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Dividenden-Stars

Aktien

Viele Blue Chips verwöhnen ihre Aktionäre derzeit mit hohen Ausschüttungen. Doch eine Dividendenstrategie – so interessant sie momentan klingt – hat auch ihre Schattenseiten.

Weil festverzinsliche Wertpapiere kaum noch Rendite bringen, drängen die Investoren nun auf die globalen Aktienmärkte. Zu Beginn des Jahres lag die Dividendenrendite des Weltaktienindex MSCI World Index laut Bloomberg bei 2,7%. Anleihen mit einer guten bis sehr guten Bonität lieferten gemessen am Bank of America Merrill Lynch Global Corporate Index hingegen lediglich eine Rendite von 2,6% – eine ungewöhnliche Konstellation: „Die Dividendenrenditen sind zum ersten Mal seit Generationen höher als die Renditen von Staatsanleihen. Das ist ziemlich aufregend“, so Richard Turnill, Portfoliomanager des BlackRock Global Dividend Income Fund, in einer Analyse.

Noch spannender ist die Situation vor unserer Haustür: Weil die deutschen Topkonzerne in diesem Jahr so viel Geld an ihre Anteilseigner überweisen wie noch nie zuvor, gerät gerade hierzulande wieder eine altbewährte Strategie in den Fokus der Anleger. 27,6 Mrd. Euro – und damit knapp 1% mehr als im bisherigen Rekordjahr 2008 – werden die 30 Dax-Unternehmen im laufenden Jahr laut der Unternehmensberatung Ernst & Young ihren Aktionären gewähren.

Wer will sich das in Zeiten von Mini-Zinsen schon entgehen lassen? Zumal die Stärke der heimischen Wirtschaft andauern sollte: „Die nochmalige Steigerung der Ausschüttungssumme zeigt, dass die gute Entwicklung der Dax-Konzerne keineswegs ein Strohfeuer ist – die Mehrheit der Unternehmen erweist sich trotz der schwierigen Konjunkturlage als stabil und zukunftsfähig“, so Ernst&Young-Partner Thomas Harms. Weil es naturgemäß jedoch nicht bei allen Firmen so rund läuft, liegt eigentlich nichts näher, als sich auf die zu konzentrieren, die die höchsten Dividenden zahlen.

Als Vater dieser Vorgehensweise gilt der legendäre Wirtschaftswissenschaftler Benjamin Graham. Er vertrat vehement die Auffassung, dass eine Aktie nur anhand der fundamentalen Kriterien bewertet werden kann, und entwickelte die sogenannte Dividendenstrategie. Sie sieht vor, jeweils die zehn Aktien aus dem Dow Jones mit der höchsten Dividendenrendite zu kaufen und ein Jahr lang zu halten. Für diese relativ einfach umsetzbare Strategie spricht, dass gemäß wissenschaftlichen Studien der größte Teil von Aktienerträgen nicht aus Kurssteigerungen, sondern aus Dividenden resultiert. Es verwundert daher kaum, dass die Zahl der Produkte, die dem Anleger eine fertige Dividendenstrategie liefern, laufend wächst.

Die Vermögensberatungsgesellschaft Hinder Asset Management hat diese nun unter die Lupe genommen. Zumindest für die jüngere Vergangenheit sind die Ergebnisse jedoch ernüchternd: Demnach übertrafen Strategien, die sich vor allem auf die Dividendenrendite konzentrieren, die klassischen Indizes im Zeitraum 2007 bis 2012 nicht. Insbesondere in Europa zeigten sie sogar eine deutlich schlechtere Performance. Die Finanzkrise hat also auch hier einiges durcheinandergewirbelt.

Dabei hatte sich die O’Higgins-Strategie in der Vergangenheit – beispielsweise nach Recherchen des Schweizer Wirtschaftsmagazins „Bilanz“– vor allem beim Dow Jones tatsächlich bewährt: „Nur viermal zwischen 1973 und 1995 konnte ein Portfolio, das nach diesen Regeln zusammengestellt war, den Index nicht schlagen. In den übrigen Jahren resultierte eine durchschnittliche Rendite von rund 20%, während der Dow Jones nur 10,9% erwirtschaftete.“ Auch andere Studien belegen eine Outperformance der Dividendenstrategie über diverse Zeiträume und für unterschiedliche Märkte. Eines legen jedoch alle neueren Untersuchungen nahe: In Krisenzeiten sind die Verluste höher als die der Benchmark.

Dies bestätigen beispielsweise Analysen von „Finanztest“: Nach Berechnungen der Stiftung Warentest verlor der Dax in den Jahren von 2000 bis 2010 durchschnittlich 1,2% pro Jahr. Der Dividendenindex hätte dagegen pro Jahr um 3,4% zulegen können. Absolut betrachtet entwickelte sich der DivDax in dem Zehn-Jahres-Zeitraum um mehr als 40 Prozentpunkte besser als der Dax. Trotzdem warnt Stiftung Warentest davor, den DivDax als Ersatz für eine sichere Zinsanlage zu betrachten.

Begründet wird dies mit den möglichen Kursverlusten. Dass dies nicht völlig von der Hand zu weisen ist, zeigt eine Betrachtung des zurückliegenden Crashs: In der Finanzkrise halfen auch Dividenden nicht. Im Jahr 2008 verlor der Index mit den 15 dividendenstärksten deutschen Standardwerten mit einem Minus von 45% noch mehr als der Dax selbst (minus 40%). Zu diesem Zeitpunkt befanden sich überproportional viele Versicherungskonzerne und Banken in dem Auswahlindex.

Das liegt auch an der Systematik des Auswahlkriteriums: Steckt ein Unternehmen in Schwierigkeiten, fällt in der Re-gel der Kurs, was automatisch zu einer steigenden Dividendenrendite führt. Auch die Problematik eines in Bedrängnis geratenen Geschäftsmodells wird von der Dividendenstrategie nicht erfasst. Die einfache Methodik hat also auch ihre Schattenseiten.

Dies zeigen zwei aktuelle Beispiele. Die bisherigen Dividenden-Stars Deutsche Telekom und E.ON haben angekündigt, ihre Ausschüttungen deutlich zu reduzieren. Beide Titel mussten in der Folge herbe Kursabschläge hinnehmen. Die Spezialisten von Hinder Asset Management empfehlen daher, „im Zweifelsfall eher einen ETF auszuwählen, der auf einem klassischen Börsenindex beruht“. Eine interessante Alternative zum beliebten Dax sind dabei breite europäische Benchmarks: Einer aktuellen Studie zufolge lag deren Dividendenrendite Ende Februar 2013 bei durchschnittlich 3,5% (Basis: MSCI Europa).

Generell gilt zudem, dass Untersuchungen stets die Vergangenheit widerspiegeln. Zwar hat sich die Dividendenstrategie in Zeiten der Finanzkrise nicht mehr bewährt, das könnte sich aber in absehbarer Zukunft wieder umkehren. Sollte es nämlich doch zu einem signifikanten Anstieg der Inflation kommen, dürfte dies eine dividendenorientierte Aktienauswahl begünstigen: „Mehrere Studien haben einen positiven Zusammenhang zwischen Inflation und der Höhe der Dividenden deutlich gemacht“, so Tobias Basse, Aktienstratege der Norddeutschen Landesbank (NordLB), in einem Interview mit der „Wirtschaftswoche“.

bas

21.06.2013 | 13:26

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