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Droht die Rückkehr der Finanzkrise?

Wie ein Steppenbrand breitet sich schon seit drei Jahren die Staatsschuldenkrise in Europa aus. Drastisch steigende Zinsen für Staatsanleihen zahlreicher Länder waren die Folge. Die Europäische Union war institutionell auf diese Situation nicht vorbereitet. Nur die Europäische Zentralbank war als einzige europäische Institution handlungsfähig und griff in den Instrumentenkasten der Geldpolitik.

Dazu gehörte, dass sie die Märkte mit billigem Geld flutete und die Zinsen auf ein historisch niedriges Niveau setzte. Damit wird zwar die Finanzierungssituation von Krisenstaaten verbessert und ihnen so Zeit verschafft, ihre Haushalte zu konsolidieren. Allerdings wird damit auch ein teilweise ma­rodes Bankensystem stabilisiert. Dieser Zustand hält bis heute an.

Die bisherige Bilanz dieser Interventionen fällt sehr gemischt aus. Natürlich konnten die Zinshöhen für die Krisenländer begrenzt werden. Und durch die damit verbundenen Auflagen ist es einigen Krisenstaaten in den vergangenen Jahren tatsächlich gelungen, ihre Defizite zu verringern und ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Nicht gelungen ist es allerdings, das billige Zentralbankgeld auch Unternehmen in den Krisenstaaten in Form günstiger Investitionskredite zukommen zu lassen.

Die Krise ist noch nicht überstanden. Sie kann jederzeit wieder voll ausbrechen. Und schlimmer noch: Wir haben uns in Europa neue Risiken eingefangen, die immer bedeutsamer werden. Denn die bisherigen Maßnahmen der EZB greifen massiv in die Märkte, in das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage und sogar in die Preisgestaltung ein. Äußeres Kennzeichen dafür ist ein in Europa historisch niedriges Zinsniveau. Für Deutschland ist das deutlich zu niedrig. Es entspricht weder der hiesigen konjunkturellen Lage noch ermöglicht es eine angemessene Kalkulation von Risiken: So subventionieren Niedrigzinsen die Aufnahme neuer Schulden. Dadurch wird aber der Reformdruck von den Krisenstaaten genommen. Zudem werden Banken verleitet, noch mehr Staatsanleihen zu kaufen. Gerade die schwächsten Banken werden so zu immer höheren Risiken verführt.

Auch für die Sparer sind die Folgen negativ: Sie werden durch Niedrigzinsen enteignet, weil sie bei ihren Anlagen negative Realzinsen hinnehmen müssen. Das führt zu erheblichen Lücken in der Altersvorsorge – und das bei einer dramatisch alternden Gesellschaft. Unterschiedliche Schätzungen gehen von 5 bis 14 Mrd. Euro im Jahr aus, die deutsche Sparer an Zinsverlusten erleiden. Darüber hinaus verleiten Niedrigzinsen Anleger, bei ihren Investments immer höhere Risiken einzugehen.

Leidtragende dieser Eingriffe in Deutschland sind auch Institutionen, die den Finanzmärkten bisher Sta­bilität verliehen haben, nämlich einlagenstarke Retailkreditinstitute und Lebensversicherungen. Die deutschen Sparkassen kosten diese Effekte derzeit jährlich viele Millionen Euro Zinsüberschuss. Wie die Sparer in Deutschland werden auch die Sparkassen ungefragt zu Solidarleistungen für die Krisenländer gezwungen.

Deutschland soll als Stabilisator das Vertrauen in Europa stärken. Gleichzeitig fährt man eine Krisenpolitik, die seine Stärken schwächt. Das aber ist keine Lösung, denn langfristige Stabilität in Europa kann nur durch Stabilität in den Krisenländern erreicht werden.

Eigentlich hatte sich doch in Europa die Erkenntnis durchgesetzt, dass wesentliche Ursachen der Finanzkrise zu viel zu billiges Geld, falsche Kalkulation von Risiken, zu hoher Fremdkapitaleinsatz sowie zu risikoreich agierende, zu große Banken waren. Jetzt produziert die Eurorettung eine Schwemme billigen Geldes, verleitet zu einer falschen Kalkulation von Risiken und führt zur Anwendung von zu großen Fremdkapitalhebeln. Insgesamt führen Niedrigzinsen zu einer Schwächung stabiler finanzwirtschaft­licher Strukturen. Es besteht immer die Gefahr, dass sich die Marktakteure immer stärker an die Droge des billigen Geldes gewöhnen. Von Tag zu Tag wird es schwerer, sie auf Entzug zu setzen. Die europäische Politik muss deshalb Reformen zum Abbau der Schuldenstände und zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit vorantreiben. Und die EZB sollte aus unserer Sicht nicht auf Dauer den „Ausputzer“ für nicht erbrachte politische Leistungen spielen müssen. Sie sollte sich insbesondere nicht dauerhaft als Institu­tion zur Staats- und Bankenre­finanzierung verstehen.

