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Kurz vor dem D-Day

SEPA: Obwohl der Stichtag näher rückt, gibt es bei vielen Firmen noch einiges zu tun. Die Einführung ist aufwendig, doch das neue Verfahren hat Vorteile. Ein Gespräch mit Thomas Ullrich, Vorstand der DZ Bank.

WirtschaftsKurier: Herr Ullrich, die SEPA-Uhr tickt, aber nicht alle hören sie. Die Deutsche Bundesbank mahnt Unternehmen und Vereine dringend, endlich tätig zu werden und die Voraussetzungen für die Teilnahme am Europäischen Zahlungsverkehrsverfahren SEPA zu treffen. Zu Recht?

Thomas Ullrich: Ja, die Deutsche Bundesbank mahnt absolut zu Recht. Die Uhr tickt schon seit einigen Jahren, und bereits 2012 wurde angekündigt, dass der finale Umstellungstermin 1. 2. 2014 unbedingt eingehalten werden müsse. Bis dahin sind es jetzt nur noch wenige Monate. Nun gilt es, die mehr als 3 Mio. Unternehmen, 1,2 Mio. Selbstständigen in Deutschland, daneben aber auch die Vereine mitzunehmen.

Einer der ersten Schritte zur Umstellung des Zahlungsverkehrs auf SEPA besteht darin, eine Identifikationsnummer (Gläubiger-ID) zu beantragen. Wie viele Unternehmen und Vereine sind da bisher tätig geworden?

Von den 3,6 Mio. Unternehmen in Deutschland haben aktuell erst knapp 720 000 eine Identifikationsnummer bei der Deutschen Bundesbank beantragt. Das heißt aber nicht, dass sie bereits mit der SEPA-Umstellung begonnen haben. Von den über 580 000 Vereinen hierzulande haben erst rund 160 000 die Identifikationsnummer bei der Deutschen Bundesbank beantragt. Die DZ Bank hat zusammen mit Equens, einem Dienstleister im Massenzahlungsverkehr, allein 2012 4,2 Mrd. Transaktionen abgewickelt. Dabei lag der Anteil der SEPA-Zahlungen bei weniger als 4 % – im Bereich der Lastschriften betrug der Anteil sogar nur 1 %.

Besonders kleinere Unternehmen hinken nach. Liegen größere Unternehmen besser im Zeitplan?

Ja, größere Unternehmen haben die Umstellung auf SEPA in relativ größerer Zahl bewältigt, als dies bei kleineren Unternehmen der Fall ist. So hat zum Beispiel ein sehr großer DZ-Bank-Kunde, nämlich die staatliche Rentenversicherung, deren Kopfbankstelle unser Haus ist, ihre Rentenzahlungen schon vor zwei Jahren auf SEPA umgestellt. Seither werden monatlich allein rund 5,3 Mio. Rentenzahlungen über SEPA mithilfe der DZ Bank abgewickelt. Das zeigt aber auch, dass die DZ Bank bereits in vollem Umfang die SEPA-Anforderungen erfüllt.

Was lässt die Vielzahl der kleineren Unternehmen bei der Umstellung auf SEPA zögern?

SEPA ist nicht mit der Jahrtausend- oder der Euro-Umstellung vergleichbar. Das neue Zahlungsverfahren ist wesentlich komplexer. Es bedarf nicht nur eines neuen Briefkopfs – die Umstellung betrifft vor allem die Buchhaltungs- und Zahlungsverkehrsprozesse im Unternehmen. Neben dem Finanzbuchhaltungs- und Rechnungswesensystem muss auch die Zahlungsverkehrssoftware, die den Kunden mit der Bank verbindet, angepasst werden. Nicht selten kommt es dabei zu Verzögerungen bei Auslieferungen durch die Softwarehersteller, sodass sich die davon abhängigen Prozesse verzögern.

Welche Rolle spielen die Kosten bei der Scheu vieler Unternehmen vor SEPA?

