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Geldanlage in der Krise – was lohnt sich noch?

Das Jahr 2022 war für Anleger herausfordernd bis katastrophal. Verluste abhaken und nach vorne sehen? Wahrscheinlich die beste Haltung, aber einiges lernen kann man aus den bitteren Erfahrungen schon für 2023.
 
„Papiere, die man verkauft hat, darf man nie wieder ansehen“, lautete eine Weisheit des legendären Börsengurus André Kostolany. Der gebürtige Ungar wusste, wie man verletzte Egos und Seelen schützt: Denn der Blick auf gerupfte Depots und verflossene Werte kann depressiv machen. Wer 2022 angesichts von Krisen, Krieg und Inflation zu den Verlierern gehörte, kann den Blick zurück allerdings gut nutzen, um für 2023 gerüstet zu sein. Was aber waren die Investmentklassen, die sich noch am besten gehalten haben? Und was verspricht im kommenden Jahr einen auskömmlichen Ertrag?
 
Grundsätzlich unterscheiden Experten zwischen zahlreichen Gattungen von Geldanlagen (englisch: „Assets“), die alle unterschiedliche Charakteristika zeigen. Beispielsweise jederzeitige Verfügbarkeit bei der einen Anlage, hohe Chancen bei hohen Risiken bei der anderen, solide Langfristerträge bei einer weiteren. Bei den Deutschen weiterhin erstaunlich beliebt: Das Sparkonto, also reine Geldreserven; zunehmend Aktien, Immobilien und festverzinsliche Wertpapiere. Und natürlich Kryptowährungen. All dies auch in Form von Investmentfonds oder den sogenannten „ETF“, die es in unübersehbarer Vielfalt gibt. Es handelt sich dabei um Fonds, die Wertpapiere unterschiedlicher Art, Branchen und Gattungen enthalten, und deren „Inhalt“ sich am Index solcher Papiere orientiert.
 
Um es kurz zu machen: Die Anlageklasse Aktien und Aktienfonds, hat ein böses Jahr 2022 hinter sich. Aber nicht nur die. Natürlich, Aktien gelten als Langfristanlage und Rückschläge sollten Anleger nicht gleich aus der Ruhe bringen. Aber ein Jahr mit einem Minus von derzeit rund zehn Prozent beim wichtigsten deutschen Aktienindex, dem DAX, ist schon deutlich. Wobei nur ein Kursaufschwung Ende November die Bilanz noch etwas verbessert hat. Beim Index der mittelgroßen Unternehmen sieht es wie auch bei Technologiewerten nochmals schlechter aus: Minus 20 Prozent in etwa der Stand Anfang Dezember. Aber: „Dennoch gab es auch bei den kleineren Aktientiteln besonders krisenfeste Unternehmen, die sich im herausfordernden Jahr 2022 gut behauptet haben und sich durch hohe Qualität und konsistente Dividendenzahlungen auszeichnen“, sagt Michael Lichter, Leiter Aktienanlage bei der Fondsgesellschaft Lupus Alpha. Kluge Auswahl ist also gerade in schlechteren Zeiten wichtig. Nicht allen Fonds gelingt das natürlich, daher sind auch Aktienfonds 2022 im Allgemeinen nicht die Sieger im Ranking der Anlageklassen. Gut dran, wer auf die richtige Branchenauswahl gesetzt hat: „2022 stehen Rohstoffaktien und sogenannte Defensivwerte, also Pharma und Nahrungsmittel auf dem Treppchen“, sagt Jürgen Pieper, Aktienspezialist beim Frankfurter Bankhaus Metzler.
 
Gift für die Unternehmensbeteiligung in Form von Aktien sind und waren vor allem die hohen Inflationszahlen, damit einhergehend ein strikterer Kurs der Notenbanken bei der Zinsgestaltung. Höhere Leitzinsen und darauffolgend teurere Kredite belasten besonders jüngere Unternehmen, die auf umfassende Finanzierungen angewiesen sind, etwa aus dem Technologiesektor. Umgekehrt sind Firmen, die sich auf Rohstoffe konzentrieren, also Rohstoffaktien, unter den Gewinnern des Jahres. Zusätzlich zur positiven Kursentwicklung machte sich hier für Anleger der starke US-Dollar bemerkbar. Der Rohstoff-Preisindikator, der CRB-Index, zeigt dieses Jahr bislang einen mehr als deutlichen Kursanstieg von 22 Prozent.
 
Bei Anleihen zeigte sich 2022 im Jahresverlauf ein gespaltenes Bild. Mit der Zinswende Mitte des Jahres begannen die Renditen zu steigen – nach Jahren der „Null“ bringen deutsche Staatsanleihen derzeit wieder rund 1,8 Prozent. Stärker stiegen die Renditen bei Anleihen der europäischen Peripherie (wie etwa Italien), ein Sonderfall mit gewaltigen Renditehochs sind britische Anleihen. Insgesamt stehen die Kurse am Rentenmarkt weiterhin unter starkem Druck. Angesichts der zweistelligen Inflationszahlen waren europäische Anleihen mit Kursverlusten von durchschnittlich gut fünf Prozent unter den Verlierern 2022.
 
Relative Stärke bewiesen bislang offene Immobilienfonds. Der Boom am Immobilienmarkt allerdings ist vorbei, seit sich steigende Zinsen bei Hypotheken bemerkbar machen – eine Verdreifachung binnen weniger Monate - und eine Marktsättigung einzutreten scheint. Waren Immobilien während der Coronazeiten noch einem hohen Preisanstieg ausgesetzt, sind die Nachfrage und damit die Erträge inzwischen rückläufig. Einfluss haben auch hier neben der Zinswende Mitte des Jahres vor allem die stark gestiegenen Energiepreise, und damit die Verteuerung nahezu aller Baustoffe.  Mieterträge sind angesichts dessen und der hohen Inflation für Alltagsgüter ebenfalls unter Druck, obwohl die Nachfrage nach Mitwohnraum eher noch steigt. Derzeit gehen die Pfandbriefbanken in Deutschland noch von einer Preissteigerung um die sechs Prozent für 2022 aus. Die Tendenz aber zeigt eindeutig nach unten.
 