Die EZB ist nach unserem Verständnis in erster Linie der Stabilität unserer Währung verpflichtet. Diese Herausforderung stellt sich nicht nur bei hohen Infla­tionsraten, sondern auch schon bei einer negativen Realverzinsung. Nicht nur Inflation und Wechselkurs – auch die Realverzinsung gehört zu dem, was stabiles Geld ausmacht.

Die gefährlichen Nebenwirkungen der Niedrigzinsphase können die Risiken aus den Fehlsteuerungen einer Bankenunion noch verstärken. Vor allem dann, wenn es dabei auch um eine ­Vergemeinschaftung von Haftung geht. Die alte Bankenregel gilt: Wer hohe Renditen anstrebt, der muss auch hohe Risiken eingehen. Wenn eine Bank Haftung an andere abgeben kann, wird sie ermuntert, immer höhere Risiken einzugehen.

Bislang haften für besonders große Banken und auch für Schattenbanken im Krisenfall die Steuerzahler und ganze Volkswirtschaften. Es braucht deshalb eine Regulierung, die direkt an den Risiken ansetzt. Doch Brüssel plant ein Großprojekt, das mit dem Namen „Bankenunion“ für Vertrauen sorgen soll. Hintergrund dafür ist die zweifellos richtige Beobachtung, dass einzelne Eurostaaten ihre großen Banken nicht ausreichend beaufsichtigt haben und im Zweifel auch allein nicht ausreichend stützen oder notfalls abwickeln können.

Zwei Streitthemen in Europa

Mit der Bankenunion soll diesem Problem nun begegnet werden. Im Kern handelt es sich dabei um eine zentrale Aufsicht bei der ­Europäischen Zentralbank für die 128 größten europäischen Banken. Dazu ist in der Überlegung, ein gemeinsames Abwicklungssystem für Banken in allen Euro-Mitgliedsstaaten einzuführen. Die ursprünglichen Pläne der Kommission, eine einheitliche Einlagensicherung zu etablieren, wurden zwar derzeit nicht weiterverfolgt. Aber beide Themen haben nicht nur für die betroffenen Institute, sondern auch für deren Kunden gravierende Auswirkungen. Denn nach den Brüsseler Vorstellungen soll künftig die EU-Kommission entscheiden können, welche europäischen Banken abgewickelt werden müssen.

Im Falle systemrelevanter Banken würde es um tief greifende Entscheidungen gehen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit direkte oder indirekte Auswirkungen auf nationale Haushalte haben. Für jeden europäischen Demokraten muss es ausgeschlossen sein, dass eine europäische Exekutive direkt gewählten nationalen Parlamenten wie dem Deutschen Bundestag Vorgaben macht, wie Haushaltsmittel einzusetzen sind, oder ihnen grundlegende wirtschafts- und finanzpolitische Weichenstellungen abnimmt. Die Europäische Kommission will sich also Kompetenzen verschaffen, die ihr in einer funktionierenden Demokratie nicht zustehen können. Das muss den Parlamentariern in Deutschland bewusst sein.

Wir sind auch strikt dagegen, dass eine solche Abwicklung oder Restrukturierung großer Banken in einem gemeinsamen europäischen Fonds von kleinen, stabilen Instituten mitfinanziert werden soll. Das wäre nicht im Interesse von Kunden stabiler Kreditinstitute. Auch Pkw-Halter würde man nicht zur Zahlung der Beiträge für die Versicherungen von Gefahrguttransportern heranziehen.

Europa läuft in die falsche Richtung, wenn es Haftungen vergemeinschaftet und Umverteilungen vornimmt, statt Eigenverantwortung zu stärken. Wir müssen Banken im Zweifel kleiner machen und nicht Haftungszu­sagen größer. Und es wird auch nicht besser dadurch, dass nicht der Steuerzahler, sondern der Sparer herangezogen wird.

Bankenunion und Europäisierung der Haftung erzeugen In­stabilität, wenn sie die soliden Marktteilnehmer zwingen, die Risiken von Groß- und Investmentbanken zu schultern. Bereits jetzt tragen sie durch die Niedrigzinsphase große Lasten, während die Banken in den Krisenländern davon profitieren. Falsch ist eine fortwährende Verlängerung der Rettungsmaßnahmen, indem et­wa Niedrigzinsen hohe Schuldenstände kaschieren oder indem eine Haftungsunion im Finanzsektor eingeführt wird, die Risiken belohnt. Ein stabiles Europa braucht stabile Staatshaushalte und stabile Banken. Nur so entsteht Europa neu im Sinne ­einer Stabilitätsunion.

Gastbeitrag von Georg Fahrenschon, Präsident des Sparkassen- und Giroverbandes.

03.03.2014 | 11:15

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