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Wie ein Jobwechsel erfolgreich wird

Mit beruflichen Veränderungen hat der Mann Erfahrung. Christoph Franz, Verwaltungsratspräsident von Roche, war bei der Deutschen Bahn, der Swiss Air und der Lufthansa. Im Gastbeitrag gibt er Tipps für einen erfolgreichen Jobwechsel.

Menschen wechseln ihren Arbeitgeber immer häufiger, und das auf allen Ebenen. Blieben viele Beschäftigte der 50er-Jahre oft einem Unternehmen treu – vom Berufseinstieg bis zur General­direktion –, weisen die meisten Lebensläufe heute „Brüche“ auf. Gewechselt wird zwischen Unternehmen und Branchen, zwischen exekutiven und nicht exekutiven, zwischen angestellten und selbstständigen Tätigkeiten. Was sind die Trends und Fakten? Welcher Wechsel ist „richtig“ und worauf kommt es an, damit er für alle Beteiligten zu einer Win-win-Situation wird?

Eine Studie der Beratungsfirma Strategy& zeigt, dass pro Jahr etwa 12 % der Vorstandsvorsitzenden (CEOs) im deutschsprachigen Raum wechseln. 38 % der neuen CEOs kommen aus Ländern außerhalb des Unternehmenssitzes, und die Median-Verweildauer beträgt fast sieben Jahre. Bis in die 80er-Jahre hinein kam ein CEO in der Regel „aus dem eigenen Stall“ und durfte einer Amtszeit von ein bis zwei Jahrzehnten entgegensehen.

In den Emerging Markets Brasilien, China, Indien und Russland dreht sich das Personalkarussell noch viel schneller und beförderte 2013 bereits jeden fünften CEO aus dem Amt. Weltweit liegt die Median-Verweildauer bei fünf Jahren. Hier stellt sich die berechtigte Frage, ob ein halbes Jahrzehnt ausreicht, um ein Unternehmen strategisch optimal auszurichten, vertrauensvolle Beziehungen aufzubauen und nachhaltiges Denken zu verankern.

Allerdings folgt die „Wachablösung“ zumindest hierzulande in der Regel immer noch einem langfristigen Plan. Laut CEO-Studie verließen zwei Drittel der Firmenchefs im deutschsprachigen Raum ihr Unternehmen wie vorgesehen „ordnungsgemäß“ – altersbedingt oder aufgrund auslaufender Verträge. 16 % wechselten infolge von Übernahmen und Fusionen. Und „nur“ jeder Fünfte schied ungeplant, etwa per Aufsichtsratsbeschluss, aus.

Obwohl der Wechsel an den Unternehmensspitzen generell zugenommen hat, ist so eine Veränderung alles andere als Routine. Einmal in der Chefetage angekommen, ist der Erwartungsdruck sofort sehr hoch. Die berühmte 100-Tage-Schonfrist, um die US-Präsident Franklin D. Roosevelt mit seinen „New Deal“-Reformen einst bat, muss man sich dezidiert ausbitten, sowohl intern als auch extern. Persönlich bin ich der Meinung, dass man die Chance unbedingt nutzen sollte, sich zuerst intensiv in die neue Aufgabe ohne Ablenkung einzuarbeiten.

Insbesondere wenn man von außen kommt, ist diese Zeit auch deshalb wertvoll, weil man Sachverhalte oder Projekte hinterfragen kann, die bis dato nicht infrage gestellt wurden. Ich halte neun Punkte beim Management von Führungswechseln für zentral. Diese basieren auf meinen Erfahrungen bei der Deutschen Bahn, der Swiss International Air Lines, der Deutschen Lufthansa und Hoffmann-La Roche.


1. Grundsatzfragen stellen

Dreh- und Angelpunkt eines beruflichen Werdegangs sollte das sein, was man selbst im Inneren als Berufung empfindet. Welche Tätigkeit und Branche, welches Thema interessiert mich wirklich? Vertreter der emotionalen Intelligenz sprechen hier nicht nur die Sach-, sondern insbesondere die Sozialkompetenz an. Das Thema „emotionale Intelligenz“ ist somit auch ein Beitrag zur Diskussion der Frage nach dem Erfolg in Leben und Beruf. Folgen Menschen meinen Ideen und Vorschlägen, kann ich also Menschen „mitnehmen“, oder fühle ich mich in einer beratenden oder Fach-Funktion wohler? Worin bin ich erfolgreich?