Beliebt als vermeintlich sichere Anlage: Gold. 2022 hätte ein Goldjahr werden sollen, geht man von der Haupteigenschaft des Edelmetalls als sicherer Hafen in Krisenzeiten aus. Trotz ernster Krisenlagen weltweit aber endet das Jahr für Gold wohl in etwa so, wie es begonnen hat, vermutlich steht am Ende sogar ein Minus von etwa drei Prozent zu Buche. Im Jahresverlauf gab es lediglich ein kurzes Hoch im März bei 2030 Dollar je Feinunze (ca. 31,1 Gramm). Derzeit schwankt Gold um die 1800-Dollar-Marke. Damit funktionierte die Anlage in Gold diesmal auch nicht als Absicherung gegen die Inflation – denn dann hätte es 2022 eine zweistellige Wertsteigerung geben müssen. Im Gegenteil leidet Gold nun auch unter der Steigerung bei den Transaktions- und Aufbewahrungskosten.
 
Kühnheit kann sich bezahlt machen, muss es aber nicht. Bei Kryptowährungen zeigt die Kurve steil bergab. Erschüttert durch zahlreiche Skandale, von denen die meisten noch auf ihre Aufklärung warten, fiel der Kurs des Bitcoin wie auch des Ether gegenüber dem US-Dollar 2022 um sage und schreibe 70 Prozent. Bei einigen anderen, weniger bekannten Kryptowährungen, etwa dem Solana, geht der Verlust teils gegen 95 Prozent. Zuletzt hatten die Pleite und Betrugsvorwürfe in Zusammenhang mit der Krypto-Anlageplattform FTX dieser Anlageklasse einen weiteren schweren Schlag versetzt. Das Investieren in diese Kryptomärkte ist eindeutig etwas für Anleger mit Toleranz für Totalverlust.
 
Klarer Gewinner unter den Geldanlagen ist somit für 2022 der Rohstoffsektor – sei es in Form von Aktien der Lieferanten, der rohstoffverarbeitenden Industrie, des Handels oder der Ausrüster. Es gab hier starke Unterschiede – Gas liegt vorn, Rohöl folgt mit Abstand. ETFs auf den CRB-Index, also mit einem Korb solcher Investments haben daher überdurchschnittlich zugelegt. Mit Immobilien ließ sich 2022 ebenfalls noch etwas verdienen.
 
Angesichts der weltweiten Unsicherheiten, die in naher Zukunft nicht geringer werden dürften, fällt auch Experten ein Ausblick auf 2023 nicht ganz leicht. Die Aufstellung für das zu Ende gehende Jahr zeigt aber schon ein wenig in die richtige Richtung. Rohstoffe bleiben begehrt, auch wenn die Preisspitzen zunächst vorbei sein sollten. Mit überlegter Aktienauswahl können Anleger sich zumindest von allzu großen Verlusten fernhalten. Jürgen Pieper: „Im kommenden Jahr glaube ich eher an sogenannte Frühzykliker, also Autos und Konsumgüter wie Adidas oder Puma.“ Diese Einschätzung basiert auf der Annahme, dass es in der zweiten Jahreshälfte 2023 gelingt, die Inflation weitgehend in den Griff zu bekommen und gleichzeitig eine Rezession zu vermeiden. Andere sehen es ähnlich: „2023 könnten sich Aktien als die Überraschung unter den Anlageklassen herausstellen. Schaut man auf die erfolgten Abschläge und die aktuellen Bewertungen bei Aktien, gab es sicherlich in den letzten 10 Jahren nur wenige günstigere Einstiegsmöglichkeiten in Aktien als jetzt“, sagt Michael Lichter von Lupus Alpha: „Und dies gilt, selbst wenn der Markt zwischenzeitlich noch weitere Verluste hinnehmen sollte. Als langfristiger Anleger bietet sich damit die Gelegenheit, sich jetzt schon mal für die Zeit nach der Krise zu positionieren. Das gilt insbesondere für Nebenwerte mit ihren günstigen Bewertungen, gerade im Vergleich zu Large Caps.“ Dies spiegelt die tendenziell höheren Verluste bei den Nebenwerten im ablaufenden Jahr. Einfach nur Aktien kaufen und sich zurücklehnen und abwarten, so einst ebenfalls eine Empfehlung von Börsen-Altmeister Kostolany, ist heute keinesfalls die richtige Strategie.

Staatsanleihen dürften unter Druck bleiben, der Immobilienmarkt ebenso. Bei Gold sehen die Beobachter immerhin wieder die 2000-Dollar-Marke in Sichtweite, vor allem, wenn die Inflation zurückgehen wird. Insgesamt rechnen Ökonomen mit einer weiterhin schwierigen Situation. Für die Experten von Helaba Research gilt sogar eine Rezession in Europa und den USA als wahrscheinlich: Stichworte sind Ukraine, Nachwehen von Corona, Inflation, Lieferkettenprobleme und Schwäche der Schwellenländer mit möglichen Staatsschuldenkrisen, und nicht nur dort, sondern auch in den Peripherieländern Europas. Wer versuchen sollte, dies lediglich auszusitzen, wird angesichts der Inflation jedenfalls um eine Schrumpfung seines Vermögens kaum herumkommen.
 
Reinhard Schlieker

02.12.2022 | 13:24

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