Die neuen Flagships
Im Einzelhandel sind sie schon lang angesagte „Formate“: große Shops, die mit ihrer Ausstattung und ihrer Fläche Aushängeschilder für Marken sind. Nun entdecken auch Banken solche Großfilialen für sich. Ein weiteres Zeichen für den Wandel bei den Finanzdienstleistern.
Eine Fläche von 730 Quadratmetern in bester Lage in Berlin gegenüber der Gedächtniskirche am Kurfüstendamm: Die Flagship-Filiale der Commerzbank kann sich sehen lassen. Im Zentrum des komplett neu gestalteten Innenraums befindet sich eine Lounge mit Tablets. Kunden können sich per Touchscreen über die Angebote der Bank informieren. Die Kontoeröffnung erfolgt papierlos, Giro- und Kreditkarte kann man gleich mitnehmen. Mit längeren Öffnungszeiten und einer Videokasse, an der auch spätabends und am Wochenende ein persönlicher Ansprechpartner zur Verfügung steht, will die Commerzbank die Filiale attraktiver machen.
Derzeit eröffnen viele Großbanken solche Megafilialen. Die HypoVereinsbank hat im Juni in Augsburg eine solche Dependance eingeweiht. In den Umbau hat die Unicredit-Tochter 2 Mio. Euro gesteckt. Vorreiter auf diesem Feld war die Deutsche Bank mit der – Q110 genannten – Großfiliale in der Berliner Friedrichstraße, die bereits 2005 an den Start ging. Zum Angebot von Q110 gehören eine integrierte Lounge mit gastronomischem Service, Bankprodukte „zum Anfassen“, ein Shop mit wechselnden Trendprodukten und eine KidsCorner, wo die Sprösslinge von Fachkräften betreut werden.
Dass jetzt auch andere Institute auf Flagships setzen, hat seinen Grund: „Die digitale Revolution ist im Bankgeschäft mit Privatkunden endgültig angekommen und sie ist unumkehrbar“, heißt es im Geschäftsbericht der HVB. Die Folge: Der Kunde geht immer seltener zur Bank. Im Jahr 2000 erfolgten noch 70 % der Kundenkontakte über die Filiale, 2015 werden es voraussichtlich nur noch 5 % sein, stellt Dr. Theodor Weimer, Vorstandschef der HypoVereinsbank, fest. Weiter sinken wird dieser Wert allerdings wohl nicht mehr. „Das dürfte ein Sockelniveau sein“, meint Peter Buschbeck, für das Privatkundengeschäft zuständiger Vorstand bei der HVB.
Auf diese Entwicklung reagieren die Institute und suchen nach neuen Wegen in der Betreuung der Kunden – auch um sie nicht irgendwann an Non- und Near-Banks zu verlieren, die mit neuen Finanzdienstleistungsangeboten in den Startlöchern stehen. Neue Filialkonzepte sind dabei ein Element der Neuorientierung der klassischen Banken. „Wir sind überzeugt: Filialen haben auch im digitalen Zeitalter mehr Potenzial, als viele annehmen“, meint Martin Blessing, Vorstandsvorsitzender der Commerzbank.
Deshalb nehmen die Institute viel Geld in die Hand, um sie zu renovieren. Die Commerzbank modernisiert bis 2016 für rund 120 Mio. Euro ihre Filialen. Die HypoVereinsbank nennt zwar „aus wettbewerbstaktischen Gründen“ keine konkreten Zahlen für die umfassende Restrukturierung ihres Filialnetzes. Gemessen am Umfang des Programms dürfte es aber pro Filiale und Kunde mehr sein als bei den meisten Wettbewerbern. Für die Schließung von Filialen hatte die Bank bereits 2013 über 300 Mio. Euro zurückgestellt. Die Filialzusammenlegungen dürften wohl auch in dem bei allen Instituten hoffnungslos overbankten Bayern stattfinden, wo die HVB noch Altlasten aus ihrer eineinhalb Jahrzehnte zurückliegenden Entstehungsgeschichte mit sich herumschleppt. On top kommen die Investitionen in die Modernisierung des Filialnetzes, in den Ausbau alternativer Beratungs- & Serviceangebote per Video oder Internet sowie in die weitere Qualifizierung der Berater und zusätzliches Marketing.
Bei der Modernisierung der Standorte will sich die HypoVereinsbank gar nicht so sehr auf Bezeichnungen wie „Flagships“ festlegen: „Es wird große, mittlere und kleine Filialen geben“, sagt Vorstand Buschbeck. Alle werden nach dem neuen Konzept modernisiert – und „das in einer Geschwindigkeit, die der Markt bislang nicht gesehen hat“, so der HVB-Vorstand. Mit einem strukturierten Programm soll der Umbau bis Ende 2015 weitgehend abgeschlossen sein.
Studien bei Filialen in der ganzen Welt
Für die Neuausrichtung hat die HVB intensive Studien betrieben, nicht nur bei der Konkurrenz in Deutschland, sondern weltweit. Das Thema Diskretion, das in Deutschland einen hohen Stellenwert hat, wird in vielen Ländern ganz anders gesehen. Beratungsgespräche finden zum Teil kaum abgeschirmt statt. In Asien setzt man bei Bankgebäuden stark auf interaktive Module – mit vielen Touchscreens und bunten Displays. Die Filialen sehen zum Teil aus wie Raumschiffe – aber sie sind auch so menschenleer wie ein Spaceshuttle.
Das sollte es also nicht sein. „Kunden wollen in den Filialen keine technische Spielereien“, sagt Buschbeck. In den HVB-Filialen wird Technik nur an den Stellen eingesetzt, wo sie dem Menschen dient. Wenn alle Gebäude renoviert sind, dann wird beispielsweise jeder Beraterplatz mit einem Kommunikationstool mit Bildschirm ausgestattet sein.
Denn wenn Filialen heute überhaupt betreten werden, dann hauptsächlich für anspruchsvolle Beratungen wie Immobilienfinanzierungen oder komplexere Anlagegeschäfte. Bei allen anderen Finanzdienstleistungen wählt der Kunde den bequemeren Weg – über das Internet. Gerade dieser Convenience-Faktor spielt in den Überlegungen der HVB eine große Rolle. „Der Anspruch des Kunden in Richtung Bequemlichkeit nimmt zu“, meint Buschbeck. Eine Antwort darauf ist die Online-Filiale, mit der die HVB seit 2013 auf die veränderten Bedürfnisse eingeht. Hier können die Kunden mit längeren „Öffnungszeiten“ ihre Bankgeschäfte ebenfalls mit persönlicher Beratung erledigen.
07.09.2014 | 09:10