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Bloomberg-Ranking: Deutschland als „innovativste“ Nation der Welt eingestuft

Das Bloomberg-Ranking ist eindeutig: Es stuft Deutschland als innovativste Nation der Welt ein. Eine Aussage, die Autor Stephan Wegerer kritisch beleuchtet.

Im jährlichen Bloomberg-Ranking wurde Deutschland als „innovativste Nation der Welt" gekürt. Wir sind also, laut „Bloomberg", die Nation mit der höchsten Innovationskraft und unsere Forschungs- und Innovationspolitik der weltweite Benchmark. Warum nur, fühle ich mich so gar nicht wohl über diese Auszeichnung?

Vielleicht sollten wir uns zuallererst einmal ansehen, welche Faktenbasis ausschlaggebend für die Beurteilung dieses Rankings war. Laut der Studie setzt sich der Index aus unterschiedlichen Kategorien zusammen, wie zum Beispiel „Ausgaben für Forschung und Entwicklung", „angemeldete Patente", „wissenschaftliche Veröffentlichungen", „Maschinenbau-Kapazitäten", und und und.

Leider war vor allem unsere Automobilindustrie aufgrund der Versäumnisse der letzten Jahre, quasi gezwungen, etliche Milliarden in die Elektromobilität und das autonome Fahren zu investieren (witzigerweise macht uns gerade dieses Versäumnis jetzt „innovativ", weil es in den Faktor „Ausgaben in F&E" einzahlt) und typischerweise sind wir „noch" eine Hochburg in Sachen "Maschinenbau-Kapazitäten".

Der vor kurzem erschienene Brandbrief von VW-Chef Herbert Diess an sein Management, dass VW so schnell wie möglich zum Tech-Konzern werden muss, um überleben zu können und nicht ein zweites Nokia zu werden, passt da so irgendwie gar nicht ins von „Bloomberg" aufgezeigte Bild der „innovativsten Nation".

Vielleicht hilft es ja, sich einmal kurz Gedanken darüber zu machen, von welcher „Art der Innovation" wir gerade sprechen und hierbei sollte man sich unbedingt an dem, leider vor kurzem verstorbenen, Vordenker Clayton Christensen orientieren, der den in aller Munde befindlichen Begriff der „Disruptiven Innovation" in seinem Buch „The Innovators Dilemma" prägte.

In einem Interview mit der Haufe Online Redaktion aus dem Jahr 2016 äußerte sich Christensen folgendermaßen: „Man muss drei Arten von Innovation unterscheiden. Einmal die Effizienz-Innovation. Man verbessert zum Beispiel die Produktion oder den Vertrieb und erreicht damit mehr mit weniger Aufwand. Der zweite Typ ist die erhaltende oder auch inkrementelle Innovation. Man hat ein gutes Produkt und macht es noch besser. Man produziert zum Beispiel ein besseres Auto. Das Problem ist, dass man damit nur das alte Produkt durch ein neues Produkt ersetzt. Das bringt aber kein Wachstum. Bei diesen beiden Innovationsformen sind die deutschen Unternehmen sehr gut. Und dann gibt es die disruptive Innovation. Sie transformiert ein Produkt, das bisher sehr kompliziert und teuer war und macht es einfacher und billiger, so dass es sich mehr und neue Kunden leisten können. Nur diese Form von Innovation führt zu echtem Wachstum. In Deutschland sehe ich da aber bisher kaum etwas."

Ein großer „Befähiger" disruptiver Innovation ist zweifelsfrei die „digitale Kompetenz", um Produkte wirklich transformieren zu können. Diese hat aber nur am Rande mit Ausgaben in F&E, oder Maschinenbaukapazitäten, oder wissenschaftliche Veröffentlichungen, etc. zu tun.

