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An diesem Mann scheitert Ramelow

In Thüringen könnte die Linkspartei mit Bodo Ramelow erstmals einen Ministerpräsidenten stellen. Doch die SPD quält sich mit der rot-rot-grünen Option, weil Ramelow von Stasi-Leuten umgeben ist. Vor allem einer gilt als untragbar.

Der ehemalige Stasi-Mitarbeiter Frank Kuschel hat es wieder in den Landtag geschafft. Da eine Koalition der Linken mit SPD und Grünen nur einen Sitz mehr als die Opposition hätte, käme bei dieser Konstellation auch Kuschel ein großes Gewicht zu. Der ehemalige Stasi-Mitarbeiter Frank Kuschel hat es wieder in den Landtag geschafft. Da eine Koalition der Linken mit SPD und Grünen nur einen Sitz mehr als die Opposition hätte, käme bei dieser Konstellation auch Kuschel ein großes Gewicht zu.

Frank Kuschel ist der bekannteste Stasi-Mann in Thüringen. Sein Deckname: "Fritz Kaiser". Der studierte NVA-Offizier bekämpfte einst eifrig ausreisewillige DDR-Bürger, und das Ministerium für Staatssicherheit bemerkte zufrieden, dass Kuschel bereit sei, "Personen vorbehaltlos zu belasten". Selbst als die meisten DDR-Bürger im Jahr 1989 zu ihrem Regime auf Distanz gingen, blieb Kuschel stahlhart auf Linie. Nach Angaben des Stasi-Forschers Hubertus Knabe hat er selbst im Oktober 1989 noch mehrere Personen an die Stasi verraten, die mit dem Neuen Forum sympathisierten.

Viele der Bürgerrechtler halten ihn für eine niederträchtige Figur, weil seine Opfer vergeblich auf Entschuldigung oder Wiedergutmachung warten. Auf seiner Internetseite taucht unter der Rubrik "Über mich" in einem ausführlichen Lebenslauf das Wort Stasi gar nicht erst auf.

Dafür ist Kuschel heute ein lautstarker Spitzenpolitiker der Linkspartei und Landtagsabgeordneter. Obwohl das Parlament in Thüringen ihn sogar offiziell – ein reichlich spektakulärer Vorgang – als "parlamentsunwürdig" eingestuft hat, steht er bei den Linken wieder ganz vorne in der Riege der Männer um Spitzenkandidat Bodo Ramelow. Mit 90,7 Prozent hat ihn ein Parteitag der Linken auf Listenplatz 8 gewählt und so sitzt Kuschel, alias Fritz Kaiser, wieder im Parlament. Auf Listenplatz 7 – und damit ebenfalls im neuen Landtag – findet sich eine Ex-Stasi-Frau: Ina Leukefeld, "IM Sonja".

"Linke bleibt immer ein heißes Eisen"

An Kuschel und Leukefeld hat sich nun in Thüringen eine Debatte entzündet, dass man 25 Jahre nach dem Mauerfall doch unmöglich die SED-Nachfolgepartei mit ihren prominenten Stasi-Kadern in die Regierung wählen könne. Vor allem innerhalb der SPD und bei den ehemaligen Bürgerrechtlern wächst der Widerstand. Der Gründer und Anführer der Sozialdemokratischen Partei in der DDR (SDP), der späteren SPD, Stephan Hilsberg, warnt in einem schriftlichen Aufruf: "Niemals wird die Linke mit ihrer Verantwortung für Stalinismus, Mauer, Stacheldraht, politisches Strafrecht, Diktatur und Millionen an Flüchtlingen in Deutschland eine normale Partei werden. Sich mit ihr einzulassen wird immer ein heißes Eisen bleiben."

Und Thüringens Ex-SPD-Vorsitzender Gerd Schuchardt, der als Spitzenkandidat 1994 noch beachtliche 29,6 Prozent für die Sozialdemokraten geholt hatte, warnt ebenfalls offen: "Nun ist es an der Zeit, die Mitglieder aufzurufen, eine noch größere Beschädigung unserer Partei zu verhindern. Die mehrfach umbenannte Partei, die aus der SED hervorging, ist für eine Mehrheit der Bürger keine normale Partei wie andere, sondern wird immer noch als Erbe der untergegangenen SED-Diktatur, die moralisch und wirtschaftlich bankrott war, gesehen."

"Keine SPD der Witwen und Waisen"


Die thüringischen SPD-Legenden wollen verhindern, dass ihre stolze Partei der Demokraten ausgerechnet den Ex-Schergen der DDR-Diktatur an die Macht verhilft. Ihre Meinung findet zusehends größere Gefolgschaft unter Sozialdemokraten, so dass von Tag zu Tag die Chance für eine rot-rot-grüne Regierung in Erfurt schwindet. Besonders heikel wird die Stasi-Verstrickung der beiden Abgeordneten, weil eine rot-rot-grüne Koalition nur die minimale Mehrheit von einer Stimme hätte. Der einzelne Abgeordnete bekäme damit ein besonderes Gewicht. Kuschel und Leukefeld, so sagte Thüringens Wirtschaftsminister Uwe Höhn (SPD) nun dem Tagesspiegel, werde "ein ziemlich langer Hebel in die Hand gegeben".

Der Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Roland Jahn, fände einen linken Ministerpräsidenten in Thüringen gar als moralische Zumutung: "Das wäre ein Signal, das die Opfer der SED-Diktatur sehr verletzen würde", sagte er der "Bild". Und die Thüringer Allgemeine kommentiert den Start der rot-rot-grünen Sondierungsgespräche ebenfalls denkbar kritisch: "Die Linke gefällt sich darin, die Anmutung zu verbreiten, sie sei zu einer Art SPD der Witwen und Waisen mutiert. Doch der Gen-Code der alten Kaderpartei wird zuweilen noch deutlich sichtbar – insbesondere personell."

Am Ende dürfte das Projekt Bodo Ramelow als Ministerpräsidenten just an Frank Kuschel scheitern. Denn an ihm wird so schrill offenbar, wie sehr die Linkspartei noch im trüben Wasser der Stasi watet. Viele fragen sich, warum Ramelow – ein unbelasteter West-Import der Linkspartei – Kuschel, Leukefeld und andere nicht längst entmachtet und kurzerhand eine unbelastete Kandidatenliste präsentiert hat? Die Wahrheit dürfte sein, dass die Stasi-Seilschaften im Osten immer noch zu mächtig sind in der Linkspartei. Doch wer offiziell als "parlamentsunwürdig" eingestuft ist, der kann wohl kaum regierungsfähig sein.

Frank Kuschel ist "Person der Woche" in Wolfram Weimers Kommentar für n-tv.de.

28.09.2014 | 09:17

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