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Blockchain-Revolution im Mittelstand

Blockchain gilt als „The Next Big Thing“. Doch für viele Unternehmer ist das System weiterhin eine Blackbox. Das könnte sich bald ändern, denn immer mehr Beratungsfirmen und Banken setzen auf die Lösung, die mehr ist als die Kryptowährung Bitcoin. Steht der Mittelstand vor einem digitalen Umbruch?

Wer Blockchain hört, denkt an Krypto­währungen, an ein abstraktes Nerdthema, an einen der größten Hypes in der Tech- und Finanzwelt. Tatsächlich hat das derzeit prominenteste Beispiel für eine Blockchain mit Geld zu tun. Genauer gesagt mit der Internetwährung Bitcoin. Jener Währung, die im vergangenen Jahr so viel Adrenalin in die Blutbahnen der Börsianer pumpte wie lange nichts mehr. Es herrschte Goldgräberstimmung. Während ein Bitcoin vor wenigen Monaten noch so viel kostete wie ein komfortabler Kleinwagen – nämlich fast 18 000 Euro –, ist die Digitalwährung kürzlich auf den tiefsten Stand seit der aufpoppenden Masseneuphorie, nämlich auf rund 5 500 Euro, gefallen. Was bleibt nun vom Bitcoin-­Hype übrig? Das Prinzip dahinter: Blockchain – ein System, das Transaktionen im Internet für immer verändern und auf lange Sicht sogar Banken überflüssig machen könnte.

Der Tech-Experte Jamie ­Skella erklärt in seinem Artikel „A blockchain explanation your parents could understand“, der sich in Windeseile im Internet verbreitet hat, sehr anschaulich, wie das System funktioniert. Blockchain sei eine Art Kassenbuch, in dem alle zwischen Absender und Empfänger stattfindenden Datentransaktionen festgehalten werden. Klassische Buchhaltung, oder? Nicht ganz. Denn dieses Kassenbuch liegt nicht nur bei einem einzigen Mitarbeiter, sondern in Form von Tausenden Kopien auf Computern und Servern rund um den Globus. Wenn Sender oder Empfänger eine neue Position in das Kassenbuch eintragen, erscheint dieser Posten in allen Kopien. Erst dann, wenn die Belege über den Austausch zwischen Verbraucher und Lieferant, Käufer und Verkäufer von allen Beteiligten authentifiziert worden sind, ist die Transaktion gültig. Damit verfügen die Partner immer über den gleichen sicheren Datensatz in Echtzeit. Kryptografische Verfahren sorgen dafür, dass einmal gespeicherte Daten nicht mehr verändert werden können. Dieses Prinzip macht Blockchain, im Vergleich zu anderen Systemen, quasi fälschungssicher.

Die Kryptowährungen Bitcoin oder Ether sind die wohl bekanntesten Anwendungen von Blockchain. Doch Experten sagen dem System auch in anderen Geschäftsbereichen eine rosige Zukunft voraus. So auch der Payment-Experte Kilian Thalhammer: „Als technologischer Enabler kann die Blockchain dabei helfen, bestehende Prozesse schneller, kostengünstiger und einfacher abzuwickeln. Die Blockchain ist sowohl eine Revolution auf der technischen Infrastrukturebene als auch eine Evolution auf der Businessebene.“

Ein Projekt, an dem sich rund 20 namhafte Unternehmen beteiligen – darunter auch der Nahrungshersteller Dr. Oetker, die Drogeriemarktkette dm, der Konsumartikelproduzent Henkel sowie der Kosmetikkonzern Beiersdorf –, zeigt, wie Blockchain unternehmensübergreifend eingesetzt werden kann. Jeder kennt sie: Standardpaletten, auf denen Ware gelagert und transportiert wird. Nach Schätzungen der Unternehmensberatung PwC sind in Europa Paletten im Wert von 2,5 Milliarden Euro im Umlauf. Klar wird immer fleißig notiert, wo sie gerade stecken, von wem sie kommen, in welchem Zustand sie sind und wer noch welche bekommt. Aber eben manuell. Mit Stift und Papier. „Oftmals wissen die Logistikunternehmen aber gar nicht, welche Akteure in der Lieferkette am Tauschprozess beteiligt sind. Außerdem gibt es keine Instanz, die den Prozess überwacht“, sagt Regina Haas-Hamannt, Projektleiterin von GS1 Germany in Köln. Das soll sich ändern. Deshalb werden die Lkw-Fahrer mit einem Handscanner ausgestattet, der Ordnung in das Palettenchaos bringen soll. Dabei dient Blockchain als Datenbank, die den Prozess vertrauenswürdig abbildet.

Keine unbezahlten Rechnungen mehr

Gerade der deutsche Mittelstand könnte von Blockchain profitieren. Denn überall dort, wo arbeitsteilige Produktionsketten mit zahlreichen Zulieferern sowie internationalen Handelsbeziehungen existieren, ist der Abstimmungsbedarf hoch. ­Eine Initiative von sieben euro­päischen Banken, bestehend aus der Deutschen Bank, KBC, ­HSBC, Rabobank, Nataxis, Société Géné­rale und Unicredit, arbeitet derzeit an einer Blockchain-basierten Plattform.

Alle an der Handelsfinanzierung beteiligten Parteien – Käufer, Bank des Käufers, Verkäufer, Bank des Verkäufers und Transporteur – sollen auf ihr miteinander verbunden sein. „Das Angebot richtet sich vor allem an kleine und mittelständische Unternehmen, die bislang keinen Zugang zu Handelsfinanzierungen haben“, sagt Roberto Mancone aus dem Chief Digital Office der Deutschen Bank. Laut einer Studie der internationalen Handelskammer ICC ist der Bedarf nach mehr Transparenz und Überwachung von Transaktionen jedenfalls da, denn jährlich bleiben angefragte Lieferkettenfinanzierungen in Höhe von umgerechnet rund 1,4 Billionen Euro unerfüllt. Kurzum: Rechnungen werden nicht bezahlt – der Exporteur bleibt auf den Kosten sitzen. Mithilfe von Blockchain können die Parteien intelligente Verträge, sogenannte Smart Contracts, schließen, die von Algorithmen überwacht werden und die Rechte der Vertragspartner automatisch durchsetzen.

Schon jetzt ist klar: Die Anwendungsmöglichkeiten für die Blockchain sind unendlich groß. Derzeit stecken die meisten der Implementierungsprozesse aber noch in den Kinderschuhen, so wie die Evolu­tion des Computers und des Internets ebenfalls begonnen hat. Was anfangs nur wenige Nerds für möglich hielten, wissen wir Jahre später sicher: Digitalisierung verändert alles, auch den Mittelstand. Deshalb ist die Frage nicht ob, sondern wann die Blockchain-Revolution startet.   


Florian Spichalsky

06.02.2019 | 13:26

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