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Die schwarz-roten Rentenpläne sind Gift für das Land: Sowohl die Mütterrente als auch die Rente mit 63 schaden der Wirtschaft und dem Ansehen Deutschlands in Europa. Ein Appell von Cicero-Chefredakteur Christoph Schwennicke.

Endlich. Endlich hat es einer ausgesprochen, und zwar in letzter Konsequenz: „Die Rente mit 63 ist eine Sünde an den jungen Menschen in Deutschland, die für die Kosten werden aufkommen müssen. Ich würde von Politikern gerade der CDU erwarten, dass sie lieber ein Scheitern der Koalition und Neuwahlen in Kauf nehmen, als diese unverantwortliche Entscheidung mitzutragen.“ Das sagt leider kein Held aus den Reihen der Union, sondern Ulf Schneider, der Vorstandsvorsitzende des Gesundheitskonzerns Fresenius.

Dieser Satz aber sollte endlich etwas auslösen in den Köpfen der Abgeordneten von CDU und CSU. Es wird Zeit, wieder den aufrechten Gang zu versuchen. Es wird Zeit, sich nicht länger in Kadavergehorsam gegenüber der Kanzlerin zu ergehen. Die Rente mit 63 widerspricht aller Vernunft, sie verstößt gegen alle politischen Errungenschaften der vergangenen Jahre. Sie ist ein Rückfall in Zeiten vor der Agenda 2010. Sie ist in ihrer Dimension und in ihrem absehbaren Schaden nur vergleichbar mit der verheerenden Frühverrentungspolitik von Helmut Kohl und Norbert Blüm. Die luden in den 1980er und 1990er Jahren alle großen Firmen in Deutschland dazu ein, sich auf Staatskosten von einem großen Teil ihrer älteren Arbeitnehmer zu trennen.

Die Rente mit 63 ist eine säkulare Sünde


Die Mütterrente ist ein noch größerer Unsinn. Weil ein Instrument, das sich als untauglich erwiesen hat, das Kinderkriegen in Deutschland zu fördern, aus sonderbaren Gründen in die Vergangenheit verlängert wird. Eine absurde Logik. Das ist ärgerlich. Politik kann sich irren, Fehler können passieren. Doch warum sorgt man nun mit einem Milliardenaufwand dafür, dass noch mehr Mütter in den Genuss dieses Rentengeschenks kommen? Das ist nicht nur ziemlich ärgerlich, es darf einfach nicht passieren. Wie heißt der Koalitionsvertrag noch gleich? „Die Zukunft gestalten“? „Die Vergangenheit vergolden“ wäre passender.

Strukturell allerdings ist die Rente mit 63 der schlimmere Fehler. Deren Einführung ist eine säkulare Sünde. Es mag sein, dass in den parlamentarischen Beratungen im Bundestag und in den sie begleitenden öffentlichen Debatten die schlimmsten Auswüchse noch verhindert werden. Bestenfalls werden sogar keine Arbeitslosenzeiten auf die 45 Berufsjahre angerechnet.

Ein Skandal bleibt die Rente mit 63 trotzdem. Denn jenseits aller Regelungen im Detail sendet sie ein fürchterliches Signal aus: Deutschland ist auf dem Weg zurück ins 20. Jahrhundert. Deutschlands Sozialreformen sind das Vorbild für ambitionierte Spitzenpolitiker wie Matteo Renzi in Italien und Manuel Valls in Frankreich. Sogar der große Zauderer François Hollande hat sich darauf verpflichtet, mit Frankreich den deutschen Weg gehen zu wollen. Zwei großen, wichtigen Ländern der Europäischen Union, die unbedingt gesunden müssen, damit Europa gesundet, fällt die Große Koalition in den Rücken. Und wie, bitte schön, soll Deutschland glaubhaft den Druck auf Griechenland aufrechterhalten, was Reformen anlangt, wenn wir diese hier zurückdrehen?

Die CDU ist nicht der Privatbesitz von Angela Merkel


Deshalb, liebe Julia Klöckner, Vize-Parteichefin aus Rheinland-Pfalz, bitte nicht morgens mutig aufbegehren und abends schon wieder kneifen! Deshalb, lieber Michael Fuchs, Vize-Fraktionschef der Union im Bundestag, nicht morgens im Deutschlandfunk den Mund aufreißen und sich denselben dann abends mit zwei Tellern Kartoffelsuppe im Kanzleramt von Merkel persönlich wieder stopfen lassen! Deshalb, Junge Union, den Mut aufbringen, den euer scheidender Frontmann Philipp Mißfelder seinerzeit bei seiner Kritik an den vielen künstlichen Hüften zeigte!

Die CDU ist eure Partei und nicht der Privatbesitz von Angela Merkel. Von der darf man im Übrigen gesichert annehmen, dass sie weiß, um was für einen Unfug es sich da handelt, sowohl bei der CSU-Mütterrente als auch bei der SPD-Rente mit 63.

Gesetze werden im Bundestag gemacht und nicht im Kanzleramt. Jedenfalls wird dort über sie entschieden. Und Loyalität bedeutet nicht, stumpfsinnig jeden Unsinn mitzumachen und damit persönlich verantwortlich zu sein. William Paley, der große englische Theologe und Moralphilosoph, hat es in seiner „Pflicht zur Unterwerfung unter die Staatsgewalt“ so formuliert: „Solange es das Interesse des Gemeinwesens erfordert, das heißt, solange der Widerstand gegen die bestehende Regierung oder eine Änderung derselben nicht ohne Schaden für die Bevölkerung möglich ist, so lange ist es Gottes Wille, dass man der bestehenden Regierung gehorchen soll - aber nicht länger.“

Jedem Christdemokraten und jeder Christdemokratin mit einer Stimme im Bundestag sollten Ulf Schneider und William Paley in den Ohren klingeln. Und jedem vernünftigen Sozialdemokraten ebenfalls.

Christoph Schwennicke ist Chefredakteur von Cicero, dem Magazin für politische Kultur
. Seinen Beitrag in der Cicero-Rubrik "Berliner Republik" finden Sie hier.

08.04.2014 | 17:07

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