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Ziercke sollte besser gehen

Die Edathy-Affäre wirft ein schlechtes Licht auf das Bundeskriminalamt. Dessen Präsident macht eine denkbar unglückliche Figur – nicht das erste Mal. Es wird höchste Zeit für einen Wechsel an der Spitze der Behörde.

In der Edathy-Affäre ist Minister Hans-Peter Friedrich (CSU) zurückgetreten, und SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann wankt schwer beschädigt durch Berlin. Auch der BKA-Präsident Jörg Ziercke (ebenfalls SPD) macht eine denkbar unglückliche Figur. Der gerne als „Deutschlands Sheriff“ beraunte Amtsleiter muss sich Vorwürfen erwehren, dass seine Behörde volle zwei Jahre lang den Namen Edathys in den kanadischen Kinderporno-Unterlagen erst übersieht, um dann mit Spitzenpolitikern darüber zu plaudern.

Im Bundestag wird Ziercke sogar verdächtigt, seine Behörde habe die Ermittlungen gegen den SPD-Politiker in Sachen Kinderpornografie gezielt verschleppt. Tatsächlich ist es entweder ein Armutszeugnis für das BKA oder ein bewusstes Übersehen, dass erst der Polizei in Nienburg-Schaumburg aufgefallen ist, wer da in den BKA-Dokumenten aus Kanada als Kinderporno-Kunde genannt wird.

Das Auftreten Jörg Zierckes vor dem Bundestag wie in den Medien vergrößert die Problemlage für das BKA. Konzilianz und Kommunikation gehören nicht zu seinen Stärken. Dass Ziercke und das BKA heute schwer beschädigt dastehen, hat freilich nicht nur mit dem selbstgefälligen Temperament des Präsidenten zu tun. Ziercke hat vielmehr schon zuvor eine Serie schwerer Fehler zu verantworten. Insbesondere der Skandal um die Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) hat das BKA katastrophal aussehen lassen.

Ziercke musste haarsträubende Fehler bei den Ermittlungen zur Zwickauer Terrorzelle eingestehen. Jeder andere BKA-Chef wäre da bereits zurückgetreten. Er aber saß es aus und bedauerte nur, dass die deutschen Sicherheitsbehörden ihrem Schutzauftrag nicht voll nachgekommen seien und sagte lapidar: „Wir haben versagt.“ Konsequenzen – keine.

Zierckes Amtszeit ist geprägt von zweifelhaften Entscheidungen und eigenwilligen Auftritten – von der Cicero-Affäre bis zur Debatte um Online-Durchsuchungen und Internet-Sperren. In der Cicero-Affäre zeigte Jörg Ziercke ein erschreckend brachiales Verständnis von Staatsmacht und Pressefreiheit. Die von BKA-Beamten durchgeführte Durchsuchung der Redaktion wurde hernach als verfassungswidrig verurteilt. Doch Ziercke blieb bei seiner repressiven Position.

Er verachtet wohl die politische und journalistische Klasse


Da er alle Skandale überlebte, legte er sich zusehends einen Mantel der herrischen Unantastbarkeit zu. Selbst der Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger fiel er vor Jahresfrist offen in den Rücken, als sie eine stärkere parlamentarische Kontrolle des Bundeskriminalamts forderte. Per Interview ließ er die Ministerin wissen, dass der Bundestag ihm gar nichts zu sagen habe. Und als Berlin kritisierte, das BKA sei möglicherweise zu groß und mächtig und ineffizient geworden, konterte Ziercke: „Das ist eine sehr pauschale Forderung, die ich nicht so ganz nachvollziehen kann.“

Er signalisierte schon lange, dass er die politische und journalistische Klasse wohl verachtet. Vor allem gab es da einen, der ihm als Vorsitzender des NSU-Untersuchungsausschusses sein Versagen bohrend öffentlich vorhielt.

Ein Parlamentarier sagte dem knorrigen BKA-Präsidenten offen die Meinung, bis hin zum legendären: „Ich find’s nicht nachvollziehbar, wie Sie hier auftreten“. Das war Sebastian Edathy. Und so verschränken sich die Skandale von Jörg Ziercke auf tragische Weise. Was immer an Verbindungslinien hinter den Kulissen noch offenbar wird – es reicht, um das Vertrauen in den Rechtsstaat zu erschüttern.

Die eigentliche Verantwortungsfigur des NSU-Edathy-Debakels ist weder Ex-Minister Friedrich noch Thomas Oppermann. Es ist Jörg Ziercke, der Mann, der 2004 von Otto Schily ins BKA-Präsidentenamt berufen wurde und seither alle Minister wundersam überlebte. Mittlerweile ist er im Ruhestandsalter angekommen. Es wird Zeit, dass das Bundeskriminalamt eine umsichtigere Führungsfigur erhält.


Dieser Beitrag ist Teil der Kolumne "What's right?", die Wolfram Weimer wöchentlich für das Handelsblatt schreibt.

03.03.2014 | 10:32

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