Für mich persönlich wurde schon nach den ersten Erfahrungen in der Berufspraxis klar, dass ich Führungsverantwortung übernehmen wollte. Ich arbeite gern mit Menschen zusammen, um gemeinsam anspruchsvolle Ziele zu erreichen. Ich hatte das Glück, dies mit 34 Jahren als CFO des Personen-Fernverkehrs bei der Deutschen Bahn realisieren zu können.

2. Neu in der Aufgabe: Auf Empfang schalten

Bei Führungskräften schleicht sich schnell der „Sendemodus“ ein. Gerade in den ersten Wochen und Monaten in einer neuen Führungsaufgabe ist es aber wichtig, in die Organisation ­hineinzuhören, um das neue Unternehmen oder den Bereich zu verstehen. Was zum Beispiel hat das Unternehmen bisher erfolgreich gemacht? Welches sind die Erfolgsparameter, ungeschriebenen Gesetze, die Gewohnheiten und Geschichten, die ausschlaggebend für die gelebte Kultur des Unternehmens sind?

Dies ist umso wichtiger, wenn man als Externer oder gar Ausländer zu einem Unternehmen stößt. Als Deutscher bei der Schweizer Roche (oder früher bei der Swiss) erfahre ich viele kulturelle Gemeinsamkeiten, beispielsweise die hohe Leistungsbereitschaft. Es gibt aber auch Unterschiede: Aufgrund des speziellen politischen Systems, der Konkordanz-Demokratie, bei der das Kollektiv im Vordergrund steht, spielen die Konsensfindung sowie das Zuhören und Ausredenlassen eine viel größere Rolle als in Deutschland.

Gleichzeitig ist das kleine Land, das sich mangels ausreichenden Binnenmarktes wirtschaftlich schon immer auf globalen Märkten behaupten musste, mit vier offiziellen Sprachen und der zweithöchsten Ausländerquote Europas internationaler Drehpunkt. Und das gilt auch für seine Unternehmen – Diversität ist normal, sie wird geschätzt und gelebt.

3. Erreichtes wertschätzen

„Neue Besen kehren gut“, sagt man, aber „die Alten kennen die Ecken“. Man lebt stärker von den Dingen, die der Vorgänger aufgegleist hat, als man sich gemeinhin eingesteht. Daher sollte man das Gegebene wertschätzen und als Neue/Neuer nicht am ersten Tag alles gleich umkrempeln wollen. Anders ist die Situation nur dann, wenn ein Unternehmen in eine bedrohliche Schieflage geraten ist, wie ich es etwa bei der Swiss erlebt habe, wo Veränderung das Gebot der Stunde war.

4. Gelegenheiten ergreifen

Kaum eine berufliche Laufbahn oder Karriere verläuft nach logischen oder geplanten Schritten. Der Weg in die Führungsetage wird einem in der Regel nicht in die Wiege gelegt. Helfen kann es, wenn man wachsam ist für Zufälle und natürliche Gelegenheiten. Ein Gespräch in der Kantine kann zu einer Projektverantwortlichkeit führen, die einen – so wie bei mir geschehen – in den Fokus der Unternehmensführung rückt.

Fach- und Führungskompetenz vorausgesetzt, gibt es drei Optionen, wenn eine berufliche Entwicklung stagniert oder eine Weiterentwicklung ausbleibt: Geduld üben, selbst aktiv werden oder außerhalb gezielt die Fühler ausstrecken. Wie viel Risiko man eingeht, ist die eigene Entscheidung. Für mich hat sich vor zehn Jahren das Risiko gelohnt, das Steuer bei der Swiss in der Krise zu übernehmen, auch wenn dies mit hohen beruflichen und persönlichen Belastungen einherging.

5. Gezielte Netzwerkpflege: Beziehungen innen und außen pflegen

In einer Arbeitswelt, die durch rasche Veränderungen, Unsicherheit und Volatilität gekennzeichnet ist, bietet es sich an, Zeit in die Kontaktpflege zu investieren. Ein gut verzweigtes Netzwerk schützt vor zu viel Binnensicht, bereichert das Wissen außerhalb der eigenen Branche und eröffnet manchmal sogar potenzielle berufliche Alternativen.