Wie schneidet nun Deutschland im Kontext der „Digitalen Wettbewerbsfähigkeit" ab, welche die von Christensen bevorzugte Art der Innovation, weil „zu echtem Wachstum führend", und welche die Grundlage der von Herbert Diess geforderten Transformation zum Tech-Konzern ist?

Hierzu würde ich gerne das IMD World Digital Competitiveness Ranking von 2019 heranziehen, in welchem wir lediglich auf Platz 17 rangieren. Dieses Ranking ist aus meiner Sicht deshalb so aussagekräftig, weil es sich aus drei wirklich entscheidenden Faktoren zusammensetzt:
1.    Wissen - Das Wissen, das notwendig ist, um neue Technologien zu entdecken, zu verstehen und aufzubauen. (Deutschland auf Platz 12)
2.    Technologie - Der Gesamtkontext, der die Entwicklung von digitalen Technologien ermöglicht. (Deutschland auf Platz 31)
3.    Zukunftsfähigkeit - Grad der Fähigkeit des Landes, die digitale Transformation zu nutzen. (Deutschland auf Platz 16)
Hier sieht es also gar nicht so perfekt aus!

Erschreckend finde ich auch die Tatsache, dass zwei amerikanische Technologie-Konzerne (Microsoft und Amazon) wertvoller sind, als alle 763 deutschen börsennotierte Unternehmen zusammen.
Zweifelsfrei sind beide Unternehmen echte Benchmarks in Sachen „digitaler Wettbewerbsfähigkeit“ und deren Börsenbewertung ein Indikator dafür, dass Christensen Recht hat mit seiner Aussage der „disruptiven Innovation“ und echtem Wachstum.

Sind wir nun also „innovativ" und machen alles richtig, oder sind wir es nicht und machen alles falsch? Mein Fazit ist klar, denn immer dann, wenn man als Unternehmen erfolgreich ist und sich das Umfeld nicht ändert, sollte man alles belassen wie es ist. Nachdem sich aber - und hier wird sicherlich niemand widersprechen - das Umfeld radikal verändert, sollten wir unbedingt...
•    Änderungen an unseren bisherigen Gewohnheiten vornehmen und nicht mehr nur in Effizienz-/ und erhaltende Innovation, sondern unbedingt auch in die disruptive Innovation (in der Logik von C. Christensen) investieren, ohne unsere Stärke in der erhaltenden Innovation aufzugeben, wenn das Geschäftsmodell an sich noch zukunftsfähig erscheint.
•    Den Unternehmergeist, der uns so stark gemacht hat, wieder aufblühen lassen und uns trauen, unternehmerisch tätig zu werden. Wer sagt, dass nur das eine Unternehmen für die Zukunft der Unternehmerfamilie verantwortlich ist? Warum gründen Sie nicht neue Unternehmen außerhalb des eigenen Unternehmens mit einem klaren strategischen Fokus auf Zukunftstechnologie (z.B. Künstliche Intelligenz - KI, 3D-Druck, Virtual Reality – VR oder Augmented Reality AR, Robotic, Sensoric, Internet Of Things IOT,...) in den spannenden Zukunftsfeldern unserer Zeit (Klima & Umwelt, Smart Cities, Gesundheit,...), welche vielleicht das Wettbewerbsmonster des etablierten Geschäftsmodells sein könnten? Wäre das nicht der ideale Test für die nachfolgende Generation, sich die Lorbeeren zu verdienen, welche sie dringend benötigt, um in der Unternehmerfamilie die nötige Anerkennung zu erhalten und unternehmerische Erfahrung zu sammeln, selbst wenn es nicht klappt?
•    Unternehmen sollten nicht darauf warten, dass der Staat dafür sorgt, dass die nötige Kompetenz (Wissen und Technologie) vorhanden ist, sondern selbst aktiv werden und entscheiden, wie zukünftige Erfolge generiert werden können und dann gezielt in die Weiterentwicklung der eigenen Arbeitskräfte investieren.

Stephan Wegerer

03.02.2020 | 12:11

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