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DAX: Wann kommt der Crash?

Der nächste Crash kommt bestimmt – aber wann? Der Dax pendelt um die 12 000er-Marke – aber ist die Lage schon kritisch? Norbert Betz, Leiter der Handelsüberwachung der Börse München, analysiert die Situation.

Kaum legte der Dax eine kleinere Pause auf seinem Weg nach oben ein, sprachen die ersten Auguren von einem möglichen „Platzen einer Blase an den Aktienmärkten“. Andere sahen einen „Crack-up-Boom“, eine „Katastrophen-Hausse“. Und Dritte nutzten die gefallenen Kurse zum Wiedereinstieg. Insofern ist es angebracht, einmal zu analysieren, welche Faktoren eine Blase beschreiben und auf was es zu achten gilt, um sich vor den Folgen eines Crashs zu schützen. Und was verbirgt sich hinter einem Crack-up-Boom?

Den Hintergrund zu einer Katastrophen-Hausse bildet die prinzipielle Frage, ob ein Boom an den Aktienmärkten von positiven fundamentalen Daten – Unternehmensgewinnen, Konjunkturdaten, Innovationsschüben – getragen wird oder ob er aus einer Flucht in Sachwerte aus Sorge vor einer schleichenden Geldentwertung resultiert. Zurückzuführen ist der Begriff auf Ludwig von Mises, neben Böhm von Bawerk und Hayek einer der renommiertesten Vertreter der österreichischen Schule der Natio­nalökonomie. Er beschrieb die Effekte, die ein marodierender Geldwert auslöst: Der Verlust des Vertrauens in den Wert des Geldes führt dazu, dass schlechtes Geld in Sachwerte wie Immobilien, Edelmetalle, Grundstücke, Wald, Rohstoffe und eben auch Aktien getauscht wird.

Deren Wert steigt deshalb. Das führt zu einer problematischen Umverteilung, denn nur Vermögende haben überhaupt die Möglichkeit zu diesem Tausch. Man könnte es auch so ausdrücken: Es findet eine Umverteilung von fleißig (arbeitender Bevölkerung) zu faul (anlegender Bevölkerung) statt. Sparen lohnt sich nicht, der Arbeitslohn wird konsumiert. Wenn aber die Grundpfeiler der wirtschaftlichen Vernunft, Fleiß und Sparen, ausgehöhlt werden, dann führt das geradezu zwangsläufig in eine große Depression und eine Verarmung weiter Teile der Bevölkerung. So weit von Mises – und er kannte die Geldpolitik der EZB noch gar nicht!

Keine Hilfe für Euro-Südstaaten

Denn diese Geldpolitik der EZB – niedriger Zinssatz und Ankauf von Anleihen – führt zu einer Ausdehnung der Geldmenge, zu einem Verfall der Währung und einer Flucht in Sachwerte, wie steigende Immobilienpreise und Aktienkurse deutlich dokumentieren. Sie führt im Übrigen nicht zu einer Ausweitung der Kredite an Unternehmen, die mit diesen sinnvoll wirtschaften, und damit auch nicht zu einer Verbesserung der Wirtschaft in den schuldengeplagten südlichen Eurostaaten.

Also doch eine ungesunde Blasenbildung? Damit eine Blase platzen kann, ist ein gewisses Volumen Voraussetzung, das weiß jeder, der gern Kaugummis isst. Auf den Aktienmärkten steckt dann jede Menge Gier, ein rational nicht mehr nachvollziehbarer Kaufrausch in einer solchen Bubble. Das bedeutet leider auch, dass ein Crash immer eine ganze Menge Anleger trifft, das ist systemimmanent. Alle gut gemeinten und hoch bürokratisch von Regulierern ersonnenen und durchgeführten Anlegerschutzprogramme können weder die Entstehung noch die Folgen von Blasen vermeiden.

