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Vor dem Zwangsstopp

Offshore: Wegen der geplanten Neuregelung des EEG stocken viele Projekte. Doch für die Energieversorger ist die Offshore-Windkraft ein Grundpfeiler der Energiewende. Und das Optimierungspotenzial ist noch sehr groß.

Besuch auf der Kommandobrücke der „Innovation“: Mit diesem Montageschiff werden derzeit die Tripods, die dreifüßigen Fundamente für die riesigen Offshore-Windräder, zum Windpark Global Tech I 180 Kilometer vor der Küste von Bremerhaven gebracht. Mehrere Computerstände auf dem Schiff, das 200 Mio. Euro gekostet hat, überwachen diesen Prozess. Der Kapitän gleicht denn auch weniger dem braun gebrannten Offizier eines Traumschiffs als vielmehr einem blassen Computerfachmann, der viel Zeit vor dem Bildschirm verbringt.

Die Tripods, die von WeserWind, einer Tochter des Stahlherstellers Georgsmarienhütte, in Bremerhaven gefertigt werden, sind so hoch wie ein vierstöckiges Wohnhaus und wiegen 900 Tonnen. Sie werden auf Schienen auf das Schiff gerollt. Mehr als drei Stück auf einmal können nicht transportiert werden. Bei seiner Fahrt hinaus zum Windpark dürfen die Wellen wegen der schweren Ladung nicht zu hoch schlagen. Computergesteuerte Technik sorgt dafür, dass es kaum Schwankungen an Bord gibt – was der eine oder andere Seebär bedauert. Denn nun gibt es keine grüngesichtigen Kollegen mehr zu bemitleiden.

Auf See werden die Dreifüße mit einem riesigen, auf der „Innovation“ befestigten Kran, der bis zu 1 500 Tonnen heben könnte, in zentimetergenauer Steuerung mittels GPS und anderer Verfahren in 40 Metern unter dem Meeresspiegel verankert. Zur Jahresmitte stehen etwa die Hälfte der insgesamt 80 Pods. Im Herbst werden die ersten der Fünf-Megawatt-Anlagen von Areva Wind samt Rotoren mit ihren 116 Metern Spannbreite aufgesetzt. Mitte 2014 soll der Park ans Netz gehen. In der Endphase verfügt er über eine Leistung von 400 Megawatt, was die Versorgung von 450 000 Haushalten ermöglicht.

Auch wenn der Bau eines Offshore-Windparks wie Global Tech I eine gewaltige Herausforderung ist, meinen die Projektbetreiber, die technischen Risiken im Griff zu haben. Ein Unsicherheitsfaktor ist aber die Politik. Denn während die Rahmenbedingungen für bereits begonnene Vorhaben klar geregelt sind, stellen sich für die Zukunft viele Fragen. Ursache dafür ist die geplante Überarbeitung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) nach der Bundestagswahl. Die Verabschiedung wird nicht vor Mitte 2014 erwartet.

Bis dahin gibt es ein Planungsvakuum. Bei vielen der an Global Tech I beteiligten Firmen gibt es derzeit keine Folgeaufträge, weil alle Offshore-Projekte – auch die fertig geplanten – von den Investoren auf Eis gelegt wurden. Bei Areva Wind rechnet man mit Kurzarbeit, das Montageschiff „Innovation“ könnte andere Aufträge beispielsweise für Tiefsee-Bohrinseln annehmen. Damit besteht die Gefahr, dass Know-how und Kapazitäten in andere europäische Länder abwandern, warnen Experten.

Bis nach den Bundestagswahlen geht in Berlin jedoch diesbezüglich gar nichts. Die Energieversorger setzen aber große Hoffnungen auf Offshore-Wind, um die politischen Vorgaben mit dem hohen Anteil der erneuerbaren Erzeugung zu erfüllen. Denn die Offshore-Windkraft ist grundlastfähig. Dagegen werden bezahlbare, praxistaugliche Speicher für Onshore- oder Photovoltaikstrom frühestens in einem Jahrzehnt zur Verfügung stehen.

Zwar ist die Offshore-Energie momentan ohne Förderung nicht konkurrenzfähig zu konventionell erzeugtem Strom. Doch anders als die Onshore-Technologie, die bereits weitgehend ausgereift und an guten Standorten längst auch wettbewerbsfähig ist, gibt es bei Offshore noch zahlreiche Stellschrauben zur Verbesserung. Derzeit untersucht die Stiftung Offshore-Windenergie das Potenzial zur Kostensenkung. Fachleute haben schon mal eine Kostendegression von 30 % genannt.

„Wir stehen weltweit noch ganz am Anfang bei der Entwicklung der Offshore-Windkraft“, sagt Jean Huby, Sprecher der Geschäftsführung von Areva Wind. Insgesamt habe Deutschland weltweit die besten Bedingungen für diese Erzeugungsart, weil der Wind im Jahresdurchschnitt stetig – nicht zu viel und nicht zu wenig – wehe. „Verzögerungen bei Offshore-Projekten könnte man eventuell verkraften, aber eine längere Auszeit würde die gesamte Industrie vor Probleme stellen“, meinte Florian Bieberbach, Vorsitzender der Geschäftsführung der Stadtwerke München (SWM), die einer der Investoren in Global Tech I sind.

Elwine Happ-Frank

09.09.2013 | 10:38

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