(Bild: Frank Rumpenhorst)



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„Bargeld ist ein Stück Freiheit – und der Bitcoin wird es niemals ersetzen“

Bundesbankvorstand Burkhard Balz ist der Mann, der Deutschland auf das Zeitalter des digitalen Geldes vorbereitet. Welche Rolle dabei Kryptowährungen wie der Bitcoin spielen, über sein Verhältnis zum Gold, und wie lange Bargeld noch das Zahlungsmittel erster Wahl bleibt, spricht er im Interview.

Herr Balz, ist Bitcoin eine Währung?

Nein. Bitcoin und Co. sind hochspekulative Krypto-Assets, also eine Art digitale Anlageklasse. Eine Währung bezeichnet immer das Geld eines Staates oder wie im Euroraum: eines Zusammenschlusses von Staaten. Eine Währung ist grundsätzlich durch den Gesetzgeber anerkannt. Die Geldfunktionen erfüllt der Bitcoin nicht einmal ansatzweise.

Sind die Kriterien möglicherweise von gestern?

Sicher nicht. Es geht im Kern darum, dass die Menschen einer Währung vertrauen können. Nur wenn sie Vertrauen haben, bleiben die Preise auch stabil. Dieses Vertrauen herzustellen, ist die wichtigste Aufgabe der Zentralbanken. Ohne stabiles Geld kann keine Volkswirtschaft auf Dauer gedeihen. Beim Bitcoin sehen wir demgegenüber ständig starke Wertschwankungen.

Auf längere Sicht steigt dessen Wert aber ziemlich beständig . . .

. . . das ändert nichts daran, dass es ein Spekulationsobjekt ist, bei dem bis hin zum Totalverlust alles möglich ist.

Ist der Bitcoin eine Art digitales Gold? Immerhin ist seine Menge begrenzt, ähnlich wie bei dem Edelmetall.

Nein. Bitcoin lässt sich nicht seriös mit Gold vergleichen. Gold besitzt ohne Zweifel einen inneren Wert, der sich über Jahrhunderte erhalten hat. Gold bedeutet deswegen Sicherheit und Liquidität zu jeder Zeit. Das bietet der Bitcoin nicht.

Also wird die Bundesbank niemals Bitcoin wie Gold als Reservewährung halten?

Ich bezweifele, dass wir das jemals tun werden. Die Bundesbank ist der zweitgrößte Goldeigentümer der Welt. Wir wollen über Reserven verfügen, die werthaltig und liquide sind, und gegebenenfalls im Notfall schnell zur Verfügung stehen. Das kann der Bitcoin im Gegensatz zu Gold und Devisen wie dem US-Dollar oder Yen nicht bieten.

Aber auch die Europäische Zentralbank arbeitet an einer eigenen Kryptowährung. Sie selbst sitzen in einer Arbeitsgruppe, die das vorbereitet.

Es gibt eine Arbeitsgruppe, die die Entscheidung der EZB zur Einführung eines digitalen Euro vorbereitet. Wichtig ist festzuhalten: der digitale Euro ist aber keine Kryptowährung.

Wo ist der Unterschied?

Bürgerinnen und Bürger besäßen mit dem digitalen Euro, falls er kommt, Forderungen gegenüber dem Eurosystem. Das bedeutet eine ganz andere Sicherheit, ähnlich wie beim Bargeld. Bislang können die Bürger ihre Guthaben auf Konten nur gegenüber Geschäftsbanken geltend machen.

Dann wären Geschäftsbanken bei Einführung des digitalen Euro nur noch zweite Wahl. Kann das gut gehen?

Das ist eine der Fragen, mit denen wir uns in der Arbeitsgruppe beschäftigen. Wenn der digitale Euro kommt, darf er keine Finanzstabilitätsrisiken erzeugen. Die Geschäftsbanken müssen weiter ihren Platz haben.

Wie weit sind Sie mit den Plänen?

Im Frühsommer will der EZB-Rat eine Entscheidung fällen. EZB-Präsidentin Christine Lagarde sagt, das Eurosystem könne in fünf Jahren den digitalen Euro einführen.

Die Chinesen sind mal wieder schneller. Die machen das schon.

China ist, wie wir hören, relativ weit und testet seine digitale Währung bereits in vier Regionen. Dort sind in den vergangenen Jahren zwei private nationale Bezahlplattformen entstanden, die zusammen mehr als eine Milliarde Kunden haben: Alipay und WeChat Pay. Über diese Zahlungsdienstleister lässt sich alles abwickeln, von der Urlaubsreise bis zum Kauf eines Blumenstraußes. Die chinesische Notenbank will diesen Plattformen alleine nicht das Feld überlassen und treibt deswegen das Projekt digitaler Yuan voran.

Wie sieht es anderswo in der Welt mit digitalen Währungen aus?

Die USA und Russland sind in einem ähnlichen Projektstatus wie wir. Briten, Schweizer und Schweden beschäftigen sich damit. Auf den Bahamas gibt es seit Oktober bereits den digitalen Sand Dollar.

Kryptogeld, digitale Währungen – stirbt das Bargeld langsam aus?

Das Eurosystem hat im vergangenen Jahr netto rund 140 Milliarden Euro mehr an Banknoten in Umlauf gebracht. Das spricht nicht dafür. Aber: In der Corona-Pandemie haben viele Bürgerinnen und Bürger ihr Bezahlverhalten angepasst. Im Jahr 2020 haben bei den alltäglichen Ausgaben bargeldlose Zahlungsmittel und insbesondere Karten wesentlich an Bedeutung gewonnen. Das hat eine Studie der Bundesbank ergeben. Von allen erfassten Zahlungen an der Ladenkasse und im Onlinehandel wurden demnach 30 Prozent mit einer Karte getätigt. In der Zahlungsverhaltensstudie von 2017 lag der Wert noch neun Prozentpunkte niedriger. Gleichzeitig lag der Anteil der Barzahlungen diesmal bei 60 Prozent, nach 74 Prozent vor drei Jahren. Ob die Verhaltensanpassung in der Pandemie letztlich Bestand hat, muss sich erst noch zeigen. Aussterben wird Bargeld sicherlich nicht. Das Bargeld ist ein Wertaufbewahrungsmittel, das gerade in Krisenzeiten stark nachgefragt ist; als Zahlungsmittel ist es weiterhin sehr beliebt, verliert aber tendenziell an Bedeutung.

Schade?

Bargeld ist immer ein Stück Freiheit. Digitales Geld dagegen hinterlässt digitale Spuren. Das kann man begrüßen, weil es schwerer wird, es missbräuchlich zu verwenden. Auf der anderen Seite muss aber auch der Datenschutz der Bürger erhalten bleiben. Das wurde auch in der öffentlichen Konsultation des Eurosystems zu einem digitalen Euro deutlich. Unsere Umfragen zum Zahlungsverhalten zeigen, dass auch das Alter eine wichtige Rolle spielt. So wird in der Altersgruppe der 25- bis 34jährigen am seltensten mit Bargeld gezahlt, am meisten bei den Personen über 65 Jahren.
Herr Balz, herzlichen Dank für dieses Gespräch.

Das Gespräch führte Oliver Stock

08.03.2021 | 13:51

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