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Globales Comeback der Kernenergie

Zum dritten Jahrestag der Katastrophe von Fukushima meldet die Internationale Atomenergiebehörde IAEA einen verblüffenden Trend: Es gibt einen weltweiten Boom der Kernenergie. Nicht weniger als 72 neue Atomkraftwerke sind derzeit im Bau. Damit wird die magische Marke von 500 Kernkraftwerken bald überschritten.

Vor allem die großen BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien und China) setzen massiv auf Atomenergie. In China sind derzeit 28 Kernkraftwerke mit einer Kapazität von 27 756 Megawatt im Bau. Russland hat mit der Errichtung von zehn neuen Atomkraftwerken (8 382 Megawatt) begonnen, in Indien werden bald sechs neue Meiler installiert sein.

Doch nicht nur die aufstrebenden Wirtschaftsgroßmächte investieren massiv, immer mehr Länder entscheiden sich für den Neu-Einstieg, darunter die Türkei, Polen, Bangladesch, Ägypten, Jordanien, Nigeria und Vietnam. Selbst die Vereinigten Arabischen Emirate haben mit dem Bau eines Atomkraftwerks begonnen, ebenso Argentinien, Weißrussland und Finnland. Auch die großen Bestände in Frankreich und den USA werden ausgeweitet. Der IAEA-Generaldirektor resümiert: „Die Kernenergie ist wieder ein globaler Wachstumsmarkt.“

Im Rahmen dieses weltweiten Comebacks der Kernenergie hat sich auch Japan für eine Rückkehr zur Atomkraft entschieden. Ungeachtet der Atomkatastrophe von Fukushima müsse man erkennen, dass Atomenergie eine wichtige Stromquelle sei und weiter genutzt werden sollte, sagte Industrieminister Toshimitsu Motegi in Tokio.

72 Kernkraftwerke sind derzeit im Bau

Der Versuch des früheren japanischen Ministerpräsidenten Morihiro Hosokawa, die Gouverneurswahlen in der japanischen Hauptstadt zu einem Referendum gegen die Atomkraft zu machen, ist spektakulär gescheitert. Der von Regierungschef Shinzo Abe und seiner Liberaldemokratischen Partei (LDP) unterstützte frühere Gesundheitsminister Yoichi Masuzoe erzielte mit einem Pro-Atomkraft-Wahlkampf einen Erdrutschsieg. Nun sollen die ersten Reaktoren in wenigen Monaten wieder ans Netz gehen. Außerdem hat die Regierung angekündigt, sogar den Bau von drei neuen Atomreaktoren genehmigen zu wollen.

Auch die unmittelbaren deutschen Nachbarn wollen die Atomenergie ausbauen oder ganz neu einsteigen. So will Polen ab 2024 Atomenergie produzieren: Das Wirtschaftsministerium in Warschau hat einen Plan für den Bau zweier Kernkraftwerke vorgelegt. Das Dorf Zarnowiec ist dafür auserkoren. Es liegt etwa 70 Kilometer von Danzig und 300 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt. Bis 2016 soll ein Vertrag mit einem Zulieferer für die notwendige Technologie geschlossen werden. Bis 2024 soll der Bau des ersten Atomkraftwerks vollendet sein und bis 2035 soll das zweite Atomkraftwerk fertig werden. Kosten soll das Projekt rund etwa 12,5 Mrd. Euro. Diese Investition soll größtenteils der staatliche Energiekon­zern PGE stemmen. Derzeit wird der polnische Strom zu 85 % aus Kohle produziert.

Der führende europäische Atomtechnikkonzern Areva meldet derweil glänzende Ergebnisse. Der Umsatz im Atomgeschäft sei 2013 um 7,1 % auf 9 Mrd. Euro gestiegen, wohingegen das Geschäft mit erneuerbaren Enegien um 24,7 % auf 132 Mio. Euro gefallen sei. Areva meldet Auftragseingänge im Wert von 41,6 Mrd. Euro. Der Vorstandsvorsitzende Luc Oursel kommentiert die Lage so: „Zwei Jahre nach Fukushima haben die Aktivitäten im ­Nukleargeschäft deutlich zulegt. Das Jahr 2013 war stark für uns.“ Und in Deutschland? Da wird Areva massiv Arbeitsplätze abbauen.

Die deutsche Politik dachte vor drei Jahren, als sie sich panikartig aus der Atomenergie verabschiedete, die Welt werde folgen. Nur atompolitische Geisterfahrer würden die Zeichen der Zeit nicht erkennen. Nun zeigt sich, dass eher Deutschland der Geisterfahrer der globalen Energiepolitik ist.

Ex-Kanzler Gerhard Schröder kritisiert darum die hastige Berliner Energiewende rückblickend als eine einsame Kurzschlussreaktion. Sie funktioniere hinten und vorn nicht. Man hätte sich mit der Abschaltung von Atomkraftwerken mehr Zeit lassen sollen. Tatsächlich stockt hierzulande der Netzausbau, Milliardensubventionen in alternative, aber unrentable Energien scheinen vergeudet, die Strompreise steigen dramatisch. Zugleich wird die Stromversorgung in Deutschland labiler, denn die irrwitzigen Einspeisesubventionen für Ökostrom zwingen inzwischen sogar die modernsten und saubersten Gaskraftwerke der Welt (etwa das Vorzeigewerk in Ingolstadt) zum Stillstand. Und da in der Not auch noch mehr Kohle verstromt wird, trübt sich sogar die Klimabilanz ein.

03.03.2014 | 14:00

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