Uns allen ist neben dem Untergang des Neuen Marktes im Jahr 2000 noch die Subprime-Krise in den USA in leidvoller Erinnerung. Auch damals sahen nur wenige die aufziehenden Gewitterwolken. Billiges Geld, Hauskredite ohne Sicherheiten, eher sinnfreie staatliche Eingriffe, neue „innovative“ Finanzprodukte, die kritische Kredite zusammenmixten und weiterreichten – so ziemlich alle typischen Merkmale einer Blase waren hier vertreten.

Es gibt untrügliche Kennzeichen für ein Zusteuern der Märkte auf die Katastrophe. Wenn Bevölkerungskreise, die auf Anhieb nicht mit der Aktienanlage in Verbindung gebracht werden, die Börse zum Thema Nummer eins erklären. Und Medien dies aufgreifen, die sich ansonsten eher für ganz andere Dinge interessieren als Wirtschaft. Dafür hat sich der Begriff der „Dienstmädchen-Hausse“ eingebürgert, auch wenn das heute keine wirklich opportune Namensgebung mehr ist. Noch ein Zeichen ist, wenn ein immer größerer Anteil an Wertpapierkäufen auf Kredit erfolgt.

Die Vorboten einer Überhitzung

Ein weiteres Indiz für Märkte kurz vor dem Kollabieren sind spektakuläre Firmenübernahmen. Gern übernehmen dabei kleinere Betriebe sehr viel größere Firmen und finanzieren die Akquisition über den Kapitalmarkt. Auch eine fast exponentiell ansteigende Anzahl von Börsengängen von Gesellschaften mit oftmals nur schwer nachvollziehbarem Geschäftsmodell und eher übersichtlichen Gewinnen in der Vergangenheit sind ein untrügliches Signal für eine Überhitzung an den Märkten.

Und zum Schluss: In normalen Hausse-Phasen an der Börse gibt es immer Titel, die weniger gut laufen oder sich sogar im Minus bewegen. Doch wenn selbst solche „Lame Ducks“ plötzlich eine völlig unrealistische Performance aufweisen, dann ist Vorsicht geboten. Wenn diese Kriterien – nicht immer alle, aber doch mehrere – zutreffen, dann ist der Markt fragil geworden, und jetzt reichen auch kleinere Probleme oder Unsicherheitsfaktoren, um ihn nach unten zu reißen, und der nächste Crash ist da.

Befinden wir uns nun in einem Zustand der Blasenbildung, sollten wir das baldige Detonieren bereits im Kopf haben? Ja und nein! Ja zum Beispiel bei den Anleihemärkten und bei Immobilien. Denn weder bei Anleihen noch bei Immobilien in bester Lage ist bei genauerem Hinsehen noch mit einer vertretbaren Rendite zu rechnen – und trotzdem wird gekauft auf Teufel komm raus. Anders sieht es meiner Meinung nach bei den Aktienmärkten aus. Hier ist noch Luft nach oben, betrachtet man wichtige Kennzeichen, vom Kurs-Gewinn-Verhältnis bis zur Marktkapitalisierung großer, gerade auch deutscher Unternehmen. Den Anstieg auf über 12 000 Punkte beispielsweise verdankte der Dax zu einem guten Teil den üppigen Dividendenausschüttungen der vergangenen Jahre – und die waren ganz überwiegend gedeckt durch die Unternehmensgewinne. Rechnet man bei den Dax-Werten überdies das schlechte Euro-Dollar-Kursverhältnis ein, so sind Dax-Titel für ausländische Dollar-Investoren derzeit geradezu Schnäppchen.

Angesichts des nach wie vor üppig vorhandenen Geldes – und die EZB wirft eifrig weitere Milliarden auf den Markt – ist kurzfristig mangels Alternativen und einer kontinuierlichen Nachfrage viel Druck im Kessel an den Aktienmärkten. Denn in der derzeitigen Situation bieten Aktien, neben Rohstoffen, die einzige ernsthafte Alternative, um keinen realen Vermögensverlust hinnehmen zu müssen.

16.06.2015 | 07:25

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