Bisher ist schätzungsweise erst die Hälfte der erforderlichen Zahlungen auch tatsächlich ausgezahlt. Allein für dieses Jahr rechnet Frank Witter, Finanzvorstand von Volkswagen mit einem „zweistelligen Milliardenbetrag“ der in Richtung USA abwandern könnte. Angesichts dieser Belastungen ist es kein Wunder, dass der Aktienkurs des weltgrößten Automobilherstellers nicht in Schwung kommen mag. Knapp drei Prozent Minus seit Jahresbeginn stehen zu Buche. Für viele Analysten ist die Aktie dennoch ein Kauf. Max Warburton vom Analysehaus Bernstein rät zumindest zum Halten des Papiers. Mit Blick auf den US-Automarkt sei zwar eine gewisse Vorsicht angebracht, doch die allgemeine Wahrnehmung sei zu negativ, äußerste er sich in Branchenstudie. UBS hat die Volkswagen-Aktie mit einem Kursziel von 180 Euro sogar in ihre „Most Favoured List“ aufgenommen. Am Markt scheinen diese positiven Prognosen aber nicht anzukommen. Zu groß scheint die Sorge darüber, ob Volkswagen ganz unabhängig vom Skandal um Abgaswerte die richtigen Weichen für die Zukunft gestellt hat.

Im Vergleich zu Wolfsburg und Stuttgart, dürfte bei BMW eigentlich „Friede auf Erden“ herrschen. Die Münchner haben keine Abgasermittlungen am Hals und in Sachen E-Mobilität ist man wohl gerade noch rechtzeitig aufgewacht. Zumindest früher und zielstrebiger als die deutsche Konkurrenz. Nun blasen die Bayern gar zum Gegenangriff auf Tesla, nachdem der kalifornische Autobauer die Münchner ja in Sachen Börsenwert inzwischen eingeholt hat. Ein BMW Elektro-3er soll dem Konzern Marktanteile bringen und Elon Musk klar und deutlich zeigen: Wir sind noch da. 2021, so der Plan, soll die gesamte BMW-Flotte auch mit Elektroantrieb erhältlich sein.

Doch auch für die Bayerischen Motorenwerke will es an der Börse nicht laufen. Und das obwohl auch hier viele Analysten Chancen auf Kursgewinne sehen. 7,8 Prozent büßte das Auto-Papier von Jahresbeginn an ein. Der Kurs sank von 89,98 auf 82,94 Euro. Wer sich vor drei Jahren die Aktie des Autoherstellers ins Depot legte, der muss knapp zehn Prozent an Wertverlust verkraften. Zum Vergleich: Der DAX ist im gleichen Zeitraum um fast 30 Prozent gestiegen. Auch BMW leidet wie es scheint unter dem Problem ein „traditioneller“ Automobilhersteller zu sein. Elon Musk überschattet mit seinen Visionen derzeit einfach alles. Viele Anleger glauben ihm, sehen die Geschäftsmodelle der Etablierten als ein Modell von gestern. Und die neu aufkeimende Diskussion im Hinblick auf mögliche Fahrverbote für Dieselautos in deutschen Städten trägt nicht gerade zu einer Kurserholung bei. Um die Verbote abzuwenden will BMW nach Aussagen der bayerischen Wirtschaftsministerin Ilsa Aigner in Deutschland die Hälfte seiner Dieselautos mit Euro-5-Norm umrüsten. Wenn da mal nicht bald aus wollen müssen wird.

Deutschlands Vorzeigeindustrie liefert einen Gewinnrekord nach dem nächsten und trotzdem steckt sie bereits jetzt tief in der Krise. Und zwar in einer Image-Krise. Die Strategie für das Auto der Zukunft kann Elon Musk Anlegern derzeit einfach besser verkaufen. Der Abgasskandal hat den deutschen Herstellern die Glaubwürdigkeit gekostet. Und das strikte Festhalten am Diesel lässt sie nach außen hin unmodern, wenig innovativ und dann eben auch irgendwie uncool erscheinen. Glaubt man derweil einigen Analysten, könnten die niedrigen Kurse eine günstige Einstiegschance bieten.

Oliver Götz

30.06.2017 | 13:10

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