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China kauft "Made in Germany"

Ausbau der Präsenz: Von der Schneeraupe über Silberbesteck bis zu Mähdreschern und Hundeleinen – deutsches Know-how und deutsche Technologien sind in Asien überaus gefragt. Ein Ende des Wachstums ist momentan nicht in Sicht.

Wenn an einem Winterabend Schneeraupen die verschneiten Hänge hinunterfahren und die Abfahrten präparieren, dann befindet man sich meist in Österreich, in der Schweiz oder in Norditalien. Doch Skifahren kann man nicht nur in diesen Ländern, sondern auch in Asien. Während sich die Skiindustrie in Japan schon seit Langem etabliert hat, nimmt die Branche in China erst langsam Fahrt auf.

Und wo Ski gefahren wird, da werden auch Pisten-Bullys ­benötigt. Der Hersteller, die Kässbohrer Geländefahrzeug AG aus Laupheim ist bereits seit Jahrzehnten in China tätig. Vielleicht tragen die chinesischen Skifah-rer auch eine Sonnenbrille aus dem Hause Rodenstock. Das Unternehmen konnte im Rahmen seiner Internationalisierungsstrategie „von der starken Nachfrage in Schwellenländern profitieren“, wie CEO Oliver Kastalio bei der Vorstellung der Geschäftszahlen für 2012 ausführte. In Asien erzielte Rodenstock im vergangenen Jahr zweistellige Zuwachs­raten, in China wurde der Umsatz nahezu verdoppelt. Weiteres Wachstum verspricht die Kooperation mit der größten chinesischen Augenoptik-Kette Bao Dao.

Viele weitere Unternehmen bauen ihre Präsenz in Asien konsequent aus. Dazu gehören neben den Großunternehmen viele kleinere Mittelständler wie die Flensburger Silbermanufaktur Robbe & Berkling, die das deutsche Kanzleramt genauso mit Silberbesteck ausstattet wie das exklusive Restaurant „Nanhu No. 1.“ in Xi’an City, der Hauptstadt der chinesischen Provinz Shaanxi. Dazu zählt auch der Hersteller von Seifenblasen, die Firma Hein aus Tübingen, deren Seifenblasengemisch Pustefix asiatische wie deutsche Kinder lieben. Mit Roll-Leinen des Unternehmens Flexi aus Bargteheide werden in Asien ebenso gern Hunde Gassi geführt wie hierzulande.

Von dem guten Ruf deutscher Qualität profitiert auch der Mähdrescher-Hersteller Claas. Ein Schwerpunkt der Auslandsaktivitäten ist Indien, das für die Ostwestfalen ein wichtiger Markt ist, aber auch einer mit ­einem eigenen Charakter. Eine der Herausforderungen ist beispielsweise, dass sich das Land über gut ein Dutzend Klima­zonen erstreckt. Überdies gibt es große Unterschiede zwischen der deutschen und der indischen Mentalität. Denn nach einheimischem Verständnis folgt alles ­einem großen Plan. Dadurch hat Zeit eine ganz andere Bedeutung und die Südasiaten haben beispielsweise Probleme mit Deadlines, denn es gibt schließlich immer ein Morgen.

Indien hat seine eigenen Gesetze

„Wer sich für Geschäfte in Indien entscheidet, hat immer ein Problem. Wer sich aber nicht für Indien entscheidet, der hat ein noch viel größeres“, fasst Pradeep K. Malik, Geschäftsführer der Claas India Private Ltd., das Dilemma zusammen. Das Unternehmen unterhält drei Standorte in Indien: eine Fabrik im Norden des Landes in Punjab, eine wei­tere nahe der Hauptstadt Neu-­Delhi sowie ein Ersatzteil- und Servicezentrum in Bangalore im Süden Indiens.

Da die indische Bevölkerung rasch wächst, müssen die Ernten von 250 Mio. Tonnen bis 2020 auf 350 Mio. Tonnen Getreide steigen, um die Ernährung sicher­zustellen. Zu diesem Zeitpunkt dürfte Indien in der Zahl der Einwohner sogar China übertrumpft haben. Eine ideale Konstellation für einen Landmaschinenkonzern, möchte man meinen. Denn derzeit werden erst 20 % der in­dischen Anbaufläche mit Maschinen bewirtschaftet, 80 % noch mit Wasserbüffeln.

Allerdings stellen sich für Claas drei Herausforderungen: einmal die Zersplitterung der Anbaufläche. Auf den Kleinstäckern ist der Einsatz von Technologie nicht sinnvoll. Das zweite Pro­blem ist die Konkurrenzsituation. Dabei machen Claas weniger die anderen großen namhaften Hersteller aus Japan und den USA zu schaffen als kleine Anbieter, die in Garagen fertigen. Dort basteln einheimische Autodidakten ihre eigenen Mähdrescher in Mini­serien zusammen.

Die dritte Herausforderung ist der hohe Preisdruck. Zum Beispiel sind Fahrerkabinen, die in europäischen Modellen längst Standard sind, für indische Verhältnisse viel zu teuer. Dieses Bauteil zu niedrigen Kosten zu entwickeln und trotzdem einen gewissen Komfort unter schwierigen klimatischen Bedingungen zu bieten – das wird sogar für Ingenieure, die bislang an Hightech forschten, zur absoluten Tüftelaufgabe.

„Jeder Schritt im Design muss immer die Frage beantworten: „Ist der Kunde bereit, dafür zu zahlen?“, sagt Indien-Geschäftsführer Malik. Dabei gelte der deutsche Qualitätsanspruch von Claas gleichermaßen in In­dien, „da denken und agieren wir in die gleiche Richtung“. Auch PistenBully bedient den chine­sischen Markt überwiegend mit den kleineren Baureihen. Das gute Preis-Leistungs-Verhältnis und die Flexibilität dieser Modelle seien eine Voraussetzung für den Erfolg im Markt, heißt es in einem Kundenmagazin der Kässbohrer Geländefahrzeug AG.

In China gibt es 200 Skilifte 

Berge gibt es genug in dem Riesenreich: Zwei Drittel des Landes sind von Gebirge bedeckt. Die Ski-Industrie wächst genauso dynamisch wie die chinesische Gesamtwirtschaft: Gab es 1996 nur etwa 10 000 Skifahrer im Reich der Mitte, stieg ihre Zahl bis 2010 auf über 5 Mio. Chine­sische Experten erwarten, dass sich die Zahl bis 2015 verdoppeln wird. Auch die Zahl der Ski­gebiete nimmt kontinuierlich zu: Während es 1980 in ganz China nur drei Wintersportareale gab, sind es heute mindestens 80 mit etwa 200 Liftanlagen.

China investiert große Summen in diesen Wirtschaftszweig: Beispielsweise wurde das nordostchinesische Yabuli, das älteste und bekannteste Skigebiet, in Kooperation mit Club Med komplett erneuert. 2007 hat in der Nähe von Beijing das Dolomiti Mountain Resort eröffnet – eine neue Tourismusattraktion, die zusammen mit italienischen Experten entwickelt wurde. Weitere neue Vorhaben – vor allem rund um Beijing – sind in Planung und teilweise schon im Bau. 1983 wurde der erste Pisten-Bully nach China geliefert.

Im Februar 2013 wurde gemeinsam mit anderen Anbietern der Branche bei Beijing in der Nähe der größten Winterskigebiete ein Service-Zentrum mit einer Fläche von 500 Quadratmetern eröffnet. Denn die Laupheimer gehen davon aus, dass die Entwicklung in diesem Land in den nächsten Jahren extrem spannend bleibt.

hp

13.01.2014 | 08:03

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