Deutschland unterstützt Griechenland beim „Krieg“ gegen Steuersünder
Angesichts der Probleme im eigenen Land können finanzielle Hilfspakete für Griechenland nur noch schwer verantwortet werden. Deshalb unternimmt Deutschland bezüglich der Griechenland-Krise alles, um dem Land bei seinen finanziellen Problemen auf andere Weise zu helfen.
Mitte Januar unterzeichneten der nordrhein-westfälische Finanzminister Walter Borjans und der griechische Vizefinanzminister Trifon Alexiadis ein Abkommen, in dem beispielsweise vereinbart wurde, die griechischen Steuerbeamten mit deutschem Know-how auszustatten. Damit lassen die deutschen Behörden ihre griechischen Kollegen an den Erfahrungen teilhaben, die sie im Kampf gegen deutsche Steuersünder gesammelt haben. Zuvor hatte Nordrhein-Westfalen dem griechischen Finanzministerium bereits mehr als 10.000 Datensätze zur Verfolgung von Steuerhinterziehung zur Verfügung gestellt. Die Kontodaten hatte das Bundesland durch den Ankauf einer Steuer-CD erlangt. Auf ihr befanden sich auch die Kontodaten von griechischen Privatleuten und Firmen mit Guthaben von umgerechnet bis zu 3,7 Milliarden Euro, die möglicherweise zu Steuermehreinnahmen von mindestens 600 Millionen Euro führen können.
Strafbefreiende Selbstanzeige erhöht die Steuereinnahmen
Bei der Vermittlung von Know-how dürften die deutschen „Steuer-Lehrer“ die griechischen Kollegen besonders auf das Mittel der strafbefreienden Selbstanzeige aufmerksam machen. Damit hatten die deutschen Steuerfahnder insbesondere zum Jahreswechsel 2013/14 beste Erfahrungen gemacht. Laut konto.org stieg die Zahl der Selbstanzeiger von 2013 auf 2014 von 27.230 auf 38.587. Die drohende Haft für die Straftat Steuerhinterziehung und der Ankauf von Steuer-CDs sind ein sehr gutes Mittel zum Zweck, dem Finanzamt Geld zuzuführen, welches ihm bis dato erfolgreich vorenthalten wurde. In der nachfolgenden Tabelle sind einige Fälle von prominenten, deutschen Steuersündern aufgeführt, bei denen der Staat nachträglich Steuern in Höhe von mehr als 57 Millionen Euro einnehmen konnte.
Name | Zeit | Funktion | Strafe | Steuernach-zahlung |
Peter Graf | 1996 | Manager und Vater von Steffi Graf | Haft: 3 Jahre 9 Monate | 27 Mio. DM |
Paul Schockemöhle | 1996 | Springreiter und Unternehmer | Haft auf Bewährung:11 Monate | 22,6 Mio. DM |
Boris Becker | 2002 | Tennisspieler | Haft auf Bewährung: 2 Jahre + 500.000 € Geldbuße | 3,1 Mio. € |
Klaus Zumwinkel | 2009 | Vorstands-vorsitzender der Dt. Post AG | Haft auf Bewährung: 2 Jahre + 1 Mio. € Geldbuße | 0,97 Mio. € |
Alice Schwarzer | 2014 | Journalistin und Herausgeberin der Zeitschrift „EMMA“ | Straffrei wegen Selbst-anzeige | 0,2 Mio. € |
Uli Hoeneß | 2015 | Unternehmer und Fußballfunktionär | Haft: 3 Jahre und 6 Monate | 28,5 Mio. € |
Die folgende Infografik gibt einen Überblick darüber, welche Strafen bei Steuerhinterziehung in Deutschland drohen und welche Arten der Täterschaft und Teilnahmeformen es gibt.
Infografik: Drohende Strafen bei Steuerhinterziehung in Deutschland sowie Arten der Täterschaft und Teilnahmeformen. Quelle: eigene Darstellung
Auch bezüglich der Abgabenquote hat Griechenland im internationalen Vergleich Nachholbedarf. Die Abgabenquote ist die Summe aller Steuern und Sozialbeiträge im Verhältnis zum Bruttoinlandprodukt. Sie stieg in den Ländern der Eurozone im Jahr 2012 auf 40,4 Prozent des BIP. Griechenland lag mit 34,5 Prozent weit unter diesem Wert.
Bildquelle: eigene Darstellung
Das Problem der Steuerhinterziehung hat sich in Griechenland zu einem ständig wachsenden Problem mit verheerenden Auswirkungen auf die staatlichen Steuereinnahmen entwickelt. Keine der rechten und konservativen Regierung von Papandreou & Co hat es bisher geschafft, die Steuerhinterziehung effektiv zu bekämpfen. Die Ursachen für die finanziellen Probleme des Landes sind aber weitaus komplexer.
Korruption und schlechte Steuermoral sind historisch bedingt
Die griechischen Reeder werden immer wieder als erstes Beispiel dafür herangezogen, dass dem Staat Steuereinnahmen in Milliardenhöhe entgehen. Der berühmteste griechische Reeder, Aristoteles Onassis, sorgte in den 1950er Jahren dafür, dass Steuerfreiheit bei Investitionen in die Schifffahrt in der Verfassung verankert wurden. Daraus ergaben sich mehrere Vorteile:
• Als Vielinselstaat mit mehr als 3.000 Inseln war dies eine wichtige Erleichterung für die Entwicklung .der Infrastruktur des Landes.
• Die durch den Zweiten Weltkrieg stark dezimierte Flotte konnte besser aufgebaut werden.
• Millionen von Arbeitsplätzen in der Schifffahrt konnten gesichert werden.
