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Staatsmilliarden für Stromversorger

Papa Staat bringt den Müll raus: Nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters sinkt der Anteil der Unternehmen an den Kosten für die Zwischen- und Endlagerung ihres Atommülls in Milliardenhöhe. Zudem hat sich die Regierung auf weitere Zugeständnisse eingelassen, über die sich vor allem die RWE-Aktionäre freuen: die Aktie macht einen fünfprozentigen Freudensprung.

Wie in vielen Familien streiten sich derzeit auch die Energieversorger und die Bundesregierung besonders um eine Frage: Wer bringt den Müll raus? Zumindest das „Wer“ ist mittlerweile geklärt: Es macht Papa Staat. Allerdings lässt er sich dafür gut bezahlen.

Wie heute bekannt wurde, ist der Milliardenpoker zwischen der Bundesregierung und den vier großen deutschen Energieversorgern EnBW, Eon, Vattenfall und RWE wohl im Endspurt: Nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters, der der aktuelle Gesetzentwurf vorliegt, sinkt der Anteil der Energieversorger an den Kosten für die Zwischen- und Endlagerung ihres Atommülls in Milliardenhöhe. Das ist das jüngste Ergebnis der Atomkommission der Bundesregierung, in dem neben Parteivertretern und sozialen Gruppen auch Vertreter der Konzerne sitzen.

Neuberechnung sorgt für Entlastung

Konkret sieht der aktuelle Gesetzentwurf laut Reuters nun vor, dass die vier Konzerne mit Atomkraftwerken in Deutschland rund 23,5 Milliarden Euro in einen staatlich kontrollierten Fonds einzahlen, der von Vertretern des Wirtschafts-, Finanz- und Umweltministerium geführt wird. Dafür geht die Verantwortung für die Zwischen- und Endlagerung des Atommülls an den Staat über. Die Versorger bleiben aber für Abriss und Stilllegung der AKW im Zuge des Atomausstiegs bis zum Jahr 2022 verantwortlich.

An der Börse sorgten die Nachrichten für Jubel: Der Kurs von RWE legte zum Abend hin mit 4,26 Prozent zu, der von Eon um 3,35 Prozent. Damit lagen die Papiere der beiden Versorger deutlich über dem Dax-Plus von 1,6 Prozent und zählten zu den größten Gewinnern des Tages. Grund für die Euphorie ist, dass die nun vereinbarten 23,5 Milliarden weit unter der zuletzt kolportierten Summe von 26 Milliarden Euro liegen. Grund für die Differenz könnten laut Reuters neue Klarstellungen im Bereich der Schnittstellen sein, an denen die Verantwortung für den Atommüll von den Betreibern auf den Staat übergeht. Konkret geht es dabei um die Verpackung des strahlenden Mülls sowie dessen Lagerung vor dem Abtransport. Sollten die Konzerne hier mehr Aufgaben übernehmen, hätte dies auch Auswirkungen auf die Kosten für Zwischen- und Endlagerung. Zudem sind die in den vergangen Monaten durchgeführten Neuberechnungen für die Lagerung wohl zugunsten der Versorger ausgefallen.

Keine „strahlenden“ Gesichter

Wie Reuters schreibt, ist dem Entwurf zufolge zum Januar 2017 zunächst ein Grundbetrag von knapp 17,4 Milliarden Euro fällig. Sollte der Risikoaufschlag von 6,17 Milliarden Euro nicht gleich mit überwiesen werden, könne dieser auch bis Ende 2022 noch fließen. Dann müsse er aber mit 4,58 Prozent pro Jahr verzinst werden. Möglich sei demnach auch, die Gesamtsumme in Raten bis Ende 2026 abzuzahlen. Sie müsse dann aber ebenfalls mit 4,58 Prozent verzinst werden. Der Betrag wird auf die einzelnen AKW-Betreiber heruntergebrochen. Bei Ratenzahlung muss die erste Rate mindestens 20 Prozent der Gesamtsumme des Betreibers betragen, heißt es weiter.

Laut der Nachrichtenagentur hatte Eon den eigenen Kostenanteil auf rund zehn Milliarden Euro geschätzt, davon acht Milliarden aus Rückstellungen und zwei Milliarden für den von der Atomkommission verlangten Risikoaufschlag. Der Konzern erwägt für den Aufschlag eine Kapitalerhöhung. RWE ging bislang von fünf Milliarden Euro Rückstellungen und 1,7 Milliarden Risikoprämie aus. Ein Teil davon soll aus dem Börsengang der Ökostromtochter Innogy stammen.

Dieser nun vorliegende Gesetzentwurf soll wohl schon am kommenden Mittwoch vom Bundestag beschlossen werden. Für die Konzerne ist dieser Kompromiss als Erfolg zu werten. Zum einen herrscht nun Sicherheit darüber, wie die Kosten für die Energiewende aufgeteilt werden. Zum anderen wurden nicht nur die Kosten reduziert, sondern es wurde auch die Zeit verlängert, in der die Konzerne ihren Verpflichtungen nachkommen müssen. Besonders RWE hatte auf die nun im Gesetzentwurf festgehaltene Ratenzahlung gedrungen.

Dennoch dürfte die Einigung im Streit um den Atommüll in den Chefetagen nicht für im wahrsten Sinne „strahlende“ Gesichter sorgen. Schließlich sind im Zuge der Energiewende mit den AKW nicht nur die größten Profitbringer zu den größten Problemstellen geworden, sondern auch der niedrige Strompreis drückt seit Monaten auf die Bilanzen der großen deutsche Stromkonzerne. Es ist daher unwahrscheinlich, dass Anleger oder Konzern in den kommenden Monaten viel Grund zur Freude haben werden. Robin Schenkewitz

15.10.2016 | 17:35

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