(Bild: FDP)



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Frauen haben das erste Wort: Julika Sandt

Die stellvertretende Vorsitzende der FDP-Fraktion im Bayerischen Landtag, Julika Sandt, kämpft für mehr Gleichberechtigung und Diversität – auch in Behinderteneinrichtungen. Im Montagsinterview mit dem „WirtschaftsKurier“ spricht die Journalistin über die Vereinbarkeit von Familie und Mandat, die Wichtigkeit von Frauennetzwerken und erklärt, was Unternehmen von Orchestern lernen können.

WirtschaftsKurier: Wenn Sie in Ihren Kalender schauen: Steht in diesen Tagen ein Termin an, bei dem das Thema Diversität eine Rolle spielen könnte?

Julika Sandt: Als Sprecherin für Arbeit und Soziales der FDP-Fraktion im Bayerischen Landtag fällt es mir normalerweise schwer, einen Termin in meinem Kalender zu finden, der nicht mit Diversität zu tun hat. Aber jetzt haben Sie ausgerechnet eine Woche mit mehreren Plenarsitzungen bis 23 Uhr erwischt. Natürlich geht es auch in meinen Plenarreden um Diversität. Ich werde zum Beispiel über Frauen in Vorständen sprechen und über meine Initiativen zur Umwandlung großer Behinderteneinrichtungen – weg von Ghettos hin zu inklusiven Sozialräumen, in denen Menschen mit und ohne Behinderung gemeinsam leben und arbeiten. Auch das ist Diversität. Mein politisches Ziel ist, dass es zukünftig nicht mehr darauf ankommt, woher jemand kommt, welches Geschlecht er hat oder ob er eine Behinderung hat. Jeder, der vorankommen will, soll möglichst gerechte Chancen erhalten. Ein Herzensanliegen ist mir die frühe Förderung von Kindern aus sozial schwachen Familien.

Wie ist die Rollenverteilung bei Ihnen im Beruf: kommen Frauen genauso wie Männer in Führungspositionen?

Persönlich habe ich keinen Grund, mich zu beschweren. Ich werde mich aber nie damit zufriedengeben, dass Frauen in der Politik nach wie vor unterrepräsentiert sind. Deshalb bin ich gerne Mentorin für Frauen. In der FDP Bayern habe ich mich für ein umfassendes Konzept zur Förderung von Frauen engagiert. Unter anderem haben wir uns dazu verpflichtet, dass auf Wahllisten die ersten beiden Plätze mit einer Frau und einem Mann (oder umgekehrt) besetzt werden. Das Personal ist da. Auf unserer Bundestagsliste kandidieren zum Beispiel richtig starke Frauen. Verbessern müssen wir auch die Vereinbarkeit von Familie und Mandat. Ich möchte auch für Parlamentarierinnen die Möglichkeit schaffen, rund um die Geburt eines Kindes von zu Hause aus online abzustimmen.

Und wie ist es bei Ihnen zu Hause?

Bei mir als alleinerziehende Mutter mit einer Tochter herrscht zuhause eine 100 Prozent Frauenquote. Wir planen gemeinsam den Urlaub und meine Tochter entscheidet, ob sie heute lieber ein rosa Kleidchen trägt oder zerrissene Jeans. Wichtig ist mir, dass sie ihren Standpunkt vertritt und weiß, sie kann grundsätzlich alles erreichen.

Ist die Politik in Sachen Diversität entspannter und damit ein Vorbild für andere Branchen?

Gleichberechtigung ist erst erreicht, wenn es auf wichtigen Posten genauso viele unfähige Frauen wie unfähige Männer gibt (lacht). Davon sind wir in der Politik noch entfernt.  

Sind Sie für eine Frauenquote in Politik, in Unternehmen und Institutionen?

Ein gutes Argument gegen Quoten (und jeden anderen Proporz, den oft ausgerechnet die größten Quotengegner einfordern) ist Leistungsfeindlichkeit. Allerdings reicht es nicht, Argumente gegen die Quote anzuführen, ein paar Lippenbekenntnisse für mehr Frauen in Führungspositionen abzugeben und sich dann zu wundern, dass sich nichts ändert. Auch bisher geht es oft nicht nach Leistung. Warum gibt es denn proportional viel mehr männliche Professoren, obwohl Frauen ihr Studium öfter und vor allem mit besseren Noten abschließen? Ob in Unis, in Unternehmen oder in der Politik - natürlich spielen subjektive Kriterien eine Rolle: alte Seilschaften, die Identifikation des männlichen Chefs mit dem Kronprinzen oder das höhere Vertrauen in andere Männer in Karrierefragen. Ich finde, wir Frauen müssen uns noch stärker in Netzwerken gegenseitig unterstützen und gezielt fördern. In vielen Organisationen wären zumindest übergangsweise passende Regeln sinnvoll – im öffentlichen Sektor zum Beispiel Kaskadenmodelle, die sich am Frauenanteil in der jeweils darunterliegenden Ebene orientieren. Wo es möglich ist, kann es anonymisierte Entscheidungsprozesse geben: Seit manche Orchester Bewerber hinter Vorhängen vorspielen lassen, ist der Frauenanteil dort stark gestiegen. Wo Charisma gefragt ist – wie in der Politik – geht das natürlich nicht. Nach wie vor ist aber unzureichende Kinderbetreuung für viele Frauen eine Karrierebremse. Hier setze ich politisch an.

Zum Schluss ein Wort an die Männer ...

Viele von Euch sind wirklich großartig! Lasst uns zusammen dieses Land gestalten – nicht nur für Frauen und Männer, sondern vor allem für Mädchen und Jungs. Ich hoffe, dass wir eines Tages nicht mehr über irgendwelche Quoten und Regeln diskutieren müssen, weil die Fähigsten in voller Diversität oben angekommen sind.

Das Interview führte Stefan Groß

19.07.2021 | 09:01

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