Der Nachteil liegt auf der Hand. Griechische Reeder wurden durch die Steuerbegünstigungen zu Superreichen mit einem großen Einfluss auf die Finanzpolitik des Landes. An die privaten Einkommen der griechischen Reeder kommt der Fiskus nur schwer oder gar nicht heran, da viele griechische Reeder ihren Wohnsitz im Ausland gemeldet oder ihre Unternehmen im Ausland registriert haben. Allerdings ist das eine weltweit übliche Praxis. Auch in Deutschland fahren von den rund 3800 Schiffen deutscher Reeder mehr als 3000 unter einer Flagge von Ländern, die als Steueroasen gelten. Durch die geringe Steuerlast der Tonnagegewinnermittlung entgehen auch dem deutschen Finanzamt jährlich Einnahmen von geschätzten einer Milliarde Euro.
Weitere Ursachen der griechischen Finanzkrise
Mit Ausnahme der siebenjährigen Militärjunta von 1967 bis 1974 wurde Griechenland im Wesentlichen von den drei Großdynastien Papandreou, Karamanlis und Venizelos/Mitsotakis regiert. Das hat zu Vetternwirtschaft und Klientelismus, also das Erweisen von gegenseitigen Gefälligkeiten, geführt. Jeder vierte Beschäftigte ist inzwischen beim Staat angestellt, weil die Familienoberhäupter ihre Parteigänger regelmäßig mit Beamtenposten versorgten. Laut einem Bericht auf boersenpoint.de hat Griechenland noch nach Ausbruch der Finanzkrise die Löhne im öffentlichen Dienst um rund 30 Prozent angehoben. Hier ein Überblick über die griechischen Ministerpräsidenten mit dem Namen Papandreou, Karamanlis, Venizelos und Mitsotakis:
Name | Zeitraum | Hinweis |
Georgios Papandreou | 1944-1945 1963-1965 | Vater von Andreas und Großvater von Giorgos Andrea |
Sophoklis Venizelos | 1950-1951 | Sohn des siebenmaligen Ministerpräsidenten Elefhterios Venizelos |
Konstantinos Karamanlis | 1955-1963 1974-1980 | Onkel von Kostas Karamanlis |
Andreas Papandreou | 1981-1989 1993-1996 | Sohn von Georgios Papandreou |
Konstantinos Mitsotakis | 1990-1993 | Neffe von Eleftherios Venizelos |
Kostas Karamanlis | 2004-2009 | Neffe von Konstantinos Karamanlis |
Giorgos Andrea Papandreou | 2009-2011 | Enkel von Georgios Papandreou |
Korruption und Schattenwirtschaft
Das griechische Zauberwort für das Erreichen bestimmter politischer oder wirtschaftlicher Ziele heißt „Fakelaki“. Das bedeutet so viel wie „Umschläglein“ und stellt das Behältnis für Geldscheine dar, mit dem sich die Griechen das Leben erleichtern. Einer Umfrage zufolge leisten sich 13,5 Prozent der Griechen auf diese Weise Zahlungen von durchschnittlich 1.450 Euro im Jahr. Beim Korruptionsindex, der seit 1995 von der nichtstaatlichen Organisation Transparency International ermittelt wird, lag Griechenland 2012 noch auf Platz 94 von 174 Ländern. 2014 konnte sich das Land auf Platz 69 verbessern und teilte sich zusammen mit Italien innerhalb der EU-Länder den letzten Platz. Im Bericht von 2015 konnte sich Griechenland weiter verbessern und liegt nun auf Platz 58.
Schattenwirtschaft ist ein weiteres Problem in Griechenland. Jeder vierte Euro wird am Finanzamt vorbeigeschmuggelt, wodurch dem Staat jährlich mehr als 30 Milliarden Euro Steuereinnahmen entgehen. Quittungen werden ungern ausgestellt und kriminelle Banden organisieren Benzinschmuggel, illegalen Kraftstoffhandel und Spritpanscherei.
Fazit
Seit dem 26. Januar 2015 ist Alexis Tsipras mit seiner Partei Syriza Ministerpräsident in Griechenland. Seine Politik hat primär das Ziel, sein Land aus der Krise zu holen und gleichzeitig einen Grexit zu vermeiden. Die Wirtschaft sollte auferstehen, die Arbeitslosigkeit bekämpft werden und das Selbstbewusstsein zurückkehren Nach einem Jahr Amtszeit wurden diese Ziele alles andere als erreicht. Die nackten Zahlen verheißen für das Land noch immer nichts Gutes:
• Bruttoinlandsprodukt: 173 Milliarden aktuell gegenüber 207 Milliarden Euro 2015
• Arbeitslosigkeit: leicht gestiegen auf 26 Prozent
• Staatsverschuldung: Negativrekord in Europa mit 183 Prozent des BIP
Experten streiten darüber, ob ein Schuldenschnitt die richtige Maßnahme wäre. Besonders die Banken stehen in der Kritik, da sie von dem hoch verschuldeten Land Staatsanleihen gekauft haben. Mit einem Schuldenschnitt würden die Banken auf einen großen Teil ihrer Forderungen verzichten und Gewinne und Verluste blieben in einer Hand. Es wäre ein Signal an private Institute, dass das Risiko von Investitionen einem Risikomanagement unterliegen muss.
Andere Experten befürchten bei einem Schuldenschnitt den Zusammenbruch des griechischen Bankensystems und somit verheerende Auswirkungen auf die Stabilität des Euros. Die Probleme Griechenlands werden die EU noch länger beschäftigen und sind kurzfristig nicht zu beseitigen. Sicher ist, dass Reformen dringend umgesetzt werden müssen, damit das Land wirtschaftlich wieder auf die Beine kommt.
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08.03.2016 | 15:01