Macher der Woche: Sebastian Bär
Der Familienunternehmer und Marathonläufer hat sein Projekt: Eine neue Sportschuhmarke, die einen einmaligen Vorteil bietet, weil sie bequemer sein will, als alles, was die Platzhirsche in der Branche bieten können. Und tatsächlich - mit seiner Marke Joe Nimble hat Bär jetzt einen Fuß in der Tür.
Der Bleistift, er hat ihn zum Gespräch hinter das rechte Ohr geklemmt. Wahrscheinlich hat er ihn dort vergessen. Oder es ist Absicht, weil es etwas so wunderbar Altmodisches, aber zugleich auch Handfestes ausstrahlt. Und das sähe Sebastian Bär durchaus ähnlich. Der Schuster, und so einer ist der 47jährige im tiefsten Herzen, bleibt nämlich bei seinem Leisten. Nur drumherum ist alles neu.
Sebastian Bär ist Chef von Joe Nimble, an sich keine große Sache, denn Joe Nimble hat bislang ganze acht Mitarbeiter. Wer aber Zahlen liebt, der sollte sich dieses Verhältnis anschauen: Joe Nimble ist eine Marke des Schuhherstellers Bär, einer 1982 gegründeten „Manufaktur für bequeme Schuhe“, die in Bietigheim-Bissingen unweit von Stuttgart sehr gemütliche Schuhe herstellt. Sie sind vorne breit, was den großen Zeh freut. Der Rest ist Geschmackssache. 140 Mitarbeiter arbeiten bei Bär und erwirtschaften rund 25 Millionen Euro. Acht davon sind Nimbelianer, wie diejenigen sich nennen können, die für die Marke Joe Nimble unterwegs sind. Die acht allerdings, sind bereits für 30 bis 40 Prozent des Umsatzes verantwortlich. Demnächst könnte es die Hälfte sein. Wie geht das?
Dazu muss Sebastian Bär ausholen. Und dabei wird der Bleistift eine Rolle spielen, denn auch Bär ist schon vor zehn Jahren bewusst, dass das, was der Vater an Schuhen in seiner Fabrik produziert, zwar Luft für die Zehen lässt, was sie wirklich auszeichnet. Aber modisch gesehen ist noch Luft nach oben. Bär macht sich daran und entwirft - möglicherweise sogar mit dem Bleistift - eine Sportschuh-Kollektion, oder zumindest Ansätze davon.
Und er, der selbst Marathon läuft, nimmt Kontakt zu den ganz harten Jungs und Mädels in dieser Zunft auf: den Badwater-Marathon-Läufern, die nicht aufhören, bevor sie nicht 217 Kilometer vom tiefsten Punkt der USA über drei Pässe bis zum Ziel auf dem 2530 Meter hohen Mount Whitney erreicht haben. „Dabei schneiden sich einige Läufer die Schuhkappen auf, um besser laufen zu können. Sie verbrauchen bis zu zwölf Paar Schuhe bei dem Rennen“, sagt Bär und strahlt unangemessen. Denn: Die Läufer mit den neuen Schuhen aus der eigenen Kollektion seien mit einem Paar ausgekommen. Die Geschichte ist gut und Bär erzählt sie dem Vater, der ihm jedoch nicht vor Begeisterung um den Hals fällt: „In unserem damals noch recht klassisch geführten Familienunternehmen, ist es nicht sofort gelungen, eine neue Produktionslinie mit Sportschuhen aufzubauen. Der Markt ist besetzt, sagte mein Vater damals.“
Doch der Sohn bleibt hartnäckig, fährt Orthopäden und Sportmediziner auf, die alle bestätigen: Mit vorne Platz im Schuh, läuft es sich besser. Als Bär und Bruder Christof die Geschäftsführung übernehmen, hat Sebastian schließlich freie Hand und gründet die Marke Joe Nimble. Der Name ist Programm, denn Nimble bedeutet so etwas wie flink und flink sollen die sein, die mit Joe Nimbels-Schuhwerk an den Start gehen. Crowdfunding-Aktionen bringen genug Geld in die Kasse, um die Entwicklung voranzutreiben. Dazu gelingt ihm ein Design, das mit den Größen des Marktes mithalten kann, deren Namen der Branchenschreck aus Bietigheim gar nicht in den Mund nimmt, weil sie jeder kennt: Adidas, Puma, Nike. Der Handel wird aufmerksam und aus Joe Nimble hätte bereits die Kultmarke der zwanziger Jahre werden können.
Hätte. Denn dann kommt Corona. Bär lässt in China produzieren und die Pandemie verhindert, dass Schiffe rechtzeitig mit Ware nach Europa kommen. „Mit Corona ist für mich zunächst eine Welt zusammengebrochen, dann hatte meine Frau die Idee: Lass Dir die Schuhe aus China mit dem Zug liefern, sagte sie.“ Es funktioniert. Bär wandert sozusagen auf der Landroute von China auf den mittelalterlichen Spuren des Weltreisenden Marco Polo, der auch das eine oder andere Paar Schuhe durchgelaufen haben dürfte.
Bär zieht daraus jetzt eine Konsequenz, die auch wieder aufhorchen lässt, die wunderbar und altmodisch klingt. Pirmasens war bis ins letzte Jahrhundert die Schuhstadt Deutschlands. Dann wurde globalisiert und die Produktion verschwand von dort. Bär will jetzt das machen, was er am liebsten tut: Dem Trend ein Schnipchen schlagen: „Die Lieferketten reißen derzeit überall. Wir haben daher Entwicklung und Produktion für einige Produkte bereits in die traditionellen Schuhstadt Pirmasens verlegt“, berichtet er und verspricht in diesen Plan weiter Kraft und Geld zu investieren.
Apropos Geld – wird es irgendwann einen Manuel Neuerer oder einen Dirk Nowitzki mit Joe-Nimble-Schuhen an den Füßen geben? Bär winkt ab, jedenfalls solange es solche Ausnahmesportler nicht aus Überzeugung machten. „Ich bezahle ungern dafür, dass Menschen unsere Schuhe tragen.“ Dafür rechnet er zu genau, und zwar mit dem spitzen Bleistift. Und außerdem hat er selbst eine Überzeugung. Die heißt: „Im Markt, da haben wir jetzt den Fuß in der Tür.“
Oliver Stock
10.09.2021 | 15:12