Christian Pellis

Christian Pellis ist CEO von Amundi Deutschland. (Foto: Amundi)



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„Wir müssen finanzielle Bildung stärken“

Interview

Amundi-Deutschland-Chef Christian Pellis über Anlagewissen und dringend nötige Reformen in der Altersvorsorge.

Wirtschaftskurier: Was bedeuten die Umbrüche für die Altersvorsorge in Deutschland?

Christian Pellis: Die Altersvorsorge steht hierzulande auf drei Säulen. Der erste Pfeiler der gesetzlichen Rentenversicherung hat an Tragkraft verloren. Um das gesamte System zu stabilisieren, müssen die anderen Pfeiler gestärkt werden. An Reformen bei der betrieblichen und der privaten Altersvorsorge kommen wir deshalb nicht vorbei. Ziel ist es, möglichst vielen Menschen die Möglichkeit zu eröffnen, privat oder über die Betriebe für das Alter vorzusorgen. 

Ist Deutschland auf dem richtigen Weg? 

Christian Pellis: Wenn man sich den Bundestagswahlkampf sowie die Diskussionen der vergangenen Wochen anschaut, könnte man daran zweifeln. Das Thema Rente spielte fast keine Rolle. Ich bin aber zuversichtlich, dass die Politik den Ernst der Lage erkannt hat und den Austausch mit Vertretern der Finanzbranche sucht oder fortsetzt. Die Ampelregierung hatte bereits erste, gute Vorschläge gemacht. Ich denke zum Beispiel an die Aktienrente. Auch CDU/CSU haben sich das Thema auf die Fahnen geschrieben. 

Was wünschen Sie sich von der neuen Bundesregierung? 

Christian Pellis: Erstens sollten Reformen zügig eingeleitet werden. Das Thema ist ja nicht neu. CDU/CSU und SPD haben bereits Konzepte ausgearbeitet. Das Rad muss also nicht neu erfunden, sondern in Bewegung gesetzt werden. Zweitens muss der Kapitalmarkt durch staatliche Förderung stärker in die Altersvorsorge einbezogen werden. Drittens sollte die Förderung unbürokratisch und transparent sein. Die beste Förderung nutzt nichts, wenn sie von den Menschen nicht angenommen wird. Und schließlich würde ich mir eine Abkehr vom Prinzip der Sicherheitsgarantie wünschen. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass Garantien die benötigte Mehrrendite behindern können. Das heißt nicht, dass sich Sparer an den Kapitalmärkten riskant, gewissermaßen mit Vollgas bewegen sollten. Aber eben auch nicht mit angezogener Handbremse. 

Die Deutschen gelten als Sparer. Was müsste passieren, damit sich das ändert? 

Christian Pellis: Ein Umdenken ist schon im Gange. Aber es liegt tatsächlich noch zu viel Geld auf Sparkonten und leistet damit keinen echten Beitrag zur finanziellen Absicherung im Alter. Um dies zu ändern, müsste das Bewusstsein dafür wachsen, dass die klassische Sparanlage mit Blick auf die Altersvorsorge eine Fehlallokation ist. Auch müssen wir finanzielle Bildung stärken. Bei vielen Menschen haben die Kapitalmärkte einen zweifelhaften Ruf. Daher muss das Verständnis für deren Funktion verbessert werden. Sie sind ein wichtiges Finanzierungsinstrument für die Innovationskraft der Wirtschaft und damit für den Wohlstand von uns allen. Gleichzeitig ermöglichen sie es, an der Produktivkraft der Wirtschaft zu partizipieren. Das geschieht hierzulande noch zu wenig. Auch das Wissen über die Kapitalmärkte ist mau. Diese folgen Regeln und Gesetzmäßigkeiten, die man kennen sollte. Zu diesen gehört unter anderem der Risikoglättungseffekt, der sich mit der langfristigen Kapitalanlage verbindet. Bei der Finanzierung der Altersvorsorge, die ja langfristig ausgerichtet ist, kommt dieser Effekt zum Tragen. 

Sehen Sie Reformbedarf auch mit Blick auf die betriebliche Altersvorsorge? 

Christian Pellis: Der Handlungsdruck ist enorm. Lediglich 50 Prozent der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten sind über eine bAV abgesichert. Viele Betriebe suchen nach Lösungen. Besonders kleinere Unternehmen tun sich schwer. Um zu Ergebnissen zu kommen, muss man neue Wege beschreiten. Wäre es nicht zum Beispiel sinnvoll, wenn man Unternehmen die Möglichkeiten gäbe, bei der Altersvorsorge zusammenzuarbeiten? Etwa dadurch, dass sich kleine Unternehmen an erfolgreiche Betriebsrentensysteme größerer Unternehmen anschließen. Hier könnten erhebliche Synergien erzielt werden. Dafür wäre ein flexibler Rechtsrahmen hilfreich. 

Das Gespräch führte Thorsten Giersch. 

Christian Pellis ist CEO von Amundi Deutschland.

Thorsten Giersch

01.05.2025 | 06:57

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