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3,45 Millionen Euro für innovatives Tanzen

Die deutsche Politik lobt sich als „sparsam“ und „solide“. Man werde ab 2015 „keine neuen Schulden" mehr machen. In Wahrheit sind die Etats gewaltig. Ein Blick in die Haushalte offenbart haarsträubende Verschwendungen.

„Keine neue Schulden ab 2015“, „nachhaltig solide Sparpolitik“, „Ende der Veschwendung“, „sparsam wie eine schwäbische Hausfrau“ – wenn Eigenlob wirklich stinken könnte, dann wäre Berlin derzeit ein olfaktorischer Supergau. Die Große Koalition feiert sich überschwänglich für das eigentlich selbstverständliche Vorhaben, im kommenden Jahr endlich einmal nur so viel auszugeben wie man einnimmt. Nun ist das skandalöserweise seit einem halben Jahrhundert nicht mehr vorgekommen.

Insofern kann man die Absicht nur begrüßen. Für die schamlose Selbstbeweihräucherung der politischen Klasse aber gibt es – ob des Minimums an Soliditätssignal – keinen Grund. Denn einerseits haben schon andere Bundesregierungen das Null-Neuschuldenziel verkündet, sich dann aber nie daran gehalten. Und auch bei der Großen Koaliton des Jahres 2014 gewinnt man eher den Eindruck, dass sie lieber mit großen Spendierhosen durch Land zieht als wirklich zu sparen. Die teueren Pläne der Renten- und Familienpolitik alleine sprechen Schuldbuchbände.

Andererseits reicht ein Blick in den aktuellen Haushalt, um ein seriöses Sparverhalten als reine Fiktion zu entlarven. Im Jahr 2014 sollen die Ausgaben des Bundes offiziell 298,5 Milliarden Euro betragen. Nach der Finanzplanung von Wolfgang Schäuble werden die Ausgaben bis 2018 dann auf 327,2 Milliarden Euro ansteigen – also kein bisschen schrumpfen.

Der Bund plant 2014 alleine mit Verwaltungsausgaben in Höhe von 12,4 Milliarden Euro. Gegenüber dem Planansatz des Jahres 2012 steigen die Verwaltungsausgaben sogar um mehr als neun Prozent – obwohl das Bundesfinanzministerium eine Kürzung der Verwaltungsausgaben immer wieder als wichtigstes Sparobjekt benannt hat.

Auch das bestehende – und ohnedies fragwürdige – Konglomerat von rund 150 familienpolitischen Leistungen mit einem Gesamtvolumen von mehr als 125 Milliarden Euro jährlich wird immer weiter aufgebläht – vom Elterngeld bis zum Betreuungsgeld.

Mit rund 6,4 Milliarden Euro erreichen selbst die Ausgaben des Bundes für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung im Jahr 2014 ein neues Rekordniveau. Im Vergleich zu 2007 ist ein Anstieg um 45 Prozent zu verzeichnen.

Selbst EU-Beitrittskandidaten bekommen Entwicklungshilfe

Nun würde man sich freuen, ginge das viele Geld an die wirklich Bedürftigen. Tatsächlich aber werden Länder millionenschwer gefördert, die gar keine Hilfe brauchen. So erhielten Mexiko, Südafrika oder Indonesien als aufstrebende Industrienationen in den vergangenen Jahren rund 600 Millioneno Euro staatliche Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit. Die neuen Wirtschaftsweltmächte Indien und Brasilien wurden neue Zusagen über eine Milliarde beziehungsweise knapp 500 Millionen Euro erteilt.

Selbst EU-Beitrittskandidat Serbien bekommt deutsche Entwicklungshilfe. Und auch die Schuldenerlasse für Staaten wie Polen, Kroatien, Jordanien, Indonesien, Peru, Philippinen oder Ägypten in Höhe von knapp fünf Milliarden Euro sind zwielichtig. Sollte sich Entwicklungshilfe nicht besser auf die Unterstützung der Ärmsten der Armen konzentrieren?

In den Fachministerien werden obendrein tausendfach fragwürdige Einzelprojekte gefördert – da gehen mal 10 Millionen Euro zur Förderung der Stadtbahn in Ho Chi Minh-Stadt drauf, 632.000 Euro in den Redaktionsstab für eine verständliche Gesetzessprache oder mehrere Millionen für das Anreizprogramm deutsche Filme. Allein das Bundeswirtschaftsministerium weist derzeit 21.000 Projektförderungen mit 13.000 Zuwendungsempfängern aus, die über ebenfalls kostenintensive Projektträger gesteuert werden.

Der Bund der Steuerzahler macht tapfer auf überflüssige Einzelpositionen aufmerksam, doch die Grotesken häufen sich bloß. So werden 280.000 Euro Steuergelder für farbliche Abwechslung beim Öko-Tierfutter ausgegeben. Das Bundeslandwirtschaftsministerium fördert allen Ernstes ein Projekt zur Erhöhung der Anbaubedeutung weißer und gelber Lupinen im Ökolandbau im Vergleich zu blauen. Sogar 3,45 Millionen Euro zahlt der Bund für innovatives Tanzen. Union und SPD haben im Koalitionsvertrag einen Ausbau der Förderung für die „innovative und international ausstrahlende Kunstform Tanz“ zu einem eigenen Förderprogramm beschlossen.

300.000 Euro sind auch für bessere Kommunikation eines deutsch-französischen Energiebüros übrig, deren schiere Existenz schon überflüssig ist. Eine Million wird in die Erforschung der Öko-Erdbeere gesteckt, doch selbst das ergänzt der Bundeshaushalt noch mit seinen 166.000 Euro für die Ökobildung von Kleingärtnern.

Das Bundeslandwirtschaftsministerium will die Denkweise von Kleingärtnern in eine ökologische Richtung lenken und finanziert dafür ein Projekt namens „Kleine Gärten – Große Wirkungen: Bildungsmaßnahmen zur Förderung des ökologischen Bewusstseins urbaner Gärtner mit dem Ziel der Ökologisierung städtischer Flächen und der Steigerung des Konsums von Biolebensmitteln“. Sparkultur? Solidität? Schwäbische Hausfrau? In der Rhetorik ist sie da. Im Bundeshaushalt gibt es von ihr keine Spur!

Dieser Kommentar ist Teil der Kolumne "What's right?", die Wolfram Weimer wöchentlich für das Handelsblatt schreibt.

25.04.2014 | 15:48

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