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2015 wird sehr volatil

Die Konjunkturaussichten haben sich zwar wieder etwas aufgehellt. Doch es gibt zahlreiche Risiken für die Börse, von der wachsenden Euro-Skepsis Griechenlands und Italiens bis zu Inflationsgefahren in den USA. Interview mit Dr. Jens Ehrhardt, Vorstandsvorsitzender der DJE Kapital AG.

WirtschaftsKurier: Herr Dr. Ehrhardt, die Niedrigstzinspolitik der EZB macht es dem Anleger schwer, einen angemessenen Ertrag zu erwirtschaften. Lange Zeit bot – neben Immobilien – die Aktie als Anlagealternative eine gute Chance. Doch der deutsche Aktienmarkt hat 2014 bisher eine recht bescheidene Performance hingelegt. Welches waren die Gründe?

Dr. Jens Ehrhardt: Man war von einer besseren Konjunkturentwicklung und auch von höheren Gewinnen ausgegangen. Der Sachverständigenrat hat – nach bereits anderen Prognostikern – seine Wachstumsschätzungen für 2014 und vor allem für 2015 deutlich zurückgenommen. Und bei den Unternehmensgewinnen warten wir nun bereits seit drei Jahren auf einen nachhaltigen Anstieg. Prognosen und Er­wartungen waren der tatsächlichen Entwicklung vorausgeeilt. Gleichzeitig verschlechtert sich das Verhältnis von Absatzpreisen und Lohnkosten in Deutschland und damit auch die Produktivität. Das mag die Börse nicht so sehr.

Der Dax startete 2009 bei circa 3 500 Punkten seinen Hausse­zyklus, der ihn im Sommer 2014 bis auf gut 10 000 Punkte trug. Er ist dann aber wieder deutlich zurückgefallen. Sehen wir bereits das Auslaufen des lang währenden Zyklus?

Das zyklische Korrekturmuster früherer Zeiten vermag ich diesmal nicht zu erkennen. Derzeit vollzieht sich kein richtiger Kursabschwung; aber einen Aufwärtstrend sehe ich auch nicht mehr. Den Grund dafür dürfte die Notenbank liefern: Sie versucht, einen konjunkturellen Einbruch im Euroland zu verhindern – durch Maßnahmen, die nicht in jedem Fall unumstritten sind und wohl daher auch nur in sehr geringen Dosen verabreicht werden. Sie versetzen die Börse einerseits nicht in Hochstimmung, zeigen aber andererseits den Willen der EZB, eine erneute Rezession im Euroland um jeden Preis zu verhindern. Letzteres bewahrt die Börse vor einem Absturz. Sie ist in eine Art Schwebezustand übergegangen.

Wirken nicht auch die fallenden Rohstoffpreise – vor allem der Preisverfall beim Rohöl – stimulierend?

Der fallende Ölpreis ist ein Konjunkturprogramm für sich. Er verbessert die Kostensituation der Unternehmen und trägt wesentlich zu der niedrigen Infla­tion bei und erhöht somit die Kaufkraft der Verbraucher, was der Binnenkonjunktur zugutekommt.

Aber was könnte die Börse aus ihrer Lethargie reißen?

Ein Befreiungsschlag für die Börse wäre die von EZB-Präsident Mario Draghi angestrebte Ausweitung der Bilanzsumme der Notenbank um 1 Bill. Euro auf 3 Bill. Euro. Zu diesem Zweck denkt er an einen Mix aus dem Ankauf von Langfristkrediten und Pfandbriefen sowie an Kreditverbriefungen über mindestens zwei Jahre. Ob die EZB-­Bilanzsumme aber mit solchen Maßnahmen auf die angestrebte Höhe katapultiert werden kann, erscheint sehr fraglich. Schon die Nachfrage nach Langfristkrediten blieb mit gut 80 Mrd. Euro weit unter den Erwartungen. Und die Märkte für Pfandbriefe und Kreditverbriefungen sind nicht sehr ergiebig.

Bleibt für die EZB die Möglichkeit, Staatsanleihen anzukaufen. Ende Januar könnten die Weichen entsprechend gestellt werden.

Ich bezweifle, dass der Ankauf von Staatsanleihen so schnell kommt. Sicherlich, die Mehrheit im EZB-Rat ist dafür, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass Draghi letztlich die Bedenken einiger nordischer Ratsmitglieder – vor allem aus den Reihen der Bundesbank – einfach negieren wird. Die Bundesbank wird aber nur zustimmen, wenn sich die Konjunktur signifikant verschlechtert und eine Deflation für den gesamten Euroraum droht. Dies hat auch Draghi jüngst als Bedingung genannt. Zunächst hofft er aber auf die konjunkturheilende Kraft der Euroabwertung.

Sollten die Kräfte der Abwertung – über die Exporte – nicht greifen und in der Eurozone ein Rückfall in die Rezession und möglicherweise eine Deflation drohen, so wäre das aber Gift für die Börse.

Sicherlich, aber nur vorübergehend. Wenn es Draghi tatsächlich gelingen sollte, die Bilanzsumme der EZB wunschgemäß zu steigern, würde das mittel- und langfristig sehr positive Auswirkungen auf die Börse haben – ähnlich wie das Quantitative Easing in den USA.

Das Börsenjahr 2015 steht vor der Tür – wie wird sich der Dax durchs neue Jahr bewegen?

Sehr volatil. Von der Binnen­konjunktur und den anhaltend niedrigen Zinsen dürfte der
Dax im kommenden Jahr etwas Rückenwind erhalten. Gefahren könnten aber mit Blick auf die amerikanischen Anleger zunächst noch von einem weiter abwertenden Euro drohen. Ferner wird in Griechenland, wo die eurofeindliche Linke stark ist, gewählt. Sollten die Helenen aus dem Euro austreten, dürfte das wegen der engen finanziellen Verflechtungen für Turbulenzen sorgen. Aber auch in Italien macht sich angesichts der wirtschaftlichen Lage auch in einflussreichen Wirtschaftskreisen zunehmend Euroskepsis breit, was derzeit noch kaum thema­tisiert wird. Da könnte sich ein ernstes Problem aufbauen.

Viele Unwägbarkeiten also.

Hinzu kommt noch eine Gefahr, die niemand auf dem Radar hat: ein unerwarteter Anstieg der ­Inflation, besonders in den USA. Angesichts der dort sehr gut laufenden Konjunktur ist dies nicht völlig ausgeschlossen. Dann würden die US-Zinsen schneller anziehen, was weltweit die nach wie vor gegebenen erheblichen Verschuldungsprobleme auf den Tisch bringen würde. Dies wäre Gift für die Aktienkurse. Langfristig kann man aber sagen, dass eher am Obligationenmarkt eine Blase entstanden ist als am Aktienmarkt.

Das Interview führte

Dieter W. Heumann

17.01.2015 | 22:08

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