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Chinesen kaufen sich in den deutschen Mittelstand

Das Herzstück der deutschen Wirtschaft, der hochgelobte Mittelstand, spricht schon bald chinesisch. Egal ob Manz, Kuka oder auch schon Putzmeister: Sie alle verfügen über hochspezialisierte Technologien, die sich Fernost jetzt zunutze macht. Hinter Chinas neuer Strategie steckt jede Menge Kapital – und das Interesse der Elite.

„Ich scheiß' dich sowas von zu mit meinem Geld.“ Das berühmte Zitat von Mario Adorf alias Generaldirektor Haffenloher aus der Kultsatire „Kir Royal“ passt wie gemalt auf die aktuelle Strategie chinesischer Investoren. Die nämlich haben es auf den deutschen Mittelstand abgesehen und gehen gerade kräftig auf Shoppingtour. Jüngstes Beispiel ist etwa die Kuka AG aus Augsburg. Der Roboterhersteller, dessen orangene Maschinen in vielen Produktionsstraßen der Autoindustrie längst Standard sind und als Synonym für die Automatisierung in dieser Branche gelten, existiert bereits seit 1898 und hat Kunden in der ganzen Welt. Kuka ist ein deutsches Vorzeigeunternehmen – aber seit Freitag zu Dreivierteln chinesisch. Wie der Hausgerätehersteller Midea kurz vor Ablauf des Kaufangebots am Freitag mitteilte, halte er inzwischen 76,4 Prozent der Anteile an dem Augsburger Unternehmen.

Ein unmoralisches Angebot?

Vorausgegangen waren dem Deal Verhandlungen mit dem Vorstand von Kuka sowie ein äußerst lukratives Angebot der Chinesen. Denn „Made in Germany“ auf chinesisch, das lassen sich die Investoren einiges kosten. Pro Aktie bot Investor Midea 115 Euro. Zum Vergleich: Ende Januar war das Kuka-Papier nur knapp 68 Euro wert. Entsprechend eindeutig fiel dann auch die Empfehlung des Vorstandes von Kuka aus. Man schloss bis 2023 einen Investorenvertrag mit dem chinesischen Hausgerätehersteller in dem umfassende Garantieren für Mitarbeiter und Kunden enthalten sind und empfahl den Aktionären, das Angebot anzunehmen. Eine Empfehlung, der vor allem die beiden Großaktionäre, die Friedhelm-Loh-Gruppe und der Maschinen- und Anlagenbauer Voith, schnell folgten.

Das war der erste wichtige Schritt; Midea hielt nun 48,5 Prozent der Anteile, der Rest folgte wenig später aus den Portfolios von Kleinanlegern. Dass sich der Deal für den Großaktionär gelohnt hat, machte Voith-Chef Hubert Lienhard deutlich. Bei einem Kaufpreis von insgesamt 1,2 Milliarden Euro hat sich der Wert der Papiere innerhalb von nur anderthalb Jahren mehr als verdoppelt. „Unser Einstieg bei Kuka hat sich strategisch als ein großer Erfolg erwiesen. Ich bin davon überzeugt, dass Voith einer der Gewinner dieses Übernahmeangebots ist."

Und Kuka ist kein Einzelfall. Bereits im vergangenen Jahr stiegen die Direktinvestitionen aus China um 44 Prozent auf 20 Milliarden an. Und das dürfte sich in diesem Jahr noch einmal kräftig erhöhen. Allein im Februar kaufte der Chemieriese Chemchina den deutschen Maschinenbauer Krauss Maffei für 925 Millionen Euro und Beijing Enterprises den niedersächsischen Stromerzeuger EEW Energy für 1,44 Milliarden Euro. Zudem stieg die Shanghai Electric Group bei der Manz AG als Ankeraktionär ein. Anders als bei den vorherigen Beispielen bleibt Manz allerdings eigenständig. Der Hightech-Maschinenbauer aus Reutlingen erhofft sich durch die Kooperation wieder bessere Zahlen. Vor allem in der hauseigenen Solarsparte mit der CIGS-Dünnschichttechnologie lief es zuletzt schlecht. Mit Shanghai Electric will man nun jedoch eine besserer Kommerzialisierung der Technologie auf dem chinesischen Markt erzielen. Die Kooperation mit dem chinesischen Investor ist Teil der vergangenes Jahr eingeleiteten Restrukturierungsmaßnahmen.

Gefahr für den deutschen Mittelstand?

Was die Aktionäre freut, ruft allerdings auch Kritiker auf den Plan. Sie fürchten vor allem, dass das Know-how von deutschen Schlüsselindustrien jetzt nach China abwandern könnte, ebenso wie die Produktionsstätten. Auch von einer drohenden Katastrophe für den Standort Deutschland ist die Rede. So hatte etwa Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel bei Kuka gesagt, dass er sich über ein Gegenangebot aus Europa freuen würde. Doch niemand anderes war bereit ein derart hohes Angebot abzugeben. Die Chinesen indes versuchen zu beruhigen. "Mit unserer Investition in Kuka verfolgen wir das klare Ziel, langfristigen Wert für beide Gesellschaften zu schaffen“, sagte etwa Midea-Chef Paul Fang.

Dass eine solche Kooperation gut funktionieren kann, zeigt auch die Übernahme des Betonpumpenbauers Putzmeister durch den chinesischen Konkurrenten Sany aus dem Jahr 2012. Damals hatte es vor allem in der Belegschaft große Vorbehalte gegenüber dem fernöstlichen Großinvestor gegeben. Vier Jahre später ist davon jedoch nichts mehr zu hören. Die Arbeitsplätze am Standort Aichtal sind bis 2020 vertraglich gesichert, Putzmeister machte weiter wie bisher, die Geschäfte laufen gut. Das Beispiel zeigt, dass sich die Mentalität der chinesischen Investoren gewandelt hat. Vom ehemaligen Heuschreckentum ist heute wenig übrig. „Viele Konzerne legen sich ein Portfolio an europäischen Unternehmen zu, um so ihre Wertschöpfungsketten oder die globalen Vertriebskanäle zu erweitern“, sagt Yi Sun von Ernst & Young gegenüber der FAZ. Die Zeichen stehen also auf langfristige Investments.

Dennoch sollte man nicht vergessen, dass über 70 Prozent der Investitionen von chinesischen Staatskonzernen kommen, wie es in einer Studie des China-Forschungsinstitutes Merics in Berlin heißt. Auch fördern die staatlichen Institutionen die Auslandsinvestitionen großzügig mit günstigen Krediten. Angesichts Chinas sonstiger aggressiver Wirtschaftspolitik ist die Sorge also nicht unberechtigt, dass der deutsche Mittelstand langfristig mit chinesischen Investoren einen schlechten Deal eingeht. Man muss daher hoffen, dass diese Investitionswelle aus China für den Mittelstand nicht so endet, wie das Haffenloher-Zitat aus Kir Royal: „Dann hab ich dich, dann gehörst du mir. Dann bist du mein Knecht.“

Robin Schenkewitz

23.07.2016 | 02:03

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