Lesen Sie weiter auf der nächsten Seite: Rückschlage verkraften, glaubwürdig bleiben
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6. Familie und Privatleben einbeziehen

Jede berufliche Veränderung hat nicht nur Auswirkungen auf den eigenen Werdegang, sondern unter Umständen auch auf die Lebensqualität der Familie. Deshalb ist es verantwortungsvoll, die engsten Familienmitglieder mit in den Entscheidungsprozess einzubeziehen. Gerade in beruflichen Extremsituationen sind Familie und Freunde das Fundament, das einen trägt. Daher ist bei zeitgleichen beruflichen und privaten Veränderungen Vorsicht geboten.

Man sollte sich, wenn möglich, ein stabiles Standbein bewahren. Der Mensch ist immer ein Ganzes. Private Beweggründe dürfen und sollen auch berufliche Entscheidungen beeinflussen. In meinem Fall etwa war beim Wechsel zu Roche die Nähe des Firmensitzes in Basel zu unserem Familiendomizil in Zürich ein zwar nicht entscheidender, aber doch wichtiger Aspekt.

7. Rückschläge verkraften

Wechsel sind nicht nur für die neue, sondern auch für die scheidende Führungskraft eine Herausforderung, besonders wenn sie ungeplant und unfreiwillig erfolgen. Aus eigener Erfahrung hilft es, sich schnell mit dem ehemaligen Arbeitgeber über die Konditionen des Ausscheidens zu einigen, um den Kopf frei zu bekommen für neue Perspektiven, birgt ein Ausscheiden aus einer Position oder einem Unternehmen doch zahlreiche Chancen für eine Neuorientierung.

Noch bevor es an die professionelle Suche geht, stellt sich wieder die Grundsatzfrage: Was will ich und was kann ich wirklich richtig gut? In welcher Umgebung kann ich mich am besten einbringen und weiterentwickeln? Mein jüngster Wechsel zu Roche ist für mich bisher eine rundum positive Erfahrung. Er fordert allerdings noch immer Respekt und Lernwillen angesichts der neuen Branche – sowie die Bereitschaft, rund um die Welt zu reisen, um interne und externe Kompetenzträger zu treffen.

8. Wechsel rechtzeitig kommunizieren und handeln

Man muss sich immer wieder vor Augen halten, dass Wechsel im oberen Management potenziell Sorge und auch Ängste bei der Belegschaft auslösen können, und naturgemäß trifft jeder Zu- und Abgang an der Spitze eines Unternehmens auf großes Interesse, intern wie extern. Firmen, die das beachten, motivieren ihre Führungskräfte zum rechtzeitigen Aufbau einer Nachfolge, verfügen über eine langjährige Personalplanung und identifizieren frühzeitig ihre Talente über alle Hierarchieebenen hinweg. Ein Positivbeispiel ist Nestlé.

Zum Einmaleins des positiven Abgangs gehört zudem, eine Nachfolge so gut wie möglich einzuarbeiten, ein geordnetes Feld zu überlassen und natürlich sich ordentlich von den Mitarbeitern und Kollegen zu verabschieden. Die „Trauerarbeit“ betrifft nicht nur die Person, die geht, sondern auch viele, die bleiben.

9. Glaubwürdig bleiben

Auch in Extremsituationen wie Entlassungen sollte man mit Mitarbeitern, Vorgesetzten und Kollegen so umgehen, wie man selbst in einer solchen Situa­tion behandelt werden möchte. Wirklich wichtig sind nicht primär perfekt formulierte Strategien und Visionen, sondern ganz elementare Dinge wie Anständigkeit, der persönliche Stil und die Werte, die man (vor)lebt. Über den langfristigen Erfolg entscheidet schließlich nicht allein, was verändert wird, sondern wie und wie nachhaltig Veränderungen in Unternehmen umgesetzt werden. Und wenn es einen selbst betrifft, gilt: Man darf den Job verlieren, aber nie seine Glaubwürdigkeit!

27.06.2015 | 12:27

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