Braucht es die rettende Hand des Staates wirklich? (Foto: Hadi Khandani)

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Wie viel Staat darf es denn sein?

Der Unternehmer und Lufthansa-Großaktionär Thiele will Alternativen zum Staatseinstieg prüfen. Dafür gebührt ihm das Bundesverdienstkreuz.

An der Tür eines Gerichtsraumes würde folgendes Schild stehen: Das Land gegen Heinz Hermann Thiele, Verhandlungsbeginn ist der 25. Juni, 10 Uhr. Es geht um den Streit darüber, ob der Miteigentümer eines Unternehmens, das vor dem Ruin steht, erlauben sollen, dass der Bund bei ihm einsteigt und dafür das Unternehmen vor der Pleite bewahrt. Einer der Besitzer, eben jener Herr Thiele, gestandener Unternehmer und Lufthansa-Großaktionär, stellt das in Frage. Schon allein dafür gebührt ihm ein Orden. Das angestellte Management um Lufthansa-Chef Carsten Spohr und die Bundesregierung in diesem Fall vertreten durch Finanzminister Olaf Scholz verteidigen das Vorgehen. Am 25. Juni, bei der Hauptversammlung der Fluglinie, wird abgestimmt, wie es weitergeht. Der Prozess dreht sich in Wahrheit nicht nur um die Lufthansa, sondern um die Frage: Wieviel Staat brauchen deutsche Unternehmen nach der Krise?

Der Staat als „big spender“

Die glasklare Antwort muss lauten: gar keinen - was aus Sicht des sozialdemokratischen Finanzministers natürlich nicht geht. Scholz sieht es als seinen Auftrag an, das „Soziale“ in der Marktwirtschaft hervorzuheben. Gerade in der beginnenden Nach-Corona-Zeit greift die rettende Hand des Staates ein und lindert die katastrophalsten Folgen. Dahinter steckt ein soziales Verständnis und die Erkenntnis, dass die SPD nach Jahren des Niedergangs und fehlender Themen, nun endlich zeigen kann, wofür sie gut ist. Und natürlich haben der Finanzminister und mit ihm die große Koalition in Berlin auch gute Argumente: Wenn der Staat nicht in die Rolle des „big spenders“ schlüpft, drohen Folgen für das soziale Gefüge im Land, die weitaus schlimmer – und teurer – sein werden, als das 130 Milliarden-Konjunkturpaket, das jetzt auf dem Tisch liegt.

Dennoch sind die Effekte, die die Staatseingriffe auslösen, immens. Die Lufthansa liefert dafür ein Paradebeispiel. Die neun Milliarden Euro, die Scholz investiert, um die Lufthansa zu retten, sind nur dann gut angelegtes Geld, wenn der Konzern es damit schafft, wieder zu gesunden. Siecht die Fluglinie dahin, ist die Investition verloren. Die Erfahrungen, die der Bund mit seinem Milliarden-Engagement bei der Commerzbank gesammelt hat, lassen grüßen.

Um zu gesunden, wird die Lufthansa aber Entscheidungen treffen müssen, die der Staat als Miteigentümer nicht unterstützen kann: Mitarbeiter werden gehen müssen. Ökologisch zweifelhafte, aber ökonomisch sinnvolle Kurzstrecken werden erhalten bleiben, was den Klimazielen, die sich die Bundesregierung vorgenommen hat, widerspricht. Ein Ringen über Steuermodelle, die dem Unternehmen helfen, dem Staat aber ein Dorn im Auge sind, hat schon eingesetzt.

Pleiten sind keine Weltuntergänge

Dass angesichts dieser Entwicklung mit Heinz Hermann Thiele der größte Anteilseigner der Lufthansa, die Notlandung ins Auge fasst, ist nicht nur nachvollziehbar, sondern ein Fall von Notwehr. Zwei Alternativen zum Staatseinstieg muss die Airline prüfen: Erstens könnte das passieren, was an sich die Regel ist: die Pleite. Sie ist nach zahlreichen Modernisierungen im Insolvenzrecht nicht mehr das Aus, der Untergang oder das Chaos. Vielmehr bestünde sie im Fall der Lufthansa aus einem
Schutzschirmverfahren, das eigens für an sich gesunde Unternehmen gedacht ist, die unverschuldet in Not geraten sind. Das Management würde in diesem Fall unter Aufsicht eines Sachwalters weiter die Geschäfte führen, das Unternehmen könnte sich im großen Stil alter Schulden entledigen und Tarifverträge neu verhandeln. Alle vor der Insolvenz gebuchten Tickets würden ihre Gültigkeit verlieren. Auch die Aktionäre würden mit großer Wahrscheinlichkeit alles verlieren. Derzeit operiert beispielsweise die Ferienfluggesellschaft Condor unter so einen Schutzschirm. Auch in diesem Fall wären Hilfen seitens des Staates nötig: Allerdings genügten voraussichtlich Kreditbürgschaften und es bräuchte keine Teil-Verstaatlichung des Unternehmens.

Ein Fall für die Banken

Die Alternative dazu liegt zweitens von vornherein in Krediten, die staatlich abgesichert sind, so dass private Banken bereit sind, mitzumachen. Der Mobilitätsanbieter Sixt hat so ein Modell gewählt, als vor zwei Monaten absehbar wurde, dass das Unternehmen ohne Hilfe gegen die Wand fahren würde. Ein Konsortium unter Führung der staatlichen KfW fand sich zusammen, um rund anderthalb Milliarden Euro für den Autovermieter bereitzustellen. Strategie und Geschäftspolitik bleiben damit weiter in der Hand der Unternehmer. Es besteht die Hoffnung, dass Sixt auf diese Weise keine chronisch kranker Dauerpatient wird.

Heinz Hermann Thiele hat diese Diskussion jetzt angestoßen, weil ihn die Alternativlosigkeit, mit der die Debatte über Staatsrettung ja oder nein geführt wird, stört. Als Unternehmer weiß der 79jährige Thiele, dass es immer einen anderen Weg als den einmal eingeschlagenen gibt. Dafür, dass er diesen Denkprozess auslöst, gebührt ihm das Bundesverdienstkreuz.

Oliver Stock

18.06.2020 | 15:48

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