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Wie Neobroker auf ihre Kosten kommen

Trade Republic, Scalable und Co. erhalten Provisonen von Börsen und Anbietern von Finanzprodukten. Das macht sie für Trader günstig. Gilt die alte Regel „Hin und Her macht Taschen leer“ also nicht mehr?

Manchmal fühlt es sich einfach gut an, hergebrachten Regeln ein Schnippchen zu schlagen: „Hin und Her macht Taschen leer“, ist so eine Börsenweisheit, die all denen entgegengehalten wird, die den täglichen Kick an der Börse suchen. Die mit Aktien zocken, wie andere in die Spielbank zu gehen. Die das Parkett mit dem Casino verwechseln. Doch seit rund zwei Jahren taugt die Börsenweisheit allenfalls noch die Hälfte: Es ist noch immer richtig, als Trader Geduld mitzubringen. Das Argument aber, das mit jeder Order Kosten anfallen, zieht nicht mehr so recht. Schuld sind eine Handvoll Broker, die den Handel für wenig Geld oder ganz ohne Kosten für den Trader anbieten. Sie tragen Namen wie Flatex, Scalable, Trade Republic, Just Trade, Gratisbroker, Smartbroker und signalisieren damit: Hier wird’s billig. Doch wie kommen diese Neobroker auf ihre Kosten?

Ein Blick in die Allgemeinen Geschäftsbedingen macht schlauer. Da steht bei Wallstreet:online capital, dem Betreiber von Smartbroker: Wallstreet:online erhalte für die Vermittlung von Finanzprodukten und Wertpapierdepots an den Kunden vom Produktanbieter oder einem Dritten „Zuwendungen in Form von Provisionen und nicht monetären Vorteilen“. Weiter heißt es: „Der Kunde erklärt sich damit einverstanden, dass die Wallstreet:online capital AG die Zuwendungen behält.“

Solche Provisionen sind auch bei anderen Online-Brokern üblich. Es sind in der Regel die Betreiber alternativer Börsenplätze, die den Brokern Provisionen anbieten, wenn sie die Order ihrer Kunden über alternative Handelsplattformen der Betreiber laufen lassen. In Deutschland schreibt die Richtlinie Mifid II vor, dass Kunden auf alternativen Handelsplattformen nicht schlechter gestellt werden dürfen als an den Börsen, dies gilt allerdings nur während der regulären Börsenöffnungszeiten. Insofern kann es den Kunden gleichgültig sein, wo ihre Oder ausgeführt werden.

Klar ist aber auch: Die Händler bei Handelsplattformen wie LS Exchange und HSBC – mit denen zum Beispiel Trade Republic zusammenarbeitet –verdienen an den Kundenordnern. Dies gilt vor allem für Zertifikate, bei denen Laien den fairen Wert und damit eine faire Kursstellung nur schwer beurteilen können. Dazukommt ein Modell, das selbst Strukturvertriebe nutzen: Viele der Broker verkleinern die Palette angebotener Produkte und Handelspartner auf hauseigene Produkte und einige wenige Partner, an denen sie verdienen und die technisch möglichst wenig Arbeit machen.

Die Einnahmen genügen jedenfalls dann, wenn man eben nur Broker und keine Bank ist und damit viele Leistungen, die eine Bank anbieten muss, nicht im Gepäck mit sich herumschleppt. Beratung, Erreichbarkeit, vielleicht sogar physische Präsenz? All das gibt es bei den Online-Brokern nicht, was ihnen ermöglicht, ihren Kundinnen und Kunden fast kostenlose Modelle anzubieten. Ähnlich wie die Depotbanken den etablierten Banken die Kunden abjagten, in dem sie deutlich günstiger waren, ziehen jetzt die Neobroker mit ihren Gratisangeboten den Online Banken die Kunden ab. Deren einst so günstige Preise erscheinen mit einmal teuer. Laut einem Vergleich der Stiftung Warentest (Finanztest 11/2020) kostet eine Aktienorder über 2500 Euro bei der Comdirect 13,65 Euro Gebühren, bei der ING 12,90 Euro und bei der DKB 10,86 Euro. Die Commerzbank verlangt im Klassikdepot 50,60 Euro und die Postbank 31,80 Euro.

Das Null-Gebühren-Modell funktioniert aber nur, wenn Kunden auch technische Einschränkungen akzeptieren. Trade Republic beschränkt sein Angebot aufs Smartphone. Mit dem Desktop ist nichts zu machen. Das mindert den technischen Aufwand. Der Berliner Frühfinanzierer Project A Ventures – einer der Geldgeber bei Trade Republic lobt außerdem das sogenannte „Double down“, also die Vereinfachung aller Prozesse, die Kunden absolvieren, um zu kaufen und zu verkaufen. Die Zahl der nötigen Klicks habe sich von im Schnitt zwölf bei anderen Brokern auf drei reduziert. Die kurze Fingerübung führt zu häufigen Trades, was wiederum die Provisionen der Broker erhöht, aber trotz Gratisangeboten nicht im Interesse der Kunden sein muss. Denn je mehr Kunden handeln, desto unprofitabler agieren sie in der Regel für sich selbst. Verhaltensökonomen sprechen vom „confidential bias“, also dem Phänomen, dass jeder glaubt, er sei klüger als der Durchschnitt. Das ist menschlich, allerdings mathematisch unmöglich.

oli

08.02.2021 | 08:42

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