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RWE – der Gigant im Schrumpfmodus

Die Energiewende bringt RWE ins Wanken. Die Aktionäre haben bereits bittere Jahre hinter sich. Ist nun ein Comeback in Sicht? Hilft eine große Koalition in Berlin dem großen Versorger an Rhein und Ruhr? Kann man die RWE-Aktie wieder kaufen?

Die Energiewende der deutschen Bundesregierung trifft den nordrhein-westfälischen Strom-und Gasanbieter RWE wie ein Schuss aus der Elektropistole. Die Gewinne brechen weg, die Aktienkurse fallen seit Quartalen massiv, die Analysten überbieten sich in Warnungen. Nun sind auch Massenentlassungen in den kommenden Jahren angekündigt. Der Riese strauchelt gewaltig. Und nach den neuen Quartalsergebnissen ging es auch vergangene Woche für den Aktienkurs wieder einmal bergab.

Doch gerade bei derart substantiellen Weltkonzernen könnte die Krise eine Chance für Anleger bedeuten. Während viele Studien den Anlegern empfehlen, bloß nicht ins berüchtigte fallende Messer zu greifen, gibt es einen Hoffnungsschimmer. Denn die neue Große Koalition in Berlin will die Energiewende korrigieren. Die massiven Fehlsubventionen in erneuerbare Energien sollen zurück geführt werden, die Öko-Planwirtschaft stückweise dem Markt geöffnet werden. Zugleich blickt Berlin mit Sorge auf den drohenden Kollaps von RWE und EON. Man hat erkannt, dass es Deutschland und den hiesigen Wirtschaftsstandort strategisch schwächen würde, wenn die beiden wichtigsten Energiekonzerne taumeln. Es könnte also aus Sicht von Anlegern gut sein, dass bei Bekanntgabe der Koalitionsvereinbarung die Versorgeraktien ein kleines Comeback erleben werden. Viele der aktuellen Probleme hingegen sind in den derzeitigen Niedrigkursen schon eingepreist.

Dass der Essener Energieriese RWE durch die Energiewende finanziell nicht mehr auf Rosen gebettet ist, war schon vielen vorher klar. Die eiserne Härte des Sparkurses, der diese Woche anlässlich der Quartalsbilanz angekündigt wurde, hat aber selbst zahlreiche Experten überrascht. Wegen stark schrumpfender Gewinne streicht RWE bis 2016 weitere 6750 Arbeitsplätze, davon 4700 in Deutschland. Bereits bis zum Jahresende soll sich der konzernweite Personalstand von rund 67.400 auf 61.000 Stellen reduzieren. Und das, obwohl die Essener von 2011 bis 2013 schon 6200 Beschäftigungsposten abgebaut oder durch Verkauf abgegeben haben.

Ein Tal der Tränen


Angesichts der ernüchternden Prognose für das kommende Jahr 2014 bleibt dem Energiegiganten allerdings kaum etwas anderes übrig, als diesen unangenehmen Schritt zu gehen. Der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) werde demnach auf 7,6 bis 8,1 Milliarden Euro schrumpfen nach neun Milliarden Euro in diesem Jahr. Geht RWE für das aktuell laufende Jahr noch von einem bereinigten Nettoergebnis von 2,4 Milliarden Euro aus, rechnet man für 2014 nur noch mit 1,3 bis 1,5 Milliarden Euro. „Das ist das Tal der Tränen, da müssen wir durch“, sagte Konzernchef Peter Terium am Donnerstag in Essen.  Entsprechend schockiert zeigten sich die Aktionäre des zweitgrößten deutschen Energiekonzerns, die RWE-Papiere brachen zwischenzeitlich um 8,8 Prozent ein.

Auch die Dividendenzahlung ist von der Misere der Essener betroffen, und wird um die Hälfte auf nur noch einen Euro je Aktie herabgesetzt. Da sie sich maßgeblich am drastisch sinkenden nachhaltigen Nettoergebnis orientiert, besteht nach Angaben des RWE-Managements bis auf weiteres wenig Hoffnung für einen Anstieg der Zahlungen.

Den wird es wohl erst geben, wenn es dem Weltkonzern aus dem Ruhrpott endlich gelingt, wieder auf die Beine zu kommen. Dafür sollte RWE einen Blick auf regenerative Energien richten. Der dringend benötigte Strategiewechsel wird nicht konsequent genug umgesetzt. Obwohl sich die traditionellen Geschäftsmodelle mittlerweile überlebt haben, setzt RWE noch immer auf Stein-und Braunkohle und investiert kräftig in unausgelastete neue Kraftwerke, die durch den extrem gefallenen Börsenstrompreis kaum noch Gewinne abwerfen. Dennoch ist es unbestritten, dass konventionelle Kraftwerke noch lange Zeit für eine Versorgungssicherheit benötigt werden.  

Und genau da liegt die große Hoffnung der Kraftwerksparte. Bislang konnten die Ökostrom-Anbieter bloß produzieren und kassieren, und konnten sich stets auf die notwendige Systemdienstleistung der großen Konzerne wie RWE verlassen, die für ein stabiles Stromnetzt sorgten, das unabhängig von der schwankenden Produktion aus Windkraft- und Solaranlagen funktioniert. Diese Versicherungsleistung könnte jetzt aber endlich Geld in die Kassen der Kraftwerkbetreiber bringen. Wer stets schwankenden Ökostrom einspeist, soll sich an einem neuen Kapazitätsmarkt in Zukunft zusätzlich die gesicherte, steuerbare Kraftwerksleistung dazu kaufen müssen. Setzt die Bundesregierung dieses Konzept um, wird RWE einen Großteil seines Kraftwerkparks halten können.

Analysten senken den Daumen

Trotz dieses Hoffnungsschimmers blicken die meisten Analysten skeptisch in die Zukunft des Essener Energieriesen. Die französische Großbank Société Générale hat das Kursziel für RWE von 21 auf 20 Euro gesenkt und die Einstufung auf „sell“ belassen. Die Ergebnisse des Versorgers in den ersten neun Monaten hätten zwar seinen sowie den Marktprognosen entsprochen, schrieb Analyst Alberto Ponti in einer Studie vom Freitag. Das Öl- und Gasfördergeschäft sowie der Bereich erneuerbare Energien hätten operativ jedoch unter den Erwartungen gelegen. Sie erklärten zum Teil auch den schwächer als erwartet ausgefallenen Ausblick. Ponti senkte seine Ergebnisprognose je Aktie für das kommende Jahr um 20 Prozent. Adam Dickens von der britischen Investmentbank HSBC schreibt in seiner Studie, dass das kommende Jahr zeigen dürfte, dass es keine deutliche Gewinnerholung gebe. Seine favorisierten Werte sind daher EDF und Enel, bei den deutschen Stromerzeugern jedoch bleibt er weiter vorsichtig. Auch die Schweizer Großbank UBS sieht die Zukunft des Energieriesen kritisch. Sie hat die Einstufung für RWE nach Zahlen auf "Sell" mit einem Kursziel von 19 Euro belassen.

Das kommende Jahr dürfte anders als vom Versorger dargestellt und trotz der Kostensenkungen noch nicht den Tiefpunkt der Ergebnisentwicklung markieren, schrieb Analyst Patrick Hummel in einer Studie vom Freitag. Zugleich habe das Unternehmen in der Stromerzeugung nur niedrige operative Gewinne (EBIT) in Aussicht gestellt. Der Experte geht davon aus, dass der Gewinn je Aktie bis zum Jahr 2016 weiter zurückgeht.

WIM

18.11.2013 | 08:28

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