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Wer schützt die Lufthansa vor dem Kartellamt?

Wie wichtig Lebensmittelpreise für die Bevölkerung sind, erleben wir derzeit im Iran, wo Unruhen das Land erschüttern. Ohne den Aufstand gegen gestiegene Brotpreise hätte es im Jahr 1789 auch keine Französische Revolution gegeben. Dass hunderttausend Milchbauern gegen zu niedrige Milchpreise auf die Straßen gehen, ist auch verständlich. Aber was möchte das Kartellamt von der Lufthansa?

Bei Brotpreisen und auch bei der Milch geht es um Grundnahrungsmittel. Für Verbraucher wie Produzenten geht es, so oder so, um die Existenz. Aber Flugtickets? Die sollen nun kein Luxus mehr sein, sie werden quasi in die Kategorie „Grundnahrungsmittel“ eingestuft werden. Warum? Weil wir uns an den Luxus gewöhnt haben? Wie anders ist es zu erklären, dass sich kürzlich die Titelseite der Süddeutschen Zeitung im zentralen Aufmacher mit den Ticketpreisen der Lufthansa beschäftigt: „Kartellamt rügt Lufthansa“. Da stellt sich doch die Frage: Gehören Flugpreise jetzt schon in die Mega-Versorgungskategorie wie Ölpreis oder Strompreis oder Mietpreis? Oder liegt hier vielmehr eine grobe Verzerrung der Wirklichkeit vor?

Als die Flugkapazitäten von AirBerlin vom Insolvenzverwalter aus dem Markt genommen wurden, kletterten die Preise. „Fluchpreise“ habe ich sie vor sechs Wochen an dieser Stelle genannt und darauf hingewiesen, dass aus ökologischen Gründen eher weniger geflogen werden sollte als mehr, weil niedrige und niedrigste Flugpreise zum Fliegen verführen und daher ökologisch eher kontraproduktiv sind. Von der miserablen Ökonomie niedriger Flugpreise ganz zu schweigen. „Wenn die Taxifahrt zum Flughafen mehr kostet als der Flug selbst, ist Fliegen zu billig“, meint dazu Carsten Spohr, Chef der Lufthansa. Seine Aussage lässt sich toppen: Wenn das Abstellen des eigenen PKW im Flughafen-Parkhaus teurer ist als der Flug selbst, … Aber das Preis-Roulette ist noch nicht zu Ende. Der Preisbrecher-Nachfolger von AirBerlin, easyJet, steht schon bereit, der alsbaldige Sinkflug der Preise ist vorhersehbar. „Zum Wohle des Verbrauchers“, sagt dazu das Kartellamt monoton.

Carsten Spohr hat da angesichts der ausgeweiteten Flugnetzplanung von easyJet schlimmere Befürchtungen, denn er ist als Vorstandsvorsitzender letztlich dafür verantwortlich, dass allmonatlich regelmäßig ohne Verzug an die mehr als 120.000 Mitarbeiter der Lufthansa deren Löhne und Gehälter ausbezahlt werden. Dafür müssen in den Flugpreisen gesunde Margen enthalten sein und beim Verkauf der Tickets ordentliche Erträge erwirtschaftet werden. Das war in der Vergangenheit aufgrund der Preisattacken von AirBerlin, Ryanair und anderen nicht immer leicht. Wenn jetzt AirBerlin als einer der unfairen Wettbewerber ausgeschieden ist und man am Flugmarkt vorübergehend wieder halbwegs ertragreiche Preise erheben kann, so ist der Lufthansa und ihren Mitarbeitern diese Erholungsphase wohl zu gönnen.

Was erlauben sich die Kartellwächter?

Wichtig ist im Zusammenhang mit Lufthansa die Beobachtung, dass sich das Bundeskartellamt immer mehr zum Verbraucherschützer aufspielt, wie gesagt, stets unter demselben Motto: „Niedrige Preise sind gut für den Verbraucher!“ Dass zu niedrige Preise den Wirtschaftenden schaden, versteht sich von selbst, dass sie auch der Umwelt schaden, ist ebenso klar, weil dann eben zu viel geflogen wird. Um die weit verbreitete Niedrigpreis-Euphorie abzubremsen, seien deshalb noch drei Feststellungen erlaubt:

Erstens: Das Bundeskartellamt ist eine Oberbehörde des Bundeswirtschaftsministeriums. Dieses Ministerium ist organisatorisch für die Wirtschaft da (wie das Innenministerium für die Polizei und das Außenministerium für die diplomatischen Vertretungen). Wie ist es da möglich, dass das Wirtschaftsministerium im Inneren gespalten ist in einen Teil für die aktive Wirtschaft (Industrie, Telekommunikation, Außenwirtschaft, etc.) und eine Abteilung Verbraucherschutz – zu der das Kartellamt gehört -, die der Wirtschaft entgegenarbeitet? Wie man hört, sitzen sich die Abteilungen buchstäblich im selben Gang gegenüber und beäugen sich gegenseitig.

Zweitens: Der Staat hat eine Schutzaufgabe, die normalerweise vom Innenministerium wahrgenommen wird. Zu dieser Aufgabe gehört die Abwendung von Gefahren und die Aufklärung darüber. Dazu gehört aber nicht die Lenkung von Preisen. Freie Preissetzung ist das Recht der Anbieter in unserer Marktwirtschaft – fast uneingeschränkt, wenn man von Wucher oder unlauterem Wettbewerb absieht. Wer anders als die Wirtschaft selbst kann kalkulieren, welchen Preis sie braucht, um erfolgreich zu wirtschaften? Der Austausch der Argumente zwischen dem Chef der Lufthansa (SZ: „das computerbasierte Preissystem hat diese automatisch angeglichen“) und dem Leiter der Bonner Behörde, Andreas Mundt (“Solche Algorithmen werden ja nicht im Himmel vom lieben Gott geschrieben”), zum Thema Preissetzung entwickelt sich geradezu skurril.

Drittens: Unser Staat unterhält eine ganze Organisation von Verbraucherverbänden und -zentralen, die dem Ministerium für Justiz und Verbraucherschutz unterstellt sind und die zulasten der Wirtschaft flächendeckend in dieselbe Kerbe hauen. Aber: Wie ist es mit der Gewaltenteilung im demokratischen Rechtsstaat vereinbar, also mit der strikt voneinander getrenten Legislative, Exekutive und Judikative, wenn das Justizministerium zugleich zum Verbraucherschutzministerium ernannt wird, also für ein bestimmten die Judikative und die Exekutive in sich vereinigt? Richtet im Fall einer Auseinandersetzung dann das Verbraucherschutzministerium über sich selbst?

Der vorsorgende Bevormundungsstaat

Angesichts dessen ist es wohl doch so, dass sich der Verbraucherschutz organisatorisch und inhaltlich übermächtig in der ministerialen Verwaltung eingenistet hat. Heute stellt sich deshalb nicht mehr die Frage, wer den Verbraucher schützt. Diese Frage war vor vierzig Jahren aktuell, das sind heute olle Kamellen. Vielmehr stellt sich heute die Frage: Wer schützt die Wirtschaft vor dem ausufernden staatlichen Verbraucherschutz? Oder im Fall der Flugpreise: Wer schützt die Lufthansa vor dem Bundeskartellamt?

05.01.2018 | 01:19

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