Sony: Wo ist der Knopf zum Neustart?
Einst stand der Name Sony für Gewinne, Innovation und hochmoderne Unterhaltungselektronik. Doch das Unternehmen, das den Walkman erfunden hat, kämpft in mehreren Sparten mit großen Verlusten. Hat Konzernchef Hirai die Lage noch im Griff?
Als Kazuo Hirai vor gut zwei Jahren an die Spitze der Sony Corporation trat, übernahm er ein Unternehmen in Schwierigkeiten. Die Elektronikbranche setzte die Japaner mit immer neuen Innovationen stark unter Druck. Vor allem in den Bereichen Computer und Fernsehen sind die Zahlen schon lange rot. Deshalb kündigte Hirai Anfang des Jahres den Verkauf der Computersparte um die Hauptmarke Vaio an. Die Investmentgesellschaft Japan Industrial Partners Inc. (JIP) bezahlt dafür rund eine halbe Milliarde US-Dollar.Der TV-Bereich wird bis Juli 2014 abgespalten, in eine eigene Gesellschaft ausgegliedert und dort weitergeführt. Eine vollständige Abgabe ist nicht auszuschließen. Für Erleichterung sorgten die Bekanntgaben unterm Strich nicht: Kunden mieden die PC-Produkte von Sony. Für das kürzlich abgelaufene Geschäftsjahr 2013/14 musste die ohnehin erschreckende Verlusterwartung von 775 Millionen Euro auf 916 Millionen korrigiert werden. Vorfreude auf die Geschäftszahlen, die Sony Mitte Mai bekannt geben will, hat wohl kaum jemand.
Der 53-jährige Hirai muss also mehr denn je um das Vertrauen der Aktionäre kämpfen. Sein ursprünglicher Rettungsplan von 2012 sah eine Aufholjagd im Handygeschäft vor. „Sony wird sich wandeln", sagte Hiraidamals in Tokio. „Sony war immer eine Firma mit Unternehmensgeist, daran wird sich nichts ändern." Gerade die Konkurrenz im Mobilbereich ist aber riesig. Gegen Konzerne wie Samsung als Marktführer und Apple als Trendsetter gewinnt man nur schwer an Boden. Gleichzeitig feiern vor allem in Schwellenländern die Produkte günstiger Hersteller zunehmend Erfolge. Dennoch ist die Mobilsparte inklusive Tablet-PCs eine der drei Säulen, auf die Kazuo Hiraiin Zukunft bauen will.
Dazu kommen Kameras und Videospiele – da sieht es für sein Unternehmen schon besser aus.Die Japaner sind Marktführer im Bereich der Bildsensoren und produzieren Kameras für Profis wie für normale Konsumenten. Und Konsolen sind bei Sony ein ganz eigenes Thema. Mit der PlayStation-Reihe erhielt die Branche der Unterhaltungselektronik neue Maßstäbe. Zuletzt erzielte die „PlayStation 4“ Verkaufszahlen in Höhe von 7 Millionen Stück, dominiert das Segment somit klar vor Microsofts „xBoxone“ – Start des multifunktionalen Geräts war erst vor sechs Monaten. Insgesamt lieferte PlayStation einen Gewinn von 172 Millionen Dollar, was einer Steigerung von 64,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Zu der Konsolensparte zählen neben der PlayStation 4 auch das Vorgängermodell PlayStation 3, die tragbare PS Vita und der PlayStation Store.
Bezeichnend also, dass Kazuo Hirai ausgerechnet in dieser Abteilung die Karriereleiter hinaufstieg: 1995 begann er, für Sony Computer Entertainment zu arbeiten. Zwölf Jahre später stand er selbst an der Spitze der Unternehmensgruppe. Sein maßgeblicher Anteil am Erfolg der PlayStation-Reihe und an Sonys Einstieg in den Markt für Computerspiele hat ihn zu einem verdienten Manager im Konzern gemacht. Über mehrere Zwischenstationen löste er 2012 schließlich Howard Stringer ab, der Sony sieben Jahre lang geführt hatte. Grund für den Wechsel waren Rekordverluste über 4,6 Milliarden Euro.
Die Performance stimmt nicht
Doch bislang hat Kazuo Hirai seine Versprechen nicht wirklich einhalten können. Sony ist längst nicht der Weltmarktführer für Mobilgeräte, muss in diesem Jahr zudem zwei komplette Unternehmensbereiche abstoßen. Ein weiteres Geschäft bereitet nun Probleme: Die Nachfrage nach physikalischen Medien, also zum Beispiel DVDs, sei in Europa „schneller als erwartet" zurückgegangen, teilte Sony mit. Durch die Herstellung von Discs werde man wohl nicht genügend Geld einnehmen, um die Kosten in diesem Bereich decken zu können. Die Folge: Eine Senkung der Prognose für das operative Geschäft, um ganze 70 Prozent auf nur noch 183 Millionen Euro.
Entsprechend enttäuschend performte zuletzt auch die Sony-Aktie, die zum japanischen „Nikkei-Index“an der Tokioter Börse gehört. Mehrfach bremste sie die eigentlich positive Entwicklung des Kursdurchschnitts aus. Anleger zweifeln am Sanierungsplan, also zweifeln sie an der Fähigkeit Kazuo Hirais, seinen mittlerweile schwer angeschlagenen Konzern aus der Krise zu lenken. Das Papier steht derzeit bei umgerechnet 12,65 €, der Kursverlust von 0,6 Prozent scheint glimpflich zu sein. Immerhin hatte Sony schon länger gewarnt, dass mit einigen Restrukturierungsaufwendungen zu rechnen sei. Außerdem wurde die Umsatzprognose um 0,9 Prozent erhöht. Sony wird derzeit mit einer Marktkapitalisierung von 13,3 Milliarden Euro beziffert.
Insgesamt ist Sony ein echtes Sorgenkind der Anleger, Designpreise und die guten Ergebnisse in einigen Geschäftsbereichen stehen im krassen Gegensatz zu den enormen Verlusten. Das bedeutet zwar nicht, dass mit den Japanern in Zukunft nicht mehr zu rechnen ist. Zunächst aber müssen Einige gehen: Die „Restrukturierung“ wird 5000 der weltweit 145.000 Mitarbeiter schwer auf den Magen schlagen, 1.500 davon in Japan. Die Zukunft wird für Sony vor allem von neuen Innovationen und vom Vertrauen der Investoren abhängen. Kazuo Hirai steht natürlich mächtig unter Druck, er scheint den Knopf zum erfolgreichen Neustart noch nicht gefunden zu haben. Schenkt man ihm noch einmal Vertrauen, wenn die anstehenden Geschäftszahlen erst einmal da sind?Der Slogan „make.believe“ ist jedenfalls schon eine Weile Vergangenheit.
Wenigstens in US-amerikanischen Gefängnissen ist Sony noch der absolute Hit: Das tragbare Radio-Modell SRF-39FP ist günstig, sparsam im Energieverbrauch und hat eine durchsichtige Hülle – darin schmuggelt man nichts so leicht. Dazu kommt, dass es auch in den USA Signale aus Korea oder Japan empfangen kann. Aber Achtung: Günstige, moderne MP3-Player drohen auf den Gefängnismärkten die Überhand zu gewinnen.
03.05.2014 | 11:54