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Wer hat das Telefon erfunden?

Deutsche Erfinder haben vom Buchdruck bis zum Auto, vom Röntgenstrahl bis zum Kaffefilter viele Erfolge zu verzeichnen. Doch was ist mit dem Telefon? Amerika beansprucht mit Graham Bell die Ehre für sich. Ein neues Buch des Historikers und Verlegers Wolfram Weimer gibt nun eine andere, eindeutige Antwort: Es war der hessische Lehrer Philipp Reis, der das Fernsprechgerät tatsächlich erfunden hat - und das Wort „Telefon“ gleich dazu.

Allerdings: Es war eine lächerliche Konstruktion! Aus einer Geige, einer Stricknadel und der Blase eines Hasen bastelt Philipp Reis 1861 das erste Fernsprechgerät der Welt. Die erste Telefonleitung wird über einen Obstbaum in eine Scheune geführt. Eine Jahrtausenderfindung in einer hessischen Provinz – ganz ohne Forschungsgelder oder Venture Capital, ohne Universität oder Institut, nicht einmal einen Gönner hatte er.
Philipp Reis war ein Waisenkind, dem es das Leben bitter schwer macht. Studieren durfte er nicht, doch mit unbändiger Neugier-Intelligenz erkämpfet er sich einen Lehrerberuf und tüftelte leidenschaftlich herum. Dabei erfindet er unter grotesken Umständen das erste Telefon der Welt. Die Öffentlichkeit staunte, doch die Wissenschaft und die Machthaber belächelten den genialen, kreativen Amateur aus Hessen und sein vermeintliches Spielzeug. Er starb früh und erlebte den Weltruhm seines Geniestreichs nicht mehr. Dafür übernahm der clevere Geschäftsmann Alexander Graham Bell in den USA die Idee, ließ sie zwei Jahre nach dem Tod von Philipp Reis patentieren und machte mit den neuartigen Telefonen Millionen. Amerika feierte Bell seither als den Vater des Telefons. Deutschland hat den wahren Vater hingegen fast vergessen.

Dieses reich illustrierte Buch gibt Antworten

Nun spürt erstmals eine große Monografie das Leben und Wirken von Philipp Reis nach. Weimer erzählt die Lebens- und Erfindungsgeschichte detailliert quellentreu und doch lebendig. Zahlreiche Archivfundstücke und wichtige Quellendokumente werden erstmals zusammen publiziert. Das reich illustrierte Buch gibt vor allem Antworten. Antworten auf die Fragen: Wie kann der nicht-studierte Waisenjunge das schaffen? Wer ist dieser Jahrhundert-Erfinder wirklich? Wieso wird „Das Pferd frisst keinen Gurkensalat“ der erste Satz, der je durch ein Telefon gesprochen wird? Warum kann Graham Bell das Telefon nach dem Tod von Philipp Reis für sich patentieren lassen? Und wieso ist Reis in Vergessenheit geraten?

Bei der Schlüsselfrage, wer denn nun das Telefon tatsächlich erfunden hat, referiert das Buch die langjährige Wissenschaftsdebatte und ihre Argumente. Dabei wird klar, dass Bell das Telefon technisch entscheidend weiterentwickelt und vor allem erfolgreich vermarktet hat. Das Buch arbeitet interessante Details heraus, so dass Bell in seinem britischen Patentantrag gar nicht den Anspruch erhebt, der Erfinder, sondern nur der Verbesserer des Telefons zu sein. Der genaue Titel seines Patents lautet daher „Verbesserungen in der elektrischen Telefonie (Übertragung oder Erzeugung von Tönen zum Zweck tele- grafischer Nachrichten) und an telefonischen Apparaten“.

Allerdings ist Bell tatsächlich der erste Patentinhaber des Telefons. Dieser Umstand wird von Bell-Verehrern und der amerikanischen Historiographie als entscheidender Beweis gewertet, dass er und nicht Reis als Erfinder angesehen werden müsste. Weimer argumentiert dagegen: „Philipp Reis konnte ein rechtlich einwandfreies Patent gar nicht anmelden, denn das deutsche Patentgesetz wird erst am 25. Mai 1877 beschlossen und tritt am am 1. Juli 1877 in Kraft. Da ist Reis schon drei Jahre tot. Die USA hingegen haben ein geschlossenes Patentrecht schon länger. Das Patent-Argument ist freilich ahistorisch und legalistisch. Denn die meisten Erfindungen bis weit ins 19. Jahrhundert hinein sind nicht durch moderne Patente kodifiziert worden – vom Buchdruck bis zur Dampfmaschine – und trotzdem erkennt man ihre geistigen Väter eindeutig als Erfinder an.“

Die Monografie soll „einem großartigen Mann, dem es das Leben schwer machte, den Respekt und die Sichtbarkeit geben, den er verdient hat.“ Denn so das Fazit: Der Erfinder des Telefons heißt nicht Graham Bell, er heißt Philipp Reis.

Wolfram Weimer, Der vergessene Erfinder, Hardcover 146 Seiten,

CH. GOETZ-VERLAG, ISBN: 978-3-947140-04-6,

Preis: 20 Euro

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22.11.2019 | 15:40

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