Deutschlands Kunstszene wird immer weiblicher
Für das Jahr 2023 meldete der Kunstmarkt neue spektakuläre Deals: Die "Dame mit Fächer" von Gustav Klimt ist bei Sothebys in London für rund 86 Millionen Euro versteigert worden. Gerhard Richters "4096 Farben" sind für 20,3 Millionen Euro bei einer Versteigerung in New York verkauft worden. Und das Ölgemälde "Murnau mit Kirche II" des russischen Malers Wassily Kandinsky wechselte für 42,3 Millionen Euro den Besitzer. Eine Malerin war bei den ganz großen Auktionszuschlägen nicht dabei. Der Kunstmarkt wird immer noch von Männern dominiert. Und doch kommen sie. Zum ersten Mal in der Geschichte der Auktionen entfielen mehr als eine Milliarde Dollar des gesamten jährlichen Kunstauktionsumsatzes auf Künstlerinnen. Binnen drei Jahren hat sich der Umsatz mit der „female art“ glattweg verdoppelt.
Im globalen Maßstab steigen die Preise für Werke der Pionierinnen wie Louise Bourgeois, Joan Mitchell, Georgia O’Keefe, Frida Kahlo und Tamara De Lempicka sprunghaft. Noch deutlicher aber gewinnen die noch lebenden Künstlerinnen an Sichtbarkeit und Wertigkeit. Die Japanerin Yayoi Kusama und die Amerikanerin Cindy Sherman sind derzeit begehrt. Doch vor allem Deutsche sorgen im Kunstbetrieb für Furore: Rosemarie Trockel, Katharina Sieverding, Rebecca Horn, Isa Genzken, Katharina Fritsch, Cornelia Schleime und Lore Bert bilden womöglich die Gruppe der „Glorreichen Sieben“.
Was aber kosten die Werke von Isa Genzken, Cornelia Schleime, Rosemarie Trockel oder Lore Bert mittlerweile, da die Preise so gestiegen sind? Die Antwort ist — typisch Kunstbetrieb - unscharf, hängt am Einzelobjekt und der Konstellation, aber sechsstellig sind die Preise für größere Formate beinahe durchweg. Von Gerhard Richter, Anselm Kiefer oder Georg Baselitz ist das Preisniveau der glorreichen Sieben noch etwas entfernt - aber das Gender Gap schließt sich langsam auch hier.
Dass dies so ist, liegt wiederum nicht zuletzt an Frauen, wie Dorothea van der Koelen, die schon 1979 ihre Galerie in Mainz-Bretzenheim öffnete und früh allen voran Lore Bert ausstellte. 35 Jahre später – am 2. November 2014 – eröffnet sie die Cadoro, das Zentrum für Kunst und Wissenschaft in Mainz-Hechtsheim. Beide Jubiläen werden nun mit der sehr sehenswerten Ausstellung Visions of Beauty gewürdigt und gefeiert.
Und auch immer mehr Sammlerinnen setzen auf ein Netzwerk. Zu einem Ladies Art weekend trafen sich jetzt auf Einladung der Kuratorin Sonja Lechner von Kunstkonnex Artconsulting 24 Frauen aus unterschiedlichen Berufsbereichen, um sich auszutauschen und neue Synergien zu knüpfen. Weil Kluges auch schön sein kann, bot Hoteldirektorin Stephanie Birnthaler in ihrem 5-Sterne-Hotel „Goliath“ inmitten der Regensburger Altstadt dafür den perfekten Rahmen. Die Kunstreisenden, unter ihnen Gäste wie Petra Winter von MADAME ebenso wie Unternehmerinnen Sigrid Bauschert (CEO Management Cicle AG), Caroline Kronseder (Krones AG), Annette Schnell (Dr. Schnell Chemie) oder Verlegerin Christiane Goetz-Weimer (Weimer Media Group) besuchten unter anderem die Galerie Lesmeister, die Positionen der Gegenwartskunst in wechselnden Ausstellungen zeigt. Aktuell ist dort UNTITLED zu sehen, eine Interaktion aus Skulptur und Mixed Media zweier Künstler: Der Amerikaner Jeremy Holmes erforscht mit seinen Skulpturen die Kontraste zwischen den abstrakten Formen gebogenen Holzes und geometrischer, von Menschen geschaffenen Räumen. Er tritt in einen Dialog mit Ashwan: Mit Sprühlack, Blattsilber und -gold schafft der in Barcelona lebende Künstler Werke aus vielschichtigen Texten, die Versen klassischer Hip-Hop-Songs entnommen sind. Herausragend: Love of my life. Diese Elemente der Street Art kombiniert der Künstler mit der Palimpsest-Technik der Antike, einer der klassischen Techniken der Kunstgeschichte.
So waren es am Ende doch wieder Männer, zu denen sich die Frauen hingezogen fühlten.
04.10.2024 | 06:57