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Reise-Aktien: Abstürze nach Putschversuch

Die Sicherheitslage in der Türkei ist seit Monaten angespannt. Der gescheiterte Putschversuch am vergangenen Freitag forderte fast 300 Todesopfer, Panzer rollten durch die Straßen von Istanbul. Urlauber reagieren gelassen, die Aktienmärkte hingegen nervös.

„Landesweit ist weiter mit politischen Spannungen sowie gewaltsamen Auseinandersetzungen und terroristischen Anschlägen zu rechnen. Auch bei Reisen über Land wird zu besonderer Vorsicht geraten“, heißt es in den Reisehinweisen des Auswärtigen Amtes für die Türkei. Wenige Tage nach dem gescheiterten Putschversuch geht die türkische Regierung hart gegen vermeintlich involvierte Personen in Militär-, Justiz- und Verwaltungskreisen vor. Tausende wurden bereits aus dem Dienst entlassen und festgenommen. Urlauber scheint das wenig zu stören: Wie die Nachrichtenagentur „Reuters“ berichtet, war die Lage in den Urlaubsressorts schon am Folgetag des versuchten Coups ruhig, während in Istanbul noch Straßenkämpfe tobten. Nur wenige Gäste wollten demnach vorzeitig abreisen. Nach Schätzungen von Branchenbeobachtern sollen sich mehr als 100.000 Deutsche zu Erholungszwecken in der Türkei aufhalten, wovon dem Bericht zufolge rund 40.000 auf die beiden größten Reiseanbieter TUI und Thomas Cook entfallen. Der Chef der deutsch-türkischen Handelskammer, Jan Nöther, beziffert die Anzahl dem Deutschlandfunk gegenüber sogar auf 200.000 Personen. Deutsche Urlauber sind laut „FAZ“ die größte Touristengruppe in der Türkei, in diesem Jahr seien es allerdings rund ein Viertel weniger als noch im Vorjahr.

Reisegäste von der Türkei konnten am Wochenende oder zum Teil bis Montag eine kostenlose Umbuchung machen, abreisen oder von ihrer Reise zurücktreten. Für die türkische Börse war der Putschversuch ein Schock, für den es keine Rückerstattung gab: Als der Handel am gestrigen Montag wieder aufgenommen wurde, fiel der Leitindex Borsa Istanbul (BIST) 100 um rund sieben Prozent auf weniger als 77.000 Punkte. Am Dienstag gelingt nur eine leichte Erholung um ein Prozent auf gut 77.700 Punkte. Hart getroffen sind jedoch weiterhin zahlreiche Aktien von Unternehmen aus der Reisebranche. Turkish Airlines beispielsweise sackte an der Istanbuler Börse von knapp sechs auf weniger als fünf türkische Lira ab - ein Verlust von fast 18 Prozent. Der Dienstag bringt mit einem Zuwachs von weniger als einem Prozent kaum Erholung. Anteilsscheine von Thomas Cook und TUI verzeichnen einen parallelen Wertverlauf. Die Briten von Thomas Cook, die in den vergangenen Monaten schon wegen der Sorge vor Terroranschlägen in der Türkei einen Buchungsrückgang in Höhe von fünf Prozent hinnehmen mussten, sind in dem Land stärker vertreten als der deutsche Weltmarktführer TUI. 

Badespaß trotz Terrorwarnung?

Vor allem die Airline-Tochter Condor, die Flüge von Deutschland an den Bosporus anbietet, muss leiden. Am Montag verliert die vornehmlich an der Londoner LSE gehandelte Thomas-Cook-Aktie rund vier Pfund an Wert, bevor es am Dienstag sogar über das Niveau von Freitag hinausgeht. Die TUI-Aktie hingegen ist schon seit einer Woche auf Talfahrt und rutschte gestern zwischenzeitlich von über 960 Pfund Sterling am Freitag auf nur noch 937,5 Pfund. Am Dienstag geht es jedoch auch für das deutschstämmige Papier ein wenig aufwärts, ein leichtes Plus auf rund 945 Pfund steht zu Buche. Wie sich das laufende Sommergeschäft für die Tourismuskonzerne entwickelt, ist aus heutiger Sicht noch unklar. Die Ereignisse der vergangenen Monate zeugten von wachsender Instabilität und erhöhter Terrorgefahr, die für Touristen kaum anlockend wirken dürfte. Laut „Reuters“ sind die Buchungen seit den Anschlägen zu Jahresbeginn um bis zu 50 Prozent zurückgegangen, dennoch bleibt die Türkei dem Deutschen Reiseverband das drittbeliebteste Reiseziel. 

Anleger begeben sich bei Reisekonzernen, die die Türkei bedienen, derzeit also auf ziemlich dünnes Eis. Verschärft sich die Lage in dem , kann man schnell einbrechen. Erneute Kursstürze sind dabei vor allem an der Borsa Istanbul kein unwahrscheinliches Szenario. Auch die türkische Wirtschaft könnte von den anhaltenden Unruhen nachhaltig geschädigt werden. Wenn in einigen Monaten die Sommerbilanz feststeht, müssen Anleger ihr Portfolio kontrollieren - und gegebenenfalls die Reißleine ziehen. 

Marius Mestermann

19.07.2016 | 17:35

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