Ich glaube nicht, dass die Kosten der Umstellung eine größere Rolle spielen, weil die meisten Unternehmen mit ihrem Softwarelieferanten einen Wartungsvertrag haben, der die Umstellung auf SEPA beinhaltet. Und die Vereine tauschen mit ihrer Bank oder mit bankunabhängigen Lieferanten häufig eine sogenannte Zahlungsverkehrssoftware aus, die von diesen automatisch angepasst wird.

Gibt es zumindest grobe Schätzungen über die Höhe der Kosten, mit denen ein Unternehmen zu rechnen hat?

Die Höhe der Kosten hängt im Wesentlichen von der Art des Gewerbes, vom Umfang, der Struktur des Zahlungsverkehrs und davon ab, wie das Unternehmen aufbau- und ablauforganisatorisch aufgestellt ist. Die Höhe der Umstellungskosten ist also individuell recht unterschiedlich. Eine durchschnittliche Kostenangabe wäre daher wenig hilfreich. Aber es handelt sich bei SEPA um eine Umstellung von einem einfachen auf ein sehr komplexes Verfahren – und das kann im Einzelfall auch größere Investitionen zur Folge haben.

Was passiert konkret am 1. Februar 2014?

Dann werden die deutschen Banken Überweisungen und Lastschriften nur noch im SEPA-Format verarbeiten. Ganz wichtig ist: Betroffen von der Umstellung ist nicht nur der Zahlungsverkehr mit dem Ausland – auch der inländische Zahlungsverkehr muss bis zum 1. Februar nächsten Jahres komplett auf das SEPA-Format umgestellt sein. Das ist gesetzlich verankert: Die entsprechende EU-Verordnung ist 2012 in nationales Recht umgesetzt worden. Also die Unternehmen können nicht, sie müssen auf SEPA umstellen.

Worauf müssen sich Firmenkunden einstellen, die auch noch am 1. Februar 2014 Zahlungsverkehrsbelege im alten DTA-Format bei ihren Banken einreichen?

Ihre Überweisungen und Lastschriften müssen von den Kreditinstituten zurückgewiesen werden. Zu besonders gravierenden Folgen kann es dabei kommen, wenn Lastschriften nicht mehr eingelöst werden können: Liquiditätsengpässe bis hin zur Zahlungsunfähigkeit können die Folgen sein. Derzeit überlegen wir in der genossenschaftlichen Finanzgruppe, wie wir säumige Kunden im Rahmen von schnellen Lösungen unterstützen können.

Warum braucht es SEPA – der nationale und internationale Zahlungsverkehr hat doch auch bisher funktioniert?

Es handelt sich zunächst um eine politisch motivierte Entscheidung, nämlich Europa einen Schritt weiter zusammenzuführen – Stichwort Binnenmarkt. Mit SEPA sind aber auch die technischen, rechtlichen und prozessualen Grundlagen im gesamten SEPA-Raum einheitlich gelegt worden. Sie ermöglichen es, die EU-Zahlungsdiensteregelung hinsichtlich Laufzeiten, Haftung und Verfolgbarkeit im Massenzahlungsverkehr einheitlich umzusetzen und innerhalb der EU einen letzten Schritt zur Anpassung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs zu tun.

Die SEPA-Umstellung ist aufwendig. Bringt SEPA den Unternehmen und Vereinen auch Vorteile?

Durchaus. Künftig haben es die Unternehmen bei Zahlungen innerhalb des SEPA-Raums – zu dem neben den 28 EU-Ländern auch die Schweiz, Monaco sowie die drei EWR-Staaten Norwegen, Island und Liechtenstein gehören – nur noch mit einem Format zu tun. Gleichzeitig entfällt die Betragsgrenze, die bisher bei 50 000 Euro je Zahlung lag. Zudem werden die Zahlungen den Empfänger aufgrund einer höheren Geschwindigkeit in maximal zwei Tagen erreichen. Der Zahlungsverkehr kann ferner effizienter durchgeführt werden. Und die Insolvenzfestigkeit der SEPA-Lastschrift sowie die Erhöhung der Rückgabefrist von Lastschriften auf 13 Monate für die Unternehmen bedeuten eine Reduktion des Risikos.

Gelten für Vereine letztlich die gleichen SEPA-Anforderungen wie für Unternehmen?

Bei Unternehmen und Vereinen macht das Gesetz keinen Unterschied. Das stößt bei den Vereinen oft auf Unverständnis.

... und für Privatkunden?

Privatkunden brauchen sich dagegen nicht selbst um die Umstellung ihrer Zahlungen auf das SEPA-Format zu kümmern. Sie müssen sich lediglich an ihre 22-stellige neue Kundennummer gewöhnen und haben dazu bis 2016 Zeit.

Welche Schritte sollten Unternehmen und Vereine, die sich bisher noch nicht mit SEPA befasst haben, jetzt unternehmen?

Ich habe eingangs bereits auf die Beantragung einer Identifikationsnummer bei der Deutschen Bundesbank hingewiesen. Schnellstens sollte zudem der Kundenberater bei der Hausbank kontaktiert werden. Dort erhält der Kunde in der Regel einen Leitfaden, der es ihm ermöglicht, das Thema SEPA rasch und systematisch anzugehen. Es gibt Checklisten, die chronologisch abgearbeitet werden können. Wichtig ist es aber, die notwendigen Kapazitäten zu finden, die auch in der Lage sind, die Checklisten zu bearbeiten. Selten sind sie im Unternehmen selbst zu finden. Daher ist oft Hilfe von außen nötig. Externe Berater sind allerdings derzeit – auf der Zielgeraden zu SEPA – stark nachgefragt. Gerade den mittelständischen Unternehmen und Vereinen empfehle ich aber auch den Internetauftritt der Deutschen Bundesbank. Hier werden vor allem die ersten Schritte in Richtung SEPA sehr praxisorientiert und leicht verständlich dargestellt.

Worauf würden Sie aufgrund Ihrer Erfahrungen in der Praxis noch besonders hinweisen?

Hier auf alles einzugehen, was bei der Umstellung auf SEPA an Wichtigem zu beachten ist, würde den Zeitrahmen des Interviews sprengen. Aber mit Blick auf die elektronische Datenübertragung – vom Kunden zur Bank – ist zu beachten, dass ein SEPA-Format vom Datensatz her wesentlich voluminöser ist als das alte DTA-Format. Schließlich läuft in der Spitze beim SEPA-Format etwa das Zehnfache der Datenmenge durch die Leitung zur Bank als beim bisherigen DTA-Format. Entsprechend groß müssen die Speicherkapazitäten sein und die Datenleitungen vom Unternehmen zur Bank ausgelegt werden.

Gibt es für die Unternehmen die Möglichkeit – vor der endgültigen Teilnahme an SEPA –, Testläufe durchzuführen?

Ja, ich empfehle sogar jedem mittelständischen Betrieb dringend, sich eine Vorlaufzeit einzuräumen und Tests durchzuführen, um zu prüfen, wie weit die eigenen Umstellungsaktivitäten auch tatsächlich zur SEPA-Tauglichkeit geführt haben. Ein Parallelbetrieb ist durchaus möglich.

Die Hilfen, auf die die Unternehmen und Vereine zurückgreifen können, sind umfassend. Ist es da nicht ausreichend, wenn – wie auch von vielen Unternehmen geplant – diese erst zum Ende des Jahres mit den SEPA-Vorbereitungen beginnen?

Die meisten Unternehmen und auch Vereine unterschätzen die Komplexität der SEPA-Umstellung und beachten nicht, dass man einen Vorlauf braucht, um die Prozesse vor dem D-Day noch einmal zu testen. Dennoch schaue ich gespannt auf das Jahresende, denn da werden häufig Updates zu Softwareanwendungen ausgeliefert. Mit diesen Auslieferungen ist meist erst die SEPA-Fähigkeit vieler Unternehmen gegeben. Deshalb hoffe ich, dass es im Januar zu einem starken Anstieg von SEPA-Zahlungen kommen wird. Denjenigen aber, die damit rechnen, dass es doch noch eine Verlängerung der Übergangsfrist geben könnte, möchte ich nochmals sagen: Die Umstellung ist gesetzlich verankert und es gibt keinen Plan B: Plan B ist Plan A.

Das Interview führte

Dieter W. Heumann

11.11.2013 | 